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Kris Richard: Vom Lkw-Fahrer zum ETCC-Champion

ETCC-Champion Kris Richard im Interview: Über seinen ungewöhnlichen Werdegang und den überraschenden Erfolg in seiner ersten Tourenwagen-Saison

(Motorsport-Total.com) - Kris Richard war ohne Zweifel der Aufsteiger des Jahres 2016 im europäischen Tourenwagencup (ETCC). Nach zwei Jahren Rennpause stieg der 21-jährige Schweizer in die "zweite Liga" der Tourenwagen-Weltmeisterschaft (WTCC) ein, feierte gleich beim zweiten Rennwochenende der Saison auf dem Slovakiaring einen Doppelsieg und sicherte sich nach einem spannenden Finale im Duell mit dem erfahrenen Petr Fulin den Titel.

Titel-Bild zur News: Kris Richard

Kris Richard ist ETCC-Champion des Jahres 2016 Zoom

Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' lässt Richard seine erste Saison im Tourenwagensport Revue passieren und spricht über seinen ungewöhnlichen Werdegang. Nach ersten Erfolgen im Formelsport fuhr er zwei Jahre lang keine Rennen und verdiente sein Geld als Lkw-Fahrer. Richard berichtet auch von seinen ersten Runden auf der Nordschleife, bei denen er herausfand, dass ein Simulator die Wirklichkeit nur bedingt abbilden kann.

Frage: "Kris, wenn man dir vor dem Saisonstart im März gesagt hätte, dass du in diesem Jahr Meister der ETCC wirst, was hättest du da gedacht?"
Kris Richard: "Das ist eine gute Frage! Ich hätte wahrscheinlich gedacht 'Hast du etwas genommen oder träumst du?' (lacht; Anm. d. Red.). Damit hätte ich nie im Leben gerechnet. Ich dachte, für die erste Saison wäre das Mittelfeld eine gute Sache gewesen, Erfahrungen sammeln und lernen. Als ich dann das erste Mal im Auto saß, habe ich mich sofort wohl gefühlt. Die Lust aufs Rennfahrern, zu kämpfen und zu gewinnen war sofort wieder da. Ich hatte keinen Druck und denke, das war ausschlaggebend."

Frage: "Vielen Fans dürfte der Name Kris Richard noch nicht sonderlich viel sagen. Magst du dich kurz vorstellen, was hast du vor dieser Saison im Motorsport gemacht?"
Richard: "Mein Vater ist früher Formel Ford und Bergrennen gefahren. So bin ich zum Motorsport gekommen. Ich habe im Alter von sieben Jahren mit dem Kartsport angefangen und bin die Schweizer Meisterschaft gefahren, bis ich elf Jahre alt war. Ich habe zwar nie den Titel geholt, war aber Zweiter und Dritter."

Kris Richard

In Schweizer Rikli-Team fuhr Kris Richard einen Honda Civic TCR Zoom

"Dann bin ich nach Deutschland, wo es eine Sichtung einer Kartschule gab. Die habe ich gewonnen und konnte dann gratis eine Saison in der Rotax-Max-Challenge in Deutschland fahren. 2012 und 2013 bin ich dann in der Schweiz die Formel LO mit dem Formel BMW gefahren und wurde im zweiten Jahr Dritter. Bis dahin hat mir mein Vater extrem viel geholfen und mich immer gepusht. Dann kam aber die Zeit meiner Lehrabschlussprüfung zum Kfz-Mechatroniker an. Ich konnte mich deswegen nicht ausreichend um Sponsoren kümmern und habe deshalb ausgesetzt."

Zwei Jahre lang Lkw-Fahrer in der Schweiz

"Ich habe anschließend die Lkw-Prüfung gemacht und bin zwei Jahre lang Lkw in der Schweiz gefahren. Da ist man viel unterwegs und kann sich nicht um Fitness und die ganze Vorbereitung kümmern. Ich glaube, diese Pause war aber gut. Im vergangenen Oktober habe ich dann einen Test in Dijon organisiert, weil es wieder gekribbelt hat und ich wieder fahren wollte. Seitdem habe ich alles daran gesetzt und habe sofort Sponsoren gesucht. Ich hatte auch etwas Glück, konnte wieder zurück ins Motorsportgeschäft und voll durchstarten. Ich arbeite jetzt für meinen Sponsor und bin daher relativ flexibel."

Frage: "Viele Nachwuchspiloten streben eine Karriere im Formelsport an oder gehen in den GT-Sport. Weshalb hast du dich nach deiner Pause für den Tourenwagensport und hier speziell für die ETCC entschieden?"
Richard: "Das hat mich schon immer fasziniert, selbst als ich noch Formel BMW gefahren bin. Das sind richtige Autos mit Dach. Wenn du 'Auto' hörst, stellst du dir solch ein Auto vor. Wenn ich Leuten erzähle, dass ich Tourenwagen fahre, fragen sie: 'Wie sieht das denn aus?' Und ich antworte: 'Im Grunde wie ein Auto für die Straße, nur modifiziert für die Rennstrecke.'"

"Ich bin 187 Zentimeter groß, was im Formelauto zwar auch noch ging, aber die Tourenwagen haben mich immer etwas mehr fasziniert. Im vergangenen Jahr habe ich dann meinen Vater gefragt, ob er jemanden kennt, und so sind wir auf Rikli gekommen. Dadurch bin ich zum Tourenwagen gekommen. Es war dann schnell klar, dass wir ETCC fahren, weil Rikli dort schon seit Jahren aktiv ist."


Onboard beim Sieg auf der Nordschleife

Frage: "Wie schwierig war die Umstellung auf den Honda Civic?"
Richard: "Ich war erstaunt, das ging relativ gut. Das Formelfahren hat mir da gut getan, speziell, was das harte Bremsen betrifft. Da konnte ich extrem viel mitnehmen. Außerdem war ich wie gesagt zwei Jahre lang Lkw-Fahrer. Da habe ich ständig die Lkw gewechselt und bin für die eingesprungen, die Ferien hatten oder krank waren. Da habe ich schon gemerkt, dass ich extrem flexibel war. Egal ob mit Schaltung oder Automat, ob mit Anhänger oder ohne, das konnte ich gut."

"Ich kann auch im Motorsport mit einem Auto fahren, das übersteuert, kann aber auch mit einem Auto fahren, das untersteuert. Wenn ein Auto tendenziell untersteuert, bekomme ich es trotzdem hin, eine gute Zeit zu fahren. Ein anderer, der ein Auto braucht, bei dem das Heck lebendig ist, kann das nicht. Das ist eine meiner Stärken, diese Flexibilität was verschiedene Setups und Fahrzeuge betrifft."

Von Anfang an bei den schnellsten dabei

Frage: "In der ETCC lief es dann von Anfang an recht gut für dich. Gleich am zweiten Rennwochenende auf dem Slovakiaring ist dir ein Doppelsieg gelungen. Wie sehr hat dich das überrascht?"
Richard: "Eigentlich war ich beim ersten Rennen in Le Castellet mehr überrascht. Da war ich im ersten Rennen in einen Unfall verwickelt und lag ganz hinten. Ich hatte nichts mehr zu verlieren und bin dann mit einer krummen Hinterachse die Rennbestzeit gefahren. Da war ich über mich selbst überrascht, ich bin wie in einen Tunnel hineingekommen."

"Ich habe alles andere ausgeblendet und bin einfach gefahren. Ich bin dann noch auf den fünften Platz gekommen. Da habe ich gemerkt, dass ich eins mit dem Auto war. Das am Slovakiaring zu bestätigen, war natürlich super. Ich kann mich erinnern, dass ich vor dem Rennen am Sonntag extrem nervös war. Ich wusste, ich kann's eigentlich und wollte allen beweisen, dass ich mit dem Auto zurechtkomme. Das war auch für die Sponsoren eine super Bestätigung. Das war eigentlich das einzige Mal, wo ich etwas nervös war und Druck spürte."

"Das letzte Rennen in Imola war dann natürlich auch speziell für mich, das war ich noch nicht so gewohnt. Ich merke, dass es momentan eine neue Situation für mich ist. Vor einem Jahr warst du noch komplett der Newcomer, und jetzt hast du doch schon etwas erreicht. Das will man im nächsten Jahr natürlich bestätigen. Ich merke, dass ich eine gewisse Erwartung an mich selbst habe, die ich vor einem Jahr noch nicht hatte."

Peter Rikli und Kris Richard

Mit Peter Rikli hatte Kris Richard einen sehr erfahrenen Teamkollegen Zoom

Frage: "Was war für dich der Höhepunkt der Saison?"
Richard: "Die Nordschleife fand ich super. Vor dem Rennen hatte ich allerdings Respekt. Ich dachte: 'Nordschleife, kannst du das?' Ich hatte ein paar Zweifel und wäre vorher lieber die Grand-Prix-Strecke gefahren. Viele sagen, die Nordschleife sei die schwierigste Rennstrecke. Ich habe mir das Ganze natürlich vorher zu Hause im Simulator eingeprägt. Ich bin auf die Strecke raus und wusste genau, über welchen Randstein in welcher Kurve ich fahren kann."

"Aber in der ersten Runde habe ich dann gemerkt, dass der Simulator halt nur ein Simulator ist und dachte: Das ist ja krass! Nachdem ich mich zwei, drei Runden daran gewöhnt hatte, kam das Vertrauen zum Auto und ich bin einfach gefahren. Ich war erstaunt, wie gut das geklappt hat, und dann das zweite Rennen zu gewinnen, war sicherlich ein Highlight. Imola war dann auch sehr schön, vor so viel Publikum das Ganze nach Hause zu holen."

Die Durchfahrtsstrafe, die keine war

Frage: "Nicht ganz so glücklich ist es für dich in Magny-Cours gelaufen, wo du eine Strafe angetreten hast, die du gar nicht hättest antreten müssen. Was ist denn da passiert?"
Richard: "In Portugal habe ich eine Durchfahrtsstrafe bekommen, damit muss ich anfangen. Ich hatte die schwarz-weiße Flagge und das Drive-Through-Schild gezeigt bekommen, weil ich vor dem Rennen in der Boxengasse zurückgerollt bin. In Magny-Cours habe ich dann wegen Track Limits eine Verwarnung bekommen. Ich habe die schwarz-weiße Flagge gesehen, war mir aber nicht sicher, ob das Drive-Through-Schild auch draußen war."

"In der zweiten Runde war mir aber schon der Funk ausgefallen, weil es ein Problem mit dem Stecker des Lenkrads gab. Ich lag vorne und wusste nicht, ob ich jetzt eine Durchfahrtsstrafe habe oder nicht. Ich sah dann schon jemanden mit der schwarzen Flagge stehen und fragte mich: 'Was machst du jetzt? Gehst du in die Box und verlierst Punkte oder fährst du fertig und riskierst, dass du disqualifiziert wirst, im zweiten Rennen von ganz hinten starten musst und keine Punkte machst?' Da habe ich mich dann für diese Durchfahrtsstrafe entschieden. Das ist blöd gelaufen, aber was willst du machen? Ich habe auf jeden Fall einiges gelernt."

"Aber in der ersten Runde habe ich dann gemerkt, dass der Simulator halt nur ein Simulator ist und dachte: Das ist ja krass!" Kris Richard über die Nordschleife

Frage: "Es hat sich ja zum Glück für dich nicht negativ ausgewirkt. Es wäre natürlich sehr ärgerlich gewesen, wenn du wegen so etwas dann die Meisterschaft verloren hättest..."
Richard: "Es wäre schön gewesen, wenn man mit ein paar Pünktchen Vorsprung die Meisterschaft gewonnen hätte. Aber im Endeffekt hat es gereicht."

Frage: "Als Belohnung für die Meisterschaft gibt es ja einen Gaststart in der WTCC. Weißt du schon, für welches Team und mit welchem Hersteller du da fahren wirst?"
Richard: "Da habe ich noch gar keine Infos. Am 3. Dezember ist die Preisverleihung von Eurosport Events in Paris. Vielleicht erfahre ich da etwas mehr. Es wäre schön, wenn ich das mit Honda machen könnte."


Finale in Imola: Kris Richard ist Meister

Frage: "Abgesehen von diesem Gaststart in der WTCC: Welche Pläne hast du für das nächste Jahr?"
Richard: "Ich weiß noch nicht genau, was ich machen werde. Es wäre natürlich toll, wenn man den ETCC-Titel verteidigen könnte. Die TCR Germany würde mich auch interessieren, alleine um zu sehen, wo man da steht. Die ETCC hat ja nur sechs Rennwochenenden, die TCR Germany hat sieben. Vielleicht kann man da etwas kombinieren. Mehr kann ich aber noch nicht sagen, das hängt auch davon ab, wie es mit den Sponsoren läuft."

Frage: "Möchtest du noch etwas ergänzen?"
Richard: "Ein großes Dankeschön an alle, die mir in dieser Saison geholfen haben: Das Team, Familie, Sponsoren, Freunde. Ich hoffe, dass ich für die nächste Saison wieder genug Geldgeber finden werde und wieder eine tolle Saison hinlegen kann. Ich werde auch marketing-mäßig nächstes Jahr viel präsenter sein."

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