• 15.02.2017 16:54

  • von Roman Wittemeier

LMP1-Klasse auf Schrumpfkurs: Warum keine Kundenautos?

Gerade einmal sechs LMP1-Fahrzeuge gehen in Le Mans 2017 an den Start: Warum keine Rückkehr zum früheren Kundensportmodell möglich ist

(Motorsport-Total.com) - In der Le-Mans-Szene müssen die Verantwortlichen von ACO, WEC und FIA seit einigen Jahren einen erheblichen Rückgang der Teilnehmerzahl in der Topkategorie verkraften. In der Saison 2017 erreicht man einen neuen Tiefpunkt. Im Juni dieses Jahres werden beim 24-Stunden-Rennen an der Sarthe nur noch sechs LMP1-Fahrzeuge in den Wettbewerb gehen. Der Ausstieg von Audi und der Wechsel von Rebellion in die LMP2-Kategorie hinterlassen deutlich sichtbare Spuren.

Titel-Bild zur News: Loic Duval, Olivier Panis, Nicolas Lapierre

2011 fuhren Loic Duval, Olivier Panis und Nicolas Lapierre im Oreca-Peugeot Zoom

Ein Blick auf vergangene Jahre unterstreicht den dramatischen Rückgang der LMP1-Starterzahl sehr deutlich. Vor fünf Jahren (2012) gingen noch 13 Fahrzeuge in der Topklasse an den Start, weitere fünf Jahre zurück (2007) waren es 15 LMP1-Autos gewesen und im Jahr 2002 hatten 20 Autos der damaligen Topklasse LMP900 für reichlich Spektakel gesorgt. Woher kamen die hohen Teilnehmerzahlen? Neben den Werken waren stets zahlreiche Privatteams in Le Mans unterwegs.

Bis vor wenigen Jahren war es auf der Langstrecke gängige Praxis, dass Privatteams die Produkte der Hersteller erwerben oder leasen und entsprechend einsetzen. 2011 gab es eine solche Konstellation letztmals, als Oreca einen Peugeot 908 auf Gesamtrang fünf brachte. Seither rücken die Hersteller keine Fahrzeuge mehr heraus - weder Jahreswagen, noch neue Autos. Beim Peugeot-Abschied Ende 2011 weigerten sich die Franzosen vehement gegen den Verkauf der fertigen Hybrid-908. Trotz zahlungskräftiger Interessenten.

Besondere Autos erfordern besonderes Personal

In diesem Winter keimte Hoffnung auf, dass der fertig entwickelte Audi R18 (interner Code RP7) für die Saison 2017 in Kundenhand zum Einsatz kommen könnte. Doch ein solches Ansinnen scheiterte. "Über allem steht erst einmal, dass unser Vorstand beschlossen hat, dass wir das Le-Mans-Programm beenden. Das gilt es zu respektieren", erklärt Audi-Sportchef Dieter Gass auf Nachfrage von Motorsport-Total.com. Die Werke argumentieren stets, dass der Betrieb der LMP1-Hybridflundern für Kunden nicht stemmbar sei.

"Ein solcher Einsatz eines LMP1-H in Kundenhand ist mit unheimlich viel finanziellem und technischem Aufwand verbunden. Personell könnte ein Privatteam das gar nicht alleine schaffen. Es hätten also in einem mehr als überschaubaren Maß dann Leute von uns involviert sein müssen. Und das sehe ich nicht wirklich", sagt Gass. Allein für das Warmfahren der LMP1-Aggregate braucht es mittlerweile einen ganzen Stab von Ingenieuren. Zudem müssen einige von ihnen spezielle Ausbildungen für den Umgang mit Hochvolt-Systemen absolviert haben.

Le Mans, Circuit de la Sarthe

2009: Olivier Quesnel verkauft einen Peugeot 908 an Henri Pescarolo Zoom

Der Aufwand beim Betrieb der LMP1-Werksautos ist sicherlich immens. Allerdings kann ein Formel-1-Team wie Sauber auch jederzeit einen Hybridantrieb von Ferrari rennen lassen. "Ich habe darüber mit einem Vertrauten gesprochen, der früher bei Porsche in der Motorenentwicklung für den 908 gearbeitet hat. Der hat mich auch gefragt, warum wir das Auto nicht privat fahren lassen. Früher liefen schließlich auch die Porsche 908, 917 oder 956 in privater Hand", spricht Gass aus dem Nähkästchen.

Audi in Sicht: Plötzlich ist der ACO gesprächsbereit

"Das war damals super für die Show - tatsächlich war das so. Mit den heutigen Autos in der LMP1-Klasse geht das so aber nicht mehr", bleibt der Audi-Sportchef bei seinem Standpunkt bezüglich Kundenautos. Man dürfe nicht nur die komplexen Antriebssysteme der modernen Le-Mans-Prototypen betrachten. Auch andere Bauteile seien mittlerweile für den Einsatz in Kundenhand nicht mehr geeignet, meint Gass. Zudem gehen die Automobilhersteller drohenden juristischen Streitigkeiten konsequent aus dem Weg.

"Das fängt schon damit an, dass die Fahrwerkskomponenten Laufzeiten haben, die mal gerade so ein Le-Mans-Rennen umfassen. Dann müssen sie getauscht werden", so der Hesse. "Wir würden in eine Situation kommen, wo so etwas überwacht werden müsste. Ein Privatteam würde aus Kostengründen sonst vielleicht nicht immer alle Teile am Ende der Laufzeit ersetzen. Wenn so etwas bricht, dann hat man sofort eine Diskussion um Regress am Start. Das muss sich ein Automobilhersteller heutzutage sehr gut überlegen."

Ein weiterer potenzieller Stolperstein auf dem Weg zum Privateinsatz von LMP1-H-Fahrzeugen ist das Reglement. Dort ist festgehalten, dass die Hybridtechnik den Werksteams vorbehalten ist. Private dürfen bislang keine solchen Systeme verbauen. "Ich traue mich mal zu sagen, dass man seitens der Organisation bezüglich des Reglements mit Sicherheit bereit gewesen wäre, den einen oder anderen Klimmzug zu machen, um unseren neuen R18 an den Start zu bringen", sagt Gass.

"Ich behaupte: Daran wäre es letztlich nicht gescheitert", überrascht der Audi-Sportchef mit einer Aussage, die in den Hallen der Privatmannschaften von ByKolles und Rebellion sicherlich mit großem Interesse aufgenommen wird. Beide Teams hatten auf der Suche nach mehr Performance für einen engeren Wettbewerb gegen die Werksteams beim ACO gebeten, ein Hybridsystem als Baukastenelement - beispielsweise Magneti Marelli und Bosch haben solche Produkte - verbauen zu dürfen. Der ACO verweigerte den beiden Privatteams allerdings einen solchen Schritt...