• 04.10.2014 06:39

  • von Stefan Ziegler

Kolumne: Wo ist die WTCC da nur hingeraten?

Redakteur Stefan Ziegler ist vor Ort am Goldenport Motor Park in Peking und fragt sich: Weshalb tut sich eine Weltmeisterschaft eine solche "Rennstrecke" an?

Titel-Bild zur News: Goldenport Motor Park

Der Goldenport Motor Park zählt nicht zu den bekannten Strecken Zoom

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leser,

zwei Veranstaltungen in China. Nur das zählt. Wie, das ist den Verantwortlichen der WTCC scheinbar ziemlich egal. Das ist zumindest der Eindruck, den ich am Goldenport Motor Park in Peking gewonnen habe. Denn das ist keine Strecke wie jede andere, die ich kenne. Dabei ist der Kurs an sich vermutlich noch das Beste an dieser Nummer. Aber was man dort sonst noch erlebt, stimmt einen nachdenklich.

Da wäre zum Beispiel eine Äußerung von WTCC-Serienchef Francois Ribeiro, der bei der offiziellen Pressekonferenz im Stadtzentrum von Peking davon sprach, in künftigen Saisons stets zweimal in Festland-China fahren zu wollen. Allerdings - und das sagte Ribeiro, noch ehe sich hier ein Rad gedreht hatte - könne er nicht garantieren, dass Peking nach 2014 erneut Austragungsort sein werde.

"Die Strecke hier entspricht nicht unserem Standard", meint der Serienchef, schickt seine Teilnehmer an diesem Wochenende aber trotzdem auf den Goldenport-Kurs. Als Ersatz für Sonoma, das die WTCC nach bisher zwei Besuchen doch nicht zum dritten Mal angesteuert hat. Und bei aller Euphorie der Automobil-Industrie für China: Muss man hier denn wirklich um jeden Preis ein Rennen austragen?

Das Ergebnis solcher Bemühungen sehe ich hier vor mir. Wirklich rennbereit ist dieser Ort nämlich nicht. Es mangelt einfach an allem. Auf der "Rennstrecke" in Peking - mehr als eine kleine Test- und Vorführstrecke für die rundherum ansässigen Automarken ist der Goldenport Motor Park eigentlich nicht - gibt es kaum Reifenstapel, nur viel Beton, dafür aber reichlich Schlamm in den Auslaufzonen.

Es läuft nicht rund in Peking-Goldenport

Was das bedeutet, wurde schon am Freitag deutlich: Ein Auto hatte sich im Dreck festgefahren. Das angerückte Bergefahrzeug steckte ebenfalls nach kurzer Zeit fest. Und das Bergefahrzeug für das Bergefahrzeug brauchte seine Zeit, um die Havaristen herauszuziehen. Für rund eineinhalb Stunden (!) ruhte daher der Fahrbetrieb komplett. Das war beim Training einer chinesischen Meisterschaft.

Michael Soong

Michael Soong strandete mit seinem SEAT im Kies der Zielkurve Zoom

Bei der WTCC spielten sich beim kurzen Test am Samstagmorgen ähnliche Szenen ab, nachdem Michael Soong (Campos-SEAT) sein Auto im Kiesbett der Zielkurve abgestellt hatte. Erst kam keiner, um zu helfen. Dann rollte ein Bagger an, aber gleich wieder weg. Ein Lastwagen fuhr herbei, kurz darauf davon. Ein anderer Bagger bog um die Ecke. Und irgendwann war das Auto sogar wieder flott.

Alles Dinge, die sich hier auf und neben der Strecke abspielen. Alles nicht außergewöhnlich, aber vermeidbar. Dafür macht die Boxengasse einen ordentlichen Eindruck. Zumindest von vorn. Dahinter wird es mindestens abenteuerlich, teilweise aber auch haarsträubend. "Improvisiert" ist wohl ein sehr treffender Begriff für den Verschlag, der hier am Goldenport-Kurs als "Pressezentrum" bezeichnet wird.

Die Weltmeisterschaft im Rahmenprogramm

Eine halbe Stunde vor Fahrbeginn ist niemand da, der die windschiefen Türen von ihrem verbrauchten Vorhängeschloss befreien könnte. Also warten die Kollegen und ich, bis jemand kommt. Draußen geht das WTCC-Personal vorbei, blickt rüber, zuckt mit den Achseln. Willkommen in China - nicht unser Bier. Schon klar: Die Weltmeisterschaft ist hier ja auch nur Rahmenprogramm für die nationale Serie.

Start in Moskau 2014

Die Weltmeisterschaft fährt in Peking als Rahmenprogramm der CTCC Zoom

Die, sie hört auf die Bezeichnung CTCC, war schließlich zuerst da. Man hat den WTCC-Gästen zwar die Boxengasse überlassen, nimmt aber die besten Streckenzeiten für sich selbst in Anspruch. Die WTCC fährt indes morgens um 8:20 Uhr Ortszeit als erstes, abends um 17:20 Uhr als letztes. Und die Qualifikation hat am Samstag keinen Platz mehr, wird kurzerhand auf Sonntagmorgen verschoben.

Das alles nehmen die WTCC und ihre Veranstalter offenbar in Kauf, um hier fahren zu dürfen. Aber auch das ist ja noch zu verschmerzen. Bedenklich wird es da schon eher, was die sanitären Anlagen am Goldenport Motor Park betrifft. Die sind nämlich selbst für China-Verhältnisse äußerst dürftig: Das gesamte Fahrerlager, drei Rennserien umfassend, teilt sich hier nämlich eine kleine Toilettenanlage.

Nur Schanghai-Tianma war schlimmer

Ein paar Pissoirs, zwei Sitzlöcher, ein Waschbecken, weder Seife noch Handtuch. Gereinigt wird - habe ich mir sagen lassen, weil selbst noch nicht gesehen - sporadisch mit einem Wasserschlauch. Entsprechend sieht es aus. Entsprechend riecht es auch. Und jetzt stelle man sich vor: Die Teams verbringen pro Tag etwa 15 Stunden an der Strecke. Ich meine: Eine Zumutung ist das, sonst nichts.

Toilette

Die einzigen Toiletten an der Strecke, Details dazu erspare ich Euch... Zoom

Schlimmer geht's wohl nicht. Das dachte ich zumindest. Aber die WTCC-Teams haben wohl schon etwas dergleichen mitgemacht. In der Saison 2011, in Schanghai. Damals wurde es kurzfristig nichts mit dem geplanten Rennen in Guangdong. Und weil die Formel-1-Strecke dort nicht zur Verfügung stand, ging man halt auf den kleinen Tianma Circuit. Dort muss es noch heftiger gewesen sein.

Ich selbst kann das nicht beurteilen, denn ich war damals nicht vor Ort. Hier bin ich es. Und ich muss schon mit dem Kopf schütteln, wenn ich sehe, was hier vor sich geht. Hauptsache China, irgendwie. Und die Teams dürfen es ausbaden. Weil alle, die sich gegen die Veranstaltung am Goldenport Motor Park hätten aussprechen können, genau das offenbar nicht getan haben. Grünes Licht, von allen Seiten.

Goldenport ist einer Weltmeisterschaft nicht würdig

Und so fährt eine Weltmeisterschaft an einer "Rennstrecke", die ihr nicht würdig ist. Dem Automobil-Weltverband (FIA) ist das wohl egal, den Organisatoren anscheinend auch. Bleibt nur zu hoffen, dass die Veranstaltung einigermaßen gut abläuft und dass dabei niemand zu Schaden kommt. Dem Image der Meisterschaft tut so etwas aber sicher nicht gut. Als ob sich das die WTCC einfach so leisten könnte.

Chinesische Flagge, China

Zweimal China ist alles, was zählt: Peking und Schanghai für die WTCC Zoom

Im zehnten Jahr ihres Bestehens wirkt die Tourenwagen-WM zwar einerseits gefestigt, fristet andererseits aber noch immer ein Dasein als Motorsport-Mauerblümchen. Und Veranstaltungen wie in Peking werden daran wohl nichts ändern. Ganz im Gegenteil. Vielleicht übersehe ich bei aller Kritik aber einfach nur das Entscheidende: zwei Rennen in China. Einzig darum scheint es hier zu gehen.

Und eine letzte Sache noch, gewissermaßen ein Hinweis in eigener Sache: Die Internetverbindung vor Ort ist leider nicht zuverlässig und stabil genug, als dass eine Berichterstattung in gewohntem Umfang möglich wäre. Liebe Leser, bitte seht es mir nach! Ich kann Euch aber versprechen, dass ich meine Zeit hier nutzen werde, um Euch alsbald mit einigen Neuigkeiten rund um die WTCC zu versorgen!

Beste Grüße & trotz allem ein schönes Rennwochenende!

Euer


Stefan Ziegler