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  • 18.06.2012 16:19

  • von Stefan Ziegler

Einfach Lotti

"Freizeit? So etwas habe ich nicht!": WTCC-Promoter Marcello Lotti ist vielbeschäftigt und doch Schelm geblieben - Der Serienchef im Porträt

(Motorsport-Total.com) - Marcello Lotti lässt mich warten. Seine Besprechung dauert länger als erwartet. Auch, weil er ständig zu seinem Mobiltelefon greifen muss. Er springt auf, geht herum. Lange stillsitzen kann er ohnehin nicht. Die rechte Hand an die Hüfte gestützt, das Sakko leicht zurückgeschlagen, mit der linken Hand das Telefon am Ohr, hört er im Stehen zu, was ihm sein Gesprächspartner zuflüstert. Um dann auf typisch italienische Art zu antworten: mit viel Gestik. Und einem Lächeln im Gesicht. Diesem Mann macht Spaß, was er tut. Obwohl er ständig unter Strom steht.

Titel-Bild zur News: Marcello Lotti

Marcello Lotti ist vielbeschäftigt, aber auch immer zu Scherzen aufgelegt

Ein Augenzwinkern in meine Richtung zeigt mir: Gleich ist es soweit. Marcello Lotti legt auf und setzt sich noch einmal in sein Meeting. Er hört zu, diskutiert, spricht ruhig, aber bestimmt. Er beendet seine Unterredung mit fröhlicher Stimme und einem Scherz auf den Lippen. Hände schütteln, ein kurzer Blick auf die Uhr - jetzt ist meine Zeit gekommen. Marcello Lotti nimmt Platz an meinem Tisch, legt sein Mobiltelefon zur Seite, seine gefalteten Hände auf den Tisch, blickt mir in die Augen und sagt: "Allora, fangen wir an." Unser kleines Interview im Fahrerlager von Monza hat begonnen.

Ich mache es kurz, denn sein Terminplan ist prall gefüllt. Doch das ist Marcello Lotti gewohnt. Schon seit seinem 18. Lebensjahr. Damals wagte mein italienischer Gesprächspartner als Copilot im Rallyeauto seine ersten Gehversuche im Motorsport. Und wartet nun mit einer echten Überraschung auf: "Ich trickste an meiner Lizenz herum, dass ich starten konnte. Ich war 18, das Mindestalter war 19." Aha. Sein schelmisches Grinsen sagt aber noch viel mehr aus als die bloßen Worte. Denn diese kleine Flunkerei war der Ausgangspunkt für Marcello Lottis Karriere im Motorsport.

"Das war der Anfang", sagt er. Viele weitere Rallyeeinsätze folgten, ehe Marcello Lotti an den Kommandostand wechselte und damit das Management eines Teams übernahm. Für BMW war er in nationalen und internationalen Rennserien vertreten und auch als Teammanager in Le Mans. Zur Weihnachtszeit 1999 tat sich ihm schließlich aber eine neue Möglichkeit auf: Die italienische Tourenwagen-Meisterschaft stand vor dem Aus. "Der bisherige Promoter sprang ab. Wir brauchten dringend eine Lösung", erklärt Marcello Lotti. Er hatte seine neue Aufgabe gefunden.

KSO-Chef Marcello Lotti

Das Mobiltelefon ist nie fern: Marcello Lotti ist auch vor Ort ein gefragter Mann Zoom

Binnen dreier Wochen erarbeitete er ein Konzept für die Saison 2000, erhielt grünes Licht vom Weltrat des internationalen Automobilverbandes (FIA) und war plötzlich Serienchef. Sein Championat existiert bis heute, nur unter anderem Namen. Es ist die WTCC, die Weltmeisterschaft für Tourenwagen, hervorgegangen aus einem nationalen und später europaweiten Wettbewerb. Doch Marcello Lotti ist noch nicht an seinem Ziel angekommen. Eines Tages soll der Kalender 14 Rennveranstaltungen umfassen und eine mächtige Plattform für zahlreiche Hersteller darstellen.

"Das wünsche ich mir", sagt Marcello Lotti. "Denn das hatte ich von Anfang an im Hinterkopf." Deshalb blieb sein Privatleben in der Vergangenheit manchmal auf der Strecke - oder besser gesagt: abseits davon. "Freizeit? So etwas habe ich nicht", sagt Marcello Lotti. Aber da ist es wieder, sein italienisches Lächeln. Er fährt fort: "Ich spiele gerne Golf, doch ich bin nicht sehr gut darin. Ich habe einfach nicht die Zeit, um oft zu trainieren. Wenn ich etwas Zeit habe, schnappe ich mir mein Boot und fahre hinaus aufs Meer. Dort versuche ich dann, ein paar Fische zu fangen."

Marcello Lotti

Besuch in der Startaufstellung: Marcello Lotti hat die "neue" WTCC aufgebaut Zoom

In Ford und Honda hat Marcello Lotti bereits zwei richtig dicke Fische für die Saison 2012 an Land gezogen. Am meisten freut sich der Familienvater jedoch über einen ganz anderen Coup: Den Besuch von Formel-1-Chef Bernie Ecclestone bei einer seiner Veranstaltungen. "Dass Bernie einmal meiner Einladung nach Marrakesch nachkam, war eine große Ehre für mich. Er reist nicht oft zu Events anderer Rennserien", sagt Marcello Lotti. Doch Bernie Ecclestone kam. Ebenso die Automarken. Und die Fahrer. Und in der Gunst der Fans klettert die WTCC immer weiter nach oben.

Zu verdanken hat sie das Marcello Lotti, der lieber nach vorn als zurück schaut. Im Moment blickt er aber sowieso nur auf seine Uhr, dann zu mir. "Finito?", fragt er mich, zieht die Augenbrauen hoch und formt mit seinen Händen die italienische "Basta"-Geste. Ja, wir sind fertig. Für heute. Und schon springt er auf. "Danke für das Gespräch. Bis bald", sagt Marcello Lotti und begleitet sein Lächeln mit einem festen Händedruck und einem freundlichen Klaps auf meine Schulter. Noch ehe er sein Mobiltelefon in seinem Jackett verstaut hat, klingelt es schon wieder: "Pronto. Hier Lotti, was gibt's?"

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