• 20.06.2015 14:23

  • von Armin Schwarz

Kolumne Armin Schwarz: Ogier soll nicht jammern

Startreihenfolge, Ogier-Dominanz, fragwürdige Planungen der WM-Läufe - Armin Schwarz macht sich in seiner Kolumne Gedanken über die Probleme der Rallye-WM

Liebe Freunde des gepflegten Driftwinkels,

Titel-Bild zur News: Armin Schwarz

Sebastien Ogier sollte mit seiner Kritik umsichtiger vorgehen Zoom

in den vergangenen Wochen wurde viel über die Startreihenfolge diskutiert. Sebastien Ogier ist ein großer Kritiker, auf der anderen Seite ist es eine Chance für Außenseiter, wie man bei Hayden Paddon bei der Rallye Italien gesehen hat. Ich sehe Ogier ohnehin als Dominator der Rallye-Weltmeisterschaft. Es ist fast egal, auf welcher Position er fährt. Meiner Meinung nach sollte er seine Belange zurückstecken, weil es ihm nichts hilft, wenn er 16 Rallyes gewinnt, Weltmeister wird und in zwei Jahren interessiert sich niemand mehr für die WM.

Nach neun Jahren Loeb und mehreren Jahren Ogier könnte die WM dann einpacken. Für mich ist es ein Zeichen, dass sich Volkswagen-Motorsportdirektor Jost Capito aus dieser Diskussion heraushält. Er ist sich dessen bewusst, dass es wichtig ist, dass auch Leute wie Hayden vorne herumfahren können. Das erreicht öffentliche Aufmerksamkeit. Die Berichterstattung und die mediale Aufmerksamkeit der Rallye Italien war spürbar besser, als wenn Ogier vom ersten Tag an überlegen gewonnen hätte.

Auch frühere Stars mussten vorne fahren

Es ist schwierig zu sagen, ob jemand Ogier aus eigener Kraft besiegen kann. Außer er stellt sich selbst ein Bein, oder es gibt technische Probleme, dann sehe ich niemanden, der ihn fahrerisch derzeit schlagen kann. Ich möchte auch betonen, dass Weltmeister wie Juha Kankkunen oder Tommi Mäkinen auch immer als Erster fahren mussten. Sie waren am ersten Tag vielleicht nicht als Erster auf der Strecke, aber sobald sie die Rallye angeführt haben, mussten sie vorne starten. Damals hat es kein Gejammer gegeben, weshalb ich das auch nicht verstehe, und das nimmt etwas an Sympathie für Ogier.

Sebastien Ogier

Sebastien Ogier sollte sich zum Wohle des Rallye-Sports verhalten Zoom

Es ist logisch, dass Ogier eine Rallye nach der anderen gewinnen will, aber zum Wohle des Sports kann es nicht anders laufen, als es derzeit ist. Kris Meeke meinte, dass sich Seb wie ein Champion verhalten soll. Das sehe ich genauso. Meeke und Citroen haben in Argentinien mit dem Sieg das große Highlight geschafft, Volkswagen hatte dort allerdings auch technische Probleme. Ich glaube aber nicht, dass Kris noch so ein großer Schub gelingt, dass er Ogier auf Dauer herausfordern kann.

Für mich ist erkennbar, dass Kris sehr gute Rallyes fährt. Er ist aber immer am Limit, in jeder Prüfung und auf jedem Meter. Das Auto gibt für ihn nicht mehr her, er kann aber auch aus dem Auto nicht mehr herausholen. Ogier fährt vielleicht bei 98 Prozent. Er hat immer noch Polster nach oben, was alle anderen Fahrer nicht haben. Deswegen ist es meiner Meinung nach derzeit ziemlich aussichtslos, einen permanenten Gegner für Ogier zu finden.

M-Sport leistet gute Arbeit

M-Sport-Boss Malcolm Wilson hat jüngst eine Rückkehr von Thierry Neuville zu Ford ins Gespräch gebracht. Braucht er bessere Fahrer als Elfyn Evans und Ott Tänak, wenn er vorne um das Podium kämpfen will? Das glaube ich schon. Die Autos sind technisch auf einem sehr ähnlichen Niveau. Hut ab vor Malcolm und sein Team, dass sie den Fiesta auf diesem Stand halten können. Das zeigt auch, dass es vom Reglement her um Details geht. In der Summe der Details liegen wahrscheinlich die Vorteile von Volkswagen.

M-Sport-Boss Malcolm Wilson und der Ford Fiesta RS WRC

Hut ab vor Malcolm Wilson: Er stemmt sich als Privatteam gegen die Werke Zoom

Wenn Hyundai einmal mit einem starken Auto kommt, könnten sie es auch schaffen, weil Geld vorhanden ist. M-Sport hat das Geld für diese Details nicht, aber es werden solide Autos gebaut. Ich würde behaupten, dass die Konkurrenz gegen Ogier in einem Ford genauso wenig Chancen hätte. Neuville musste feststellen, dass es eine Zeit dauert, bis Hyundai die Kinderkrankheiten und die Entwicklungsschritte erledigt hat. Ob er sich einen Gefallen tun würde, 2017 zu Toyota zu wechseln, halte ich für fraglich.

Seine einzige Chance um regelmäßig um Siege kämpfen zu können, sehe ich bei Volkswagen. Diese Türe könnte sogar aufgehen, wenn Jari-Matti Latvala nicht beständiger wird. Ich denke, nach drei Jahren wird sich Volkswagen auch überlegen, ob man einen neuen Markt und einen neuen Fahrer braucht. An Ogier werden sie festhalten so lange es geht, weil er immer seine Leistung abruft. Andreas Mikkelsen und Latvala könnten einmal infrage gestellt werden. Das könnte eine Chance für Neuville sein. Ansonsten muss er dort bleiben, wo er derzeit ist.

Jari-Matti Latvala nur die Nummer 2

Latvala hat eine viel schwierigere Saison als im Vorjahr. Die Ursachen dafür sind aus der Distanz schwierig zu beurteilen. Er hat auch das Pech gepachtet. Wenn er einmal eine Kurve schneidet, dann liegt dort ein Stein und sein Rad ist ab. Ogier hat vielleicht einen Plattfuß oder gar keine Schäden. Auf der anderen Seite macht Jari-Matti immer wieder merkwürdige Fehler. Da frage ich mich, ob er die Konzentration nicht aufrechterhalten kann, oder es andere Gründe gibt. Meines Erachtens nach hat die Unterstützung mit Mentaltrainer auch nicht wirklich gefruchtet.


Fotos: WRC: Rallye Italien, Samstag


Jari-Matti fährt gute Rallyes und ist ein guter Mann, aber man müsste ihn von vornherein auf den zweiten Platz stellen. Er soll lieber um zwei Prozent langsamer fahren, keinen Unfall riskieren und Zweiter werden. Für den Sieg wird es nicht reichen. Das ist meiner Meinung nach sein Werdegang. Es wird nicht einfach, dass er da herauskommt. Eventuell könnte er sich in einem Team ohne Ogier-Dominanz besser positionieren, eventuell wäre es als Nummer-1-Fahrer besser? - wenn und aber gibt es allerdings nicht.

Kritik am Zeitplan

Insgesamt stellen sich in der Rallye-WM immer die gleichen Fragen. Es wurde zum Beispiel auf Sardinien bemängelt, dass es unglaublich lange Verbindungsstrecken, aber im Vergleich zu wenige Prüfungskilometer gab. Als FIA oder Veranstalter werden Zeichen von Sportchefs wie Capito oder Wilson völlig ignoriert und es werden Rallyes an Orten durchgeführt, die nicht als Touristenmagneten bekannt sind.

Auch der Zeitplan gehört überdacht. Die Autos fahren um 06:00 Uhr in der Früh aus dem Service-Park, kommen dann zu Mittag für eine halbe Stunde wieder und dann erst am Abend um 22:00 Uhr. Ich glaube, dass sich das für keine Veranstaltung mehr rechtfertigen lässt. Das vertreibt das dringend benötigte Publikum eher. Diese Diskussionen und Ignoranz der FIA und Veranstalter kenne ich seit Jahrzehnten, da muss sich niemand wundern, wenn Zuschauer, TV oder Medien aufbleiben.


Rallye Italien: Sebastien Ogier holt den Sieg

Weltmeister Sebastien Ogier gewinnt zum dritten Mal auf Sardinien und baut seinen WM-Vorsprung aus. Weitere Rallye-Videos

Respekt zum Beispiel für die vielen Rallye-Fans in Portugal, es gibt immer noch Veranstalter und Türen der FIA, die sich für alte, traditionelle Rallyes öffnen. Und trotzdem, es werden unendlich viele Stunden gefahren, das kann medial nicht eingefangen werden und trifft auf Unverständnis bei den Sportchefs, Fans und den Medien. Man kann nicht stundenlang auf die nächste Wertungsprüfung warten. Das ist nicht mehr zeitgemäß.

Die Rallye Italien fand außerdem gleichzeitig mit den 24 Stunden von Le Mans, und der Tourist Trophy Isle of Man statt. Dort lag am vergangenen Wochenende die Aufmerksamkeit im Motorsport. Das sind alles Dinge, die einfach ignoriert werden. Man kann nicht sagen, dass wir einen Rallye-WM-Lauf haben und es egal ist, dass beispielsweise gleichzeitig Le Mans oder die TT stattfindet. Meiner Meinung nach ist das eine Fehleinschätzung des eigenen Produkts.

Für die Zukunft gibt es natürlich die Aussicht auf Toyota. Dann gibt es drei richtig gute Hersteller. Citroen klammere ich aus, da sie mit der Tourenwagen-WM zweigleisig fahren, und es fraglich ist, ob sie auch in Zukunft die nötige Konzentration für die Rallye-WM aufbringen. Hoffen wir, dass Citroen auch noch in der WM bleibt, wenn Toyota, Hyundai und Volkswagen voll aufdrehen. Ich gehe davon aus, dass wir beim nächsten WM-Lauf in Polen spannenden Rallye-Sport erleben. Dort sind die Strecken noch am natürlichsten, eine absolut tolle Rallye mit vielen Fans. Für mich eine der schönsten, schnellsten und anspruchsvollsten Schotterrallyes nach der Rallye Finnland.

Bis bald!
Euer,

Uwe Winter