• 21.11.2011 15:18

  • von Stefan Ziegler

Kolumne: Ein Weltmeister, zwei große Sieger

Redakteur Stefan Ziegler schreibt über das Saisonfinale in Macao, die heftigen Unfälle und die Titelentscheidung zwischen Huff und Muller

Titel-Bild zur News: Yvan Muller, Robert Huff

Yvan Muller vor Rob Huff: Die beiden bestimmenden Fahrer in dieser Saison

Liebe WTCC-Fans,

in der Spielerstadt Macao liegen Gewinnen und Verlieren traditionell sehr eng beisammen. Dies gilt einerseits für die zahlreichen Kasinos, die einen scheinbar grenzenlosen Zuspruch erfahren, zum Anderen natürlich auch für den Guia Circuit. Der über sechs Kilometer lange Stadtkurs zählt zu den anspruchsvollsten Rennstrecken überhaupt und wurde seinem Ruf auch dieses Mal wieder gerecht.

Während der Rennwoche ereigneten sich einmal mehr zahlreiche, zum Teil schwere Unfälle, die mir in aller Deutlichkeit vor Augen führten, welche Gratwanderung eine Motorsport-Veranstaltung auf engem Raum darstellt. Ich bin nach wie vor fasziniert vom Guia Circuit und den Rennen dort, doch mir jagte am Freitag gleich zweimal ein eiskalter Schauer über den Rücken, als zwei WTCC-Fahrer verunfallten.

Zum Glück dürfen wir rückblickend festhalten: Fredy Barth und Robert Dahlgren geht es nach ihren Crashs den Umständen entsprechend gut und ihre Verletzungen sind weitaus geringer, als zunächst befürchtet. Eine sehr gute Nachricht, die aber nicht über das Gefahrenpotenzial des Macao-Kurses hinwegtäuschen kann. Die Strecke zeigte im weiteren Verlauf allerdings auch ihr anderes Gesicht.

Wie schon seit 2005, so diente der Guia Circuit auch in diesem Jahr als Kulisse für den Showdown der Tourenwagen-WM. Und ich glaube, es ist nicht vermessen zu sagen, dass die Ausgabe 2011 ein echter Knüller war! Ich hatte mich sehr auf das finale Duell zwischen Rob Huff und Yvan Muller gefreut und mir viele Szenarien ausgemalt, doch mit einer solchen Hochspannung hatte ich nicht gerechnet.

Robert Dahlgren

Am Volvo C30 von Robert Dahlgren war nach dem Crash nicht mehr viel ganz Zoom

"Nichts ist unmöglich" ist eben nicht nur das Motto eines japanischen Automobil-Herstellers, sondern auch bezeichnend für den Stadtkurs in der ehemaligen portugiesischen Kolonie. Das "Kasino" unter den Rennstrecken bietet alles, was das Fahrerherz begehrt, und auch die Zuschauer kommen jedes Mal auf ihre Kosten. Die Titelentscheidung war in diesem Jahr aber etwas wirklich Besonderes.


Fotos: WTCC-Siegerehrung in Macao


Ein Duell auf Messers Schneide

Der Vorsprung von 20 Punkten auf Huff hätte Muller eigentlich recht ruhig schlafen lassen sollen, doch zur Ruhe kam der Franzose in der Nacht auf Sonntag kaum. Weshalb, wurde zur Mittagszeit in Macao offenbar, denn Huff legte eine bestechende Form an den Tag und siegte gleich in beiden Rennen. Das ist eine Topleistung, die es zu würdigen gilt - auch wenn das Qualifying-Format eine Hilfe war.

Trotz den Startplätzen eins und drei musste Huff seinen Chevrolet Cruze 1,6T erst einmal sicher über die Distanz bringen, was in Macao bekanntermaßen keine Selbstverständlichkeit ist (Tom Coronel kann zu diesem Thema ein paar nette Anekdoten zum Besten geben...). Der Brite meisterte diese Aufgabe allerdings mit Bravour und sorgte dafür, dass Muller keineswegs zum WM-Titel spazierte.

Yvan Muller

Yvan Muller setzte sich um drei Punkte durch und wurde wieder Weltmeister Zoom

Ganz im Gegenteil: Nachdem Huff im ersten Rennen den "Matchball" seines Teamkollegen erfolgreich abgewehrt hatte, war er in Lauf zwei sogar kurzzeitig - wenn auch nur virtuell - Weltmeister, weil sein Kontrahent die entscheidenden Punkte noch nicht sicher hatte. Wenig später wechselte die Führung in der Gesamtwertung wieder zu Muller, wo sie schließlich auch blieb. Ein wirklich spannendes Finale!


Fotos: Robert Huff, WTCC in Macao


"Es kann nur einen geben"

Das wirklich Tolle daran war in meinen Augen, dass beiden Rivalen nichts geschenkt wurde. Im ersten Rennen trugen Huff und Muller ein ungeheuer aufregendes Duell um den Laufsieg aus, beim zweiten Mal mussten beide einige Positionen gutmachen, um ihr großes Saisonziel zu erreichen. Auch wenn die Gegenwehr der WM-Statisten meist nicht allzu groß war - in Macao ist Überholen nicht einfach.

Wer die Rennen von Macao gesehen hat, wird mir sicher beipflichten: Packender hätte ein Finale der WTCC kaum sein können! Getreu dem "Highlander"-Spruch, wonach es nur Einen geben kann, wird am Saisonende aber nur ein Fahrer zum Weltmeister ausgerufen. In diesem Fall machten drei Punkte den Unterschied aus, um Muller den dritten WM-Titel und Huff den Verfolgerplatz zu bescheren.

Robert Huff

Rob Huff mauserte sich 2011 endgültig zum Titelkandidaten in der WTCC Zoom

In meinen Augen ist es müßig, darüber zu philosophieren, welcher Fahrer den Triumph mehr verdient hat. Fakt ist: Die Punktetabelle spricht für Muller und gegen Huff, alles Weitere ist nicht von Relevanz. Und dennoch bin ich der Meinung, 2011 zwei wirklich großartige Leistungen gesehen zu haben. Huff und Muller waren die bestimmenden Piloten des Jahres, was sie in Macao eindrucksvoll unterstrichen.


Fotos: Yvan Muller, WTCC in Macao


Mein Fazit: Wir haben zwei Sieger

Wenn ich also hier am Flughafen von Hongkong sitze und die Saison vor meinem geistigen Auge noch einmal Revue passieren lasse, komme ich nicht umhin, an zwei klasse Champions zu denken. Huff, der vor allem zu Jahresbeginn unheimlich stark war, und Muller, der sich trotz eines anfänglichen Rückstandes nicht entmutigen ließ. Beide bescherten uns 2011 viele herausragende Rennmomente.

Vielleicht erinnern wir uns in einigen Jahren ja noch an diese, nun vergangene Saison, in der zwei Fahrer - und anfangs auch deren Teamkollege Alain Menu - mit großem Herz und bis zur letzten Runde für ihren Traum kämpften. Der Zweite gilt zwar gemeinhin als der erste Verlierer, doch ich komme nach dem Rennjahr 2011 für mich zu dem Schluss: Dieses Mal gibt es zwei Gewinner.

Stefan Ziegler

Für mich sind Yvan Muller und Rob Huff zwei große Sieger - eine klasse Leistung! Zoom

Ich selbst zähle mich übrigens nicht dazu, denn bei einem kleinen Abstecher ins Venetian-Kasino kam ich im Rahmen der Abschluss-Party von Chevrolet am Roulette-Tisch nicht allzu weit. Ich kann den Verlust einiger Hongkong-Dollars aber sehr gut verschmerzen, weil ich ein wahrhaft aufregendes WM-Finale miterleben durfte. Und in knapp einhundert Tagen beginnt alles ja schon wieder von vorne...

Beste Grüße & danke für eine klasse Saison 2011!

Stefan Ziegler