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  • 08.04.2014 17:57

  • von Stefan Ziegler

Kolumne: Neue Ära, jetzt geht's los!

Redakteur Stefan Ziegler schreibt über das bevorstehende erste Rennwochenende unter dem neuen WTCC-Reglement und wagt auch eine Saisonprognose

Titel-Bild zur News: Citroen TC1 WTCC 2014

Yvan Muller und Citroen gehen als die großen Favoriten in die WTCC-Saison 2014 Zoom

Liebe Leser,

nun ist es also (fast) so weit: Das lange Warten hat ein Ende, am Wochenende gibt die WTCC endlich wieder Gas. Und wie! Das neue Reglement macht die Fahrzeuge der Meisterschaft schneller denn je. Die Autos sehen obendrein viel schneidiger aus als in der Vergangenheit. Und der Sound der 380-PS-Motoren ist ebenfalls hörenswert. Es wird also höchste Zeit, all dies auf die Öffentlichkeit loszulassen!

Schade nur, dass die Premiere ausgerechnet in Marrakesch erfolgt. Nicht falsch verstehen: Ich mag diese Stadt und auch ihr besonderes Flair! Aber die erste Veranstaltung unter dem neuen Reglement hätte man doch besser auf einer normalen Rundstrecke ausgetragen. Zumal Marrakesch wiederholt aufgezeigt hat, wie rasch sich Rennwagen auf dem dortigen Stadtkurs in Schrott verwandeln lassen.

Marrakesch als Risiko für die neuen TC1-Autos

Ich hoffe und wünsche es allen Beteiligten, dass am ersten Rennwochenende des Jahres alles glatt geht! Auch, weil schon eine Woche nach dem Auftakt in Le Castellet gefahren wird. Ob dann noch alle 16 TC1-Autos einsatzbereit sind? Ich wage es zu bezweifeln, wenngleich zumindest die Werksteams von Citroen und Honda dazu in der Lage sein sollten, entsprechende Reparaturen vorzunehmen.

Vielleicht, und das ist in Marrakesch keineswegs ausgeschlossen, legt sich die Meisterschaft mit ihrem Saisonstart auf dem Circuit Automobile Moulay el Hassan also selbst ein Ei. Die Chancen, dass der Beginn der neuen WTCC-Ära gründlich in die Hose geht, sind dort sicherlich größer als anderswo. Euch ist das Chaos von 2010 sicher noch in Erinnerung: Das Safety-Car führte die meisten Runden an.

Etwas dergleichen käme in diesem Jahr einer Katastrophe gleich. Schließlich steht die WTCC mit ihrem neuen Reglement an der Schwelle, ihr "Mauerblümchen"-Dasein abzulegen und zu einer "gestandenen" Rennserie zu werden. Davon zeugt zum Beispiel die Ankunft von Rallye-Rekord-Weltmeister Sebastien Loeb. Auch dank ihm ist das Medieninteresse schon jetzt größer denn je.


Fotostrecke: Die neuen WTCC-Autos

Wie anders ist die "neue" WTCC?

Dann wären da natürlich noch die neuen Autos, die ich eingangs bereits lobend erwähnt habe. Und ich weiß, wovon ich da rede: Bei den offiziellen WTCC-Testfahrten in Le Castellet und in Valencia war ich jeweils vor Ort, um mir ein Bild von der "neuen" WTCC zu machen. Ihr dürft Euch darauf freuen! Trotzdem gibt es vor dem Saisonauftakt noch etliche Fragezeichen, nicht nur beim Kräfteverhältnis.

Lassen die Fahrzeuge auch 2014 enge Rad-an-Rad-Duelle zu? Ist nach einer leichten Berührung gleich die Aufhängung im Eimer? Kann ein Fahrer dem Vordermann überhaupt im Windschatten folgen? Und ist das Überholen schwieriger als mit den bisherigen WTCC-Autos? Das sind Fragen, die bei den Testfahrten nicht endgültig geklärt werden konnten. Marrakesch wird nur bedingt Antworten liefern.

Der Stadtkurs im Süden der Millionenmetropole ist nicht gerade das, was ich als typischen Stadtkurs bezeichnen würde. Im Prinzip geht es nur geradeaus, ein paar äußerst knackige Schikanen sowie eine Haarnadel-Kurve und eine Parabolica-Kurve unterbrechen die Highspeed-Fahrt. Lassen die Piloten dann noch etwas mehr Vorsicht walten als sonst, kann das nicht als Gradmesser dienen.


Fotos: Citroen-WTCC-Test in Magny-Cours


Le Castellet als erster wahrer Gradmesser

Deshalb sollten wir die Ergebnisse von Marrakesch, wie auch immer sie ausfallen werden, erst einmal ebenfalls mit Vorsicht genießen. Das, was dort passiert, muss keinen Trend für die restliche Saison vorgeben. Klarer sehen wir da sicher schon in Le Castellet. Das ist übrigens die Strecke, auf der ich, hätte ich entscheiden können, den Saisonauftakt 2014 und den WTCC-"Neustart" abgehalten hätte.

Warum? Das ist schnell erklärt: Bei Le Castellet handelt es sich schließlich um eine klassische Rundstrecke mit unheimlich großen Auslaufzonen. Da machst du als Fahrer nichts kaputt, selbst wenn dir mal ein Fehler unterläuft. Kurzum: die perfekte Bühne für den ersten Auftritt der neuen TC1-Autos. Dort wird sich zeigen, wer von Citroen, Honda, Lada und RML-Chevrolet am besten gearbeitet hat.

Meine Vermutung, die angesichts des betriebenen Aufwands sicher nicht weiter überraschend ist, lautet: Citroen. Wer schon im Juli 2013 erstmals mit einem TC1-Auto getestet und noch dazu Yvan Muller in seinen Reihen hat, der kommt nicht um die Favoritenrolle herum. Besser aussortiert kann niemand sonst sein. Für mich steht daher fest: Die Auftaktrennen werden eine Angelegenheit für Citroen.


Fotostrecke: Das neue WTCC-Kräfteverhältnis

Citroen als Favorit, Lada als große Unbekannte

Bei Honda scheint man sich bereits damit abgefunden zu haben, nicht ganz dran zu sein. Dafür waren die Abstände bei den Testfahrten zu groß. Was aber auch kein Wunder ist: Als Honda im Januar 2014 erstmals fuhr, hatte Citroen schon ein halbes Jahr lang getestet. Mindestens "zwei oder drei Monate" fehlen Honda laut Teamchef Alessandro Mariani, um wirklich perfekt vorbereitet antreten zu können.

Was sollen da erst die Fahrer sagen, die 2014 mit von RML gebauten TC1-Chevrolets antreten? Erst vor drei Wochen begann die Auslieferung dieser Autos. Aber: RML scheint wieder ein Meisterstück gelungen zu sein. Denn der TC1-Cruze war beim Test in Valencia auf Anhieb auf dem Niveau von Honda und soll, so heißt es im Fahrerlager, über den stärksten Motor des gesamten Feldes verfügen.

Das klingt doch schon mal recht spannend. Aber vergesst mir unsere Freunde von Lada nicht! Die haben schon seit geraumer Zeit viel Optimismus versprüht, weil sie aufgrund der neuen Regeln viel mehr an der Basis des Autos arbeiten konnten als bisher. Ob sie das vorangebracht hat? Testzeiten haben sie nicht veröffentlicht. Und so geht Lada als die große Unbekannte schlechthin ins Rennjahr.


Fotos: WTCC-Testfahrten in Valencia


Und wo führt das Ganze hin...?

Ich meine: Rein sportlich gesehen sind das sehr interessante Aussichten! Und der "Loeb-Faktor" spielt auch noch eine Rolle. Ihn zu schlagen steht sicher nicht nur bei WTCC-Rekordchampion Muller ganz oben auf der To-Do-Liste. Dabei wird meist völlig übersehen, dass auch der Dritte im Citroen-Bunde, Jose-Maria Lopez, ein richtig schneller Bursche ist! Aufgepasst - das wird sicher kein Selbstläufer!

Auch deshalb nicht, weil die Entwicklung in diesem Jahr nicht stillstehen wird. Honda hat bereits die Gründung eines Testteams angekündigt, Citroen wird ähnliche Maßnahmen ergreifen. Und schwupps: Da haben wir den Salat - ein Wettrüsten. Das kostet Zeit, aber vor allem Geld. Und das hat schon ganz andere Meisterschaften in den Ruin getrieben. Ich bin gespannt, wie es da der WTCC ergeht.

Und wie wird sich Umsteiger Loeb in seinem ersten Jahr auf der Rundstrecke machen? Ich vermute: gut bis sehr gut! Alleine seine privaten Übungseinheiten sprechen Bände: Der will etwas beweisen. Und das geht nur, wenn er den Besten schlägt, also Muller. Ob das von Anfang an gelingt? Schwer vorstellbar. Dafür hat Muller zu viel Erfahrung. Aber Loeb wird sicher rasch dazulernen. Und dann...


Fotostrecke: Die neuen WTCC-Regeln

Vergesst mir die Privatteams nicht!

Ein Wort auch noch zur TC2-Klasse, die angesichts des neuen Reglements und dessen Umsetzung scheinbar kaum Beachtung findet: Es waren die Privatteams, die in den vergangenen Jahren dafür gesorgt haben, dass die WTCC weiter Bestand hatte. Doch nicht alle dieser privaten Rennställe sind 2014 noch dabei - aus verständlichen Gründen: Die finanzielle Belastung wurde zu groß, die Perspektive zu klein.

Umso größer ist mein Respekt vor den Teams, die trotzdem weiter zur Meisterschaft halten und das dank ihrer Sponsoren auch tun können. Und dieses Engagement werden wir in unseren Berichten zu würdigen wissen. Das kann ich schon jetzt versprechen! Auch und gerade, weil die TC2-Kategorie in den Rennen im Hintergrund agieren wird. Und ohne die TC2-Autos hätten wir kein volles Starterfeld.

Doch genug der langen Vorreden: Lassen wir die Jungs endlich von der Kette und den Sport die Antworten geben, die wir schon seit Wochen suchen! Ich freue mich darauf, in Marrakesch live dabei zu sein, wenn die WTCC in eine neue Ära startet. Und ich kann es kaum erwarten, Euch von meinen Eindrücken zu berichten! Seid gespannt, denn vor uns liegt ein aufregendes Rennjahr - so oder so!


Fotos: Citroen und Honda testen in Paul Ricard


Beste Grüße & viel Spaß beim "Neustart" der WTCC in Marrakesch!

Euer


Stefan Ziegler

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