powered by Motorsport.com

WRC-Kolumne: So wird das nichts, Citroen

Redakteur Markus Lüttgens analysiert die Krise bei Citroen und kommt zu dem Schluss: Mit Kris Meeke werden die Franzosen nie Rallye-Weltmeister

Liebe Freunde des Schotters,

Titel-Bild zur News: Kris Meeke, Paul Nagle

Der demolierte Citroen ist ein Sinnbild für die Situation von Kris Meeke Zoom

der Rückflug von Buenos Aires nach Europa dauert gut 13 Stunden. Jede Menge Zeit, um nachzudenken und die Geschehnisse der vergangenen Tage Revue passieren zu lassen. Für Citroen-Teamchef Yves Matton dürfte diese Beschäftigung heute allerdings nicht gerade ein Vergnügen sein, denn die erfolgsverwöhnte Werksmannschaft des französischen Autoherstellers erlebte bei der Rallye Argentinien ein historisches Debakel.

Nachdem das Auto von Craig Breen nach der letzten Wertungsprüfung aus taktischen Gründen aus dem Wettbewerb zurückgezogen wurde, reist Citroen ohne einen einzigen WM-Punkt aus Südamerika nach Hause und ist damit sportlich auf einem Tiefpunkt angekommen. Null Punkte bei einer WM-Rallye, das gab es seit 2003 für das Citroen-Werksteam nur einmal: 2012 bei der Rallye Portugal, als Rallyesieger Mikko Hirvonen wegen eines regelwidrigen Turboladers disqualifiziert wurde.

Verlieren kennt man bei Citroen nicht

Niederlagen gehören nicht zum Selbstverständnis von Citroen. In der Rallye-WM gewann das Team mit Sebastien Loeb so viele Rennen, dass es dem Superstar am Ende langweilig wurde. Ihm zuliebe wechselte Citroen in die Tourenwagen-WM und siegte die Serie in den Jahren 2014 bis 2016 regelrecht zu Tode. Umso härter muss sich die Bauchlandung in diesem Jahr anfühlen, vor allem, nachdem Citroen vor der Saison als großer Favorit auf den Titel gehandelt wurde.

Yves Matton

Yves Matton muss zum ersten Mal Misserfolge verwalten Zoom

Intensiver als ihre Rivalen (vielleicht mit Ausnahme von Volkswagen, die sich aber bekanntermaßen zurückgezogen haben) hatten sich die Franzosen im vergangenen Jahr auf die Saison 2017 und das neue technische Reglement vorbereitet und dazu ihr Engagement in der WRC sogar auf ein Teilzeitprogramm heruntergefahren. Als Hyundai und Ford im Spätsommer zum ersten Mal mit ihren neuen Autos auf die Strecke gingen, lief der Testbetrieb mit dem C3 WRC schon seit Monaten.

Umso mehr überraschten die Probleme zu Saisonbeginn 2017. Bei der Rallye Monte Carlo war Citroen mit der Abstimmung des Autos offenbar nicht aussortiert. Das Fahrzeug lag zu tief, setzte immer wieder auf und hatte ein unberechenbares Fahrverhalten. Die Folge war ein Abflug von Kris Meeke, der ihn um die Chance auf ein Top-Resultat brachte. Auch bei der Rallye Schweden kämpfte Meeke mehr mit dem Auto als mit der Strecke. Auf On-Board-Aufnahmen war seine Verzweiflung deutlich zu hören: "Ich kann so nicht fahren", rief er mehrfach und musste von Beifahrer Paul Nagle beruhigt werden.

Der C3 ist schnell, aber nicht zuverlässig

Doch nicht nur bei der Abstimmung, sondern auch bei der Zuverlässigkeit ist Citroen nicht da, wo sie sein sollten. Bei der Rallye Frankreich brachte ein Motorschaden Meeke um den Sieg, in Argentinien wurde Craig Breens C3 nach einem Getriebeschaden am Freitag am Samstag durch ein Ölleck lahm gelegt. Dabei war die Standfestigkeit bisher immer die Stärke von Citroen - nicht nur in der WRC. Auch in der Tourenwagen-WM haben die C-Elysee der Franzosen den Ruf eines unverwüstlichen "Panzers".

Grundsätzlich ist der Citroen aber ein Auto, welches es mit den Konkurrenten von Hyundai, Ford und Toyota aufnehmen kann, wie Meekes Bestzeiten immer wieder beweisen. Und die Zuverlässigkeit sollten die Franzosen in den Griff bekommen, zumindest ist ihnen das zuzutrauen. Allerdings gibt es bei Citroen noch einen weiteren Schwachpunkt, den man nicht so einfach ausmerzen kann: Den Fahrerkader.

Mit Craig Breen und Stephane Lefebvre setzt Citroen in dieser Saison zum einen auf die Jugend und gibt zwei vielversprechenden Talenten die Chance, sich auf höchstem Niveau zu beweisen. Und das ist auch gut so, sportliche Wunderdinge erwartet von diesen beiden niemand - auch bei Citroen nicht. Für die sollte der Führungsfahrer im Team sorgen: Kris Meeke. Doch kann er das?

Kris Meeke hält dem Druck offenbar nicht stand

Diese Frage hatte ich bereits in meiner Kolumne vor dem Saisonstart gestellt. Und nach fünf von 13 WM-Läufen komme ich zu dem Schluss: Er kann es nicht.

Kris Meeke

Kris Meeke erlebt bittere Wochen in seiner Karriere Zoom

Den Motorschaden auf Korsika kann man dem Nordiren schlechterdings anlasten. Auch die Ausrutscher in Monte-Carlo und Schweden mit einem schwierig zu fahrenden Auto sind zumindest erklärbar. Doch was Meeke am vergangenen Wochenende in Argentinien abgeliefert hat, war schlicht unterirdisch.

Am Freitag kam er gerade einmal drei Prüfungen weit, ehe er seinen Citroen bei einem Überschlag in ein Wrack verwandelte. In einem Kraftakt gelang es den Mechanikern, den Trümmerhaufen wieder in ein funktionsfähiges WRC-Auto zu verwandeln, doch dieser Einsatz war umsonst. Denn anstatt in aussichtsloser Situation das Risiko zu kontrollieren und darauf zu setzen, am Ende wenigstens in der Powerstage Punkte mitzunehmen, fuhr Meeke weiter so, als könnte er die Rallye noch gewinnen. Das Resultat war bei WP 15 ein zweiter, noch deutlich heftigerer Überschlag, den Meeke und Beifahrer Paul Nagle zum Glück unverletzt überstanden - was man vom C3 WRC nicht behaupten konnte.

Meekes erschreckende Bilanz: Vier Nuller in fünf Rallyes

Für Meeke war es bei der fünften Rallye der vierter "Nuller" (die zwei Punkte aus Schweden einmal außer acht gelassen). Und auch das einzige Erfolgserlebnis, den Sieg bei der Rallye Mexiko, hätte Meeke mit seinem wahnwitzigen Abflug kurz vor dem Ziel der letzten Prüfung fast noch hergeschenkt. Zwar war er dort klar der schnellste Mann und der Sieg sportlich hoch verdient, am Ende aber pures Glück. Wäre Meeke auf dem Parkplatz frontal gegen ein parkendes Auto geprallt, stünde Citroen komplett mit leeren Händen da.

Konnte man Meeke solche Abflüge, von denen er in seiner Karriere schon reichlich hingelegt hat, früher noch mit fehlender Erfahrung entschuldigen, ist er mittlerweile ein gestandener WRC-Fahrer, dem man eine solch hohe Fehlerquote nicht mehr durchgehen lassen kann. Oder können sie sich an einen wilden Überschlag von Sebastien Ogier erinnern?

Pech kann es auch nicht immer sein, jedenfalls nicht so oft. Meeke ist vielmehr nicht in der Lage, sein Tempo den Möglichkeiten des Autos anzupassen. Und wenn man ein WRC-Auto überfährt, kann es weh tun. Man muss sich fast wundern, dass sich Beifahrer Paul Nagle diesem latenten Gesundheitsrisiko weiterhin aussetzt.

Sebastien Ogier zeigt, wie man Weltmeister wird

Den kompletten Gegenentwurf zu Meeke sah man auch am vergangenen Wochenende bei der Rallye Argentinien. Sebastien Ogier war genervt, richtig genervt. Das Fahrverhalten seines Ford Fiesta passte ihm nicht, und auch das Schrauben an der Abstimmung brachte keine Fortschritte. Ein Graus für den ehrgeizigen Franzosen, der im Ziel offen zugab: "Ich bin froh, dass es vorbei ist."

Ogier verlor aber trotz all der Schwierigkeiten nicht die Nerven und widerstand der Versuchung, mit Gewalt eine Bestzeit zu erzwingen. Belohnt wurde er dafür mit Platz vier und insgesamt 14 WM-Punkten. So wird man Weltmeister, nicht mit dem Hau-ruck-Stil von Meeke.


Fotostrecke: Top 10: Die erfolgreichsten WRC-Fahrer

Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Ich mag Kris Meeke sehr und sehe ihn vom reinen Tempo auf einem Niveau mit Ogier und Thierry Neuville. Auch gefällt mir seine offene und emotionale Art. Meeke trägt sein Herz auf der Zunge und redet nicht um den heißen Brei herum. Er ist ein Typ, und genau solche braucht die WRC.

Klingelt in Norwegen ein Telefon?

Wenn ich allerdings Citroen-Sportchef Yves Matton wäre, würde ich während des Rückflugs aus Argentinien in meinem Adressbuch die Telefonnummer von Andreas Mikkelsen heraussuchen, nach der Landung sofort den Norweger anrufen und hoffen, dass er noch nicht bei Hyundai unterschrieben hat. Mikkelsen ist schnell, mittlerweile konstant und bringt den Erfahrungsschatz der Entwicklungsarbeit mit dem Volkswagen Polo WRC mit.

Markus Lüttgens

Redakteur Markus Lüttgens rät Citroen, Andreas Mikkelsen zu verpflichten Zoom

Mit ihm würde ich Citroen zutrauen, um den WM-Titel mitzufahren - wenn auch nicht mehr in diesem Jahr. Mit Kris Meeke jedoch, und da lehne ich mich heute aus dem Fenster, wird Citroen nie Weltmeister. Denn Möglichkeiten, seinen Fahrstil anzupassen, hatte der mittlerweile 37-Jährige in den vergangenen Jahren genug. Doch wer selbst einen Schuss vor den Bug wie in Mexiko nicht als Warnung versteht, bei dem besteht wenig Hoffnung auf Besserung.

Ihr


Markus Lüttgens