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  • 27.05.2012 12:40

  • von Stefan Ziegler

Kolumne: Live aus dem Container

Stefan Ziegler schreibt über sein Debüt im "Sprechercontainer" der WTCC und über seine Erfahrungen als Co-Kommentator bei Eurosport

Titel-Bild zur News: Der "Sprechercontainer"

Stefan Ziegler (li.) und Uwe Winter im "Sprechercontainer" am Salzburgring

Liebe WTCC-Fans,

habt Ihr das Österreich-Debüt der WTCC bei Eurosport verfolgt? Dann ist Euch sicherlich gleich aufgefallen, dass es auch in der Sprecherkabine eine Premiere gab. Aufgrund der Terminkollision mit den 24 Stunden auf der Nürburgring-Nordschleife waren nämlich sowohl Dirk Adorf als auch Christian Menzel verhindert. Sie konnten die Rennen in Salzburg also nicht als Co-Kommentatoren begleiten.

Eurosport brauchte daher Ersatz, was mir WTCC-Chefkommentator Uwe Winter schon vor geraumer Zeit eröffnet hatte. Ich zögerte nicht lange, sondern "bewarb" mich auf der Stelle als Aushilfe für den in Österreich vakanten Posten. Nicht zuletzt, weil ich bereits seit Kindertagen davon geträumt hatte, als TV-Kommentator in der Sprecherkabine zu sitzen. Das hier konnte schließlich meine Chance sein.

Uwe und das Eurosport-Team reagierten sehr positiv auf meinen Vorstoß - mein Einsatz in Salzburg wurde prompt fixiert und rückte immer näher. Zwischenzeitlich ergab sich für mich jedoch noch eine andere TV-Gelegenheit: Nach dem Großen Preis von Bahrain im April trat ich in der "Klartext"-Runde von Sky als einer von drei Experten auf. Live vor der Kamera. Eine sehr interessante Erfahrung.

Mäuschen spielen im Warmup

Einiges davon, was ich dabei gelernt habe, kam mir am vergangenen Wochenende sehr zugute. Zum Beispiel das Gefühl, zu einem Publikum zu sprechen, das du nicht siehst. Oder ganz "banale" Dinge wie "was sage ich und wie sage ich es"? Mein Kollege Pete Fink, der bei 'Motorsport-Total.com' den Bereich US-Racing betreut und bereits TV-erfahren ist (Hier sein neues NASCAR-Buch bestellen!), gab mir weitere wichtige Tipps an die Hand.

Damit ausgerüstet begab ich mich am Sonntagmorgen zum TV-Komplex von Eurosport, um während des Warmups der WTCC einmal Mäuschen zu spielen. Ich setzte mich zu Uwe in den Container (ja, Ihr habt richtig gelesen: Eine Sprecherkabine gab es am Salzburgring nicht, weshalb Bürocontainer als Ersatz herhalten mussten.) und lauschte den Abläufen, von denen ich über Kopfhörer erfuhr.

Der

Der "Sprechercontainer" für Eurosport Deutschland befand sich rechts oben Zoom

Uwe kommentierte das Geschehen auf der Strecke und ich bekam einen ersten Eindruck davon, dass Kommentieren weitaus mehr ist als einfach nur reden, reden, reden. Die Regie gibt nämlich vor, was "on Air" zu passieren hat - und wann Pause ist. Ich staunte nicht schlecht, als ich das erste Mal den Spruch "Stand by for commercial break" und den folgenden Countdown hörte - Achtung, Werbung!

Eine Unterbrechung, die Uwe und ich für einen kurzen Austausch nutzten, in dem ich noch mehr über meine Aufgabe erfuhr, ehe die Sendung fortgesetzt wurde. Und nach einer knappen halben Stunde war die Übertragung des Warmups schon zu Ende. Merke: Die Zeit vergeht rasend schnell, wenn du direkt am Geschehen dran bist. Trotzdem schien der Vormittag in Salzburg immer länger zu werden.

Die Nervosität wächst und wächst ...

Zwischen dem Warmup und der Rennberichterstattung lagen nämlich mehrere Stunden, in denen sich bei mir allmählich Nervosität einstellte. Nicht so sehr, als ich mit meinem britischen Kollegen Neil Hudson durch das Fahrerlager schlenderte und mir die Rennen der Rahmenserien ansah. Als ich in der Hitze der Mittagspause aber nochmals meine Unterlagen sichtete, spürte ich es umso mehr.

Ich denke, es war eine Mischung aus Anspannung und Vorfreude - und wahrscheinlich dem Wissen, dass ich gleich zwei Stunden lang live im Fernsehen zu hören sein würde. So trat ich also erneut den Weg vom Pressezentrum zum TV-Komplex an, traf aber unterwegs noch auf einige gute Freunde, die genau wussten, was mir bevorstand. "Ist es jetzt soweit?", wurde ich mehrfach gefragt. Ja, in der Tat.

Gridwalk

Die Startaufstellung füllte sich, als ich mich auf den Weg zum Container machte Zoom

Es war soweit. Der Moment, auf den ich sehr lange gewartet hatte, war da. Ich klopfte an die Türe unseres Containers, trat ein und setzte mich auf den Stuhl neben Uwe. Alles war bereit für unsere Sendung: Vor uns standen drei Monitore mit dem Eurosport-Bild, wie es die Zuschauer sehen, dem "World Feed", auf das wir kommentieren, und der Zeitenliste, anhand derer die Reihenfolge klar wird.

Davor stand eine kleine Box für die Technik, die Uwe und mich in die deutsche Übertragung von Eurosport einspeiste. Angehängt daran waren die zwei Headsets mit den Mikrofonen, über die wir vom Geschehen am Salzburgring berichten würden. Noch stand unser "Live"-Schalter aber auf "Aus", denn wir hatten noch etwas Luft. Zeit, um vor Sendebeginn noch ein Erinnerungsfoto zu machen.


Fotos: WTCC in Salzburg, Sonntag


Endlich: Wir gehen auf Sendung!

In den letzten Minuten vor dem Beginn der Übertragung wies mich Uwe noch einmal in die wichtigsten Punkte ein, die es zu beachten galt. Ich hörte aufmerksam zu, doch meine Anspannung wuchs. Endlich fand - wenige Minuten vor dem Startschuss - noch die kurze Sprechprobe statt, doch die Techniker hatten mich bereits nach wenigen Sätzen "eingefangen". Alles paletti. Let the show begin.

Und dann ging's los und plötzlich befand ich mich live auf Sendung, als Co-Kommentator der WTCC. Über die Jahre habe ich die Berichterstattung auf Eurosport natürlich sehr oft verfolgt, doch nun war ich zum ersten Mal selbst ein Teil davon. Viele Gedanken schossen durch meinen Kopf, als Uwe die Einleitung vortrug und die Zuschauer auf die bevorstehenden zwei Stunden in Salzburg einstimmte.

Stefan Ziegler

Live auf Sendung als Co-Kommentator: Davon hatte ich schon lange geträumt! Zoom

Als er dann seinen neuen Co-Kommentator - mich! - vorstellte, gab es kein Zurück mehr: Mein Traum war wahr geworden und ich saß mittendrin! Der eine oder andere Leser kann sich vielleicht denken, dass mein Nervenkostüm angesichts dessen glatt im Dreieck sprang. Mir pochte das Herz bis zum Hals, doch Uwe strahlte links neben mir eine Ruhe aus, von der ich mich allmählich anstecken ließ.

Und was hatte mir mein Kollege Pete mit auf den Weg gegeben? "Konzentriere dich auf Uwe und unterhalte dich mit ihm. Denke einfach nicht daran, dass du zu einem großen TV-Publikum sprichst." Ein sehr guter Tipp, Pete! Denn mit diesem Hinweis im Hinterkopf gelang es mir, meine Nervosität abzubauen. Und je mehr ich reden durfte, umso besser lief es. Die Sache fing an, mir zu gefallen!

Vom Suchen und Finden der inneren Ruhe ...

Schon nach ein paar Minuten war nämlich (fast) sämtliche Anspannung verflogen, denn ich merkte, dass sich die Sendung insgesamt gut anließ. Und als "meine Jungs" schließlich in die Aufwärmrunde starteten, befand ich mich ohnehin in meinem Element. Uwe brachte mich zudem gut ins Spiel und ich konnte meine ersten Live-Kommentare zum Renngeschehen loswerden. Ein wirklich tolles Gefühl!

Verstärkt wurde es noch dadurch, dass auf der Strecke einiges geboten wurde. Chevrolet hatte Rennen eins gut im Griff, doch Yvan Muller sorgte gleich mehrfach für Aufregung, indem er bei über 220 km/h einen Überholversuch auf der Außenbahn wagte. Das waren schon sehr beeindruckende Szenen, auch wenn der Dreifach-Sieg der aktuellen Tourenwagen-Weltmeister nie in Gefahr geriet.

Der Sendeplan von Eurosport

Der Sendeplan für die WTCC-Rennen auf dem Salzburgring: Alles ist genau getimt Zoom

Ich kann nun aber sagen: Aus der Sicht eines Kommentators stellen sich die Dinge etwas anders dar als vor den Monitoren im Pressezentrum. Klar: Einfach nur zuzuschauen ist sicher nicht so schwierig, wie das Gesehene auch in Worte zu fassen. Die kurze Pause zwischen den Rennen kam mir deshalb gerade recht, um Uwe nach einem Zwischenfazit zu fragen. "Alles okay" - und ich war erleichtert.

Das zweite Rennen war dann, so glaube ich, in vielerlei Hinsicht noch besser als das erste. Ich war nicht mehr so nervös wie zu Beginn der Sendung, brachte meine Kommentare etwas präziser auf den Punkt und hatte auch den Eindruck, nun besser mit Uwe zu harmonieren. Kurzum: Es hat wirklich sehr viel Spaß gemacht, den zweiten WM-Lauf zu kommentieren! Vor allem, weil so vieles vor sich ging.

Wiechers siegt - und ich bin Co-Kommentator

Chevrolet schnitt zunächst ja wieder einmal durch das Feld und Marrakesch (ich war dort gewesen) war plötzlich wieder sehr präsent. Dann ging es aber derart drunter und drüber, dass es in der Kürze der Zeit gar nicht in aller Gänze zu erfassen war. Erst in der Wiederholung am Montag bemerkte ich nämlich, wie sehr sich die Ereignisse überschlagen hatten und wer Reifenschäden erlitten hatte.

Im "Sprechercontainer" war das zunächst nicht klar zu sehen, was dich aber natürlich nicht davon entbindet, die Situation zu kommentieren. Uwe hatte jedoch gleich den richtigen Riecher, als Alain Menu unsanft in den Leitplanken landete. Und ich verstehe bis heute nicht, weshalb nach dem zweiten Abflug (Alex MacDowall) an derselben Stelle nur Gelb gezeigt wurde. Es war gefährlich!

Stefano D'Aste

War ein WTCC-Sieger auf dem Podest schon jemals besser angezogen? Zoom

Glücklicherweise ging es aber gut und alles lief weiter nach Plan. Bis auf die Tatsache, die Uwe auffiel, dass Chevrolet das Tempo reduzierte. Und dann platzten die linken Vorderreifen bei Muller und bei Rob Huff und Stefano D'Aste holte sich in der letzten Kurve den Sieg. Unfassbar! Ich glaube, die Überraschung war Uwe und mir anzumerken, als wir diesen kuriosen Zieleinlauf kommentierten.

Und ich darf sagen: Bei all dem Pech, das Chevrolet in diesem Rennen wiederfahren ist, freue ich mich doch sehr für D'Aste, Teammanager Dominik Greiner und das gesamte Wiechers-Team! Es ist wirklich eine tolle Mannschaft, die es verdient hat, endlich einmal ganz vorn zu stehen. Und dann war ich auch noch derjenige, der live auf Sendung war, als der Rennstall seinen größten Erfolg einfährt.

Und plötzlich ist der Spuk schon wieder vorbei

Sehr viel besser hätte meine Premiere am Mikrofon eigentlich nicht enden können, finde ich. Denn kaum zu glauben: Die zwei Stunden waren so rasch vergangen. Dabei hätte ich nur zu gern noch weitergemacht. Unsere Sendung neigte sich aber ihrem Ende und Uwe leitete die Verabschiedung ein. Es war toll, dass er dann noch auf die Nachberichterstattung verwies - die wartet schon auf mich.

Direkt nach dem Ende meines Auftritts und nachdem ich mich herzlich für diese Chance bedankt hatte, spurtete ich auch schon zurück ins Media Centre, um zumindest noch die letzten Worte der Pressekonferenz mitzukriegen. Ich spürte meine Beine noch vom Yokohama-Trackrun am Freitag, aber da war nichts zu machen. Und als ich schließlich ankam, hatte die PK noch gar nicht begonnen.

Der

Noch einmal vielen Dank, Uwe, dass ich am Salzburgring co-kommentieren durfte! Zoom

Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Auch, weil ich meine Erfahrung als TV-Co-Kommentator sehr genossen hatte. Jetzt befand ich mich allerdings wieder in meiner üblichen Rolle, lauschte der Pressekonferenz als Reporter und stellte - sehr zur Freude von Huff und Co. - auch ein paar Nachfragen. Und Obacht: An diesem Abend war ich nicht der Letzte, der das Pressezentrum verließ!

Vor mir lag nämlich noch die Heimfahrt nach München, auf der mir all das Erlebte noch einmal durch den Kopf ging. Viele interessante Eindrücke. Davon werde ich noch lange zehren. Und dann das seltsame Gefühl am Montag, sich bei der TV-Wiederholung auf Eurosport plötzlich selbst reden zu hören. Aus dem Container am Salzburgring. Danke, Uwe & Eurosport! Eine wirklich aufregende Nummer!


Fotos: WTCC in Salzburg, Girls


Beste Grüße & ich hoffe, die Sendung hat Euch gefallen!

Euer


Stefan Ziegler

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