• 10.06.2016 14:15

Rallye Italien: Gewinner und Verlierer im Reifenpoker

Mit einer riskanten Reifenwahl hält "Straßenfeger" Sebastien Ogier den Rückstand auf die Spitze in Grenzen - Jari-Matti Latvala ist nach der Vormittagsschleife Zweiter

(Motorsport-Total.com) - Das Risiko zahlte sich aus für Sebastien Ogier (Volkswagen). Der Weltmeister rückte zur Vormittagsschleife der ersten Etappe mit vier weichen Reifen auf seinem Polo R WRC aus - angesichts hoher Temperaturen und rauer Strecken ein Wagnis, das die Konkurrenz fast durchweg scheute. "Wenn du den Straßenfeger spielen musst, hast du nur mit weichen Reifen überhaupt eine Chance", beschreibt der Tabellenführer den Nachteil der Startposition eins.

Titel-Bild zur News: Sebastien Ogier, Julien Ingrassia

Weltmeister Sebastien Ogier entschied sich am Vormittag für weiche Reifen Zoom

Und man muss ein anerkannter Reifenflüsterer sein, eine der hervorstechendsten Eigenschaften von Ogier. Nur für die letzte von vier Prüfungen des Freitagvormittags nahm Ogier einen harten Ersatzreifen mit. Über die gesamte 51 Kilometer lange Schleife verlor er nur 23,7 Sekunden auf Spitzenreiter Thierry Neuville (Hyundai). "Ich hatte mit deutlich mehr gerechnet, kann also zufrieden sein", sagt Ogier, der sogar eine Bestzeit fuhr.

Neuville setzte ebenso wie Jari-Matti Latvala (Volkswagen), mit 1,5 Sekunden Rückstand nach der Vormittagsschleife Zweiter, auf eine Kombination von harten Reifen an der Vorderachse und weichen an der Hinterachse. "Dadurch hatte ich anfangs allerdings starkes Untersteuern, weil der Grip auf der Vorderachse fehlte", berichtet der Finne bei der Einfahrt in den Mittagsservice.

"Ich habe dann meinen Fahrstil geändert, hatte allerdings plötzlich Übersteuern. Deswegen habe ich mich etwas zurück genommen." Trotzdem kam Latvala - wie die meisten Konkurrenten auch - mit nahezu profillosen Reifen zurück zum Service. "Solange du auf der sauberen Linie bleibst, ist das gar kein so großes Problem. Aber sobald du zehn Zentimeter von der Linie runterkommst, fährst du wie auf Aquaplaning."


Fotos: WRC: Rallye Italien


Nur Andreas Mikkelsen riskierte dieselbe Reifenstrategie wie Teamkollege Ogier, verhedderte sich aber im notwendigen Wechselrhythmus. "Ich wollte meinen harten Ersatzreifen eigentlich auch erst für die vierte Prüfung des Vormittags aufziehen", erzählt der Norweger. "Aber meine Vorderreifen waren schon nach der zweiten am Ende. Deswegen habe ich den Wechsel vorgezogen. Dann hatte ich aber keine Zeit mehr, einen relativ wenig gebrauchten weichen Reifen nach vorne zu wechseln. Dadurch habe ich in der folgenden WP elf Sekunden verloren - mein Fehler."

Mikkelsen ist zur Halbzeitpause am Freitag Fünfter, 35,1 Sekunden hinter Neuville und 9,6 Sekunden hinter dem Viertplatzierten, Mads Östberg (Ford). Auch das ist ganz im Sinne von Sebastien Ogier gelaufen. "Jari-Matti und Thierry kann ich ohnehin nicht halten", glaubt der momentan Dritte. "Ich konzentriere mich auf Andreas und Mads, die in der Tabelle direkt hinter mir rangieren. Die will ich im Griff haben, um meinen Vorsprung in der Tabelle zu verteidigen."

Am Nachmittag stehen dieselben vier Prüfungen noch einmal auf dem Programm. Dann allerdings sind die weichen Reifen keine Option mehr. Sebastien Ogier hofft auf eine wenigstens halbwegs saubere Ideallinie. Am Ende des Feldes fahren die Teilnehmer in den leistungsschwächeren Autos mit Frontantrieb. Sie legen normalerweise eine ganz andere Spur als ein World Rally Car. Da Ogier auch am Nachmittag die Prüfungen eröffnet, muss er mit der für ihn unbrauchbaren Ideallinie leben. "Zum Glück sind die Pisten hier so schmal. Da ist der Unterschied in der Ideallinie gar nicht so groß."