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  • 19.11.2016 08:40

  • von Heiko Stritzke & Roman Wittemeier

Audi vor tränenreichem Abschied: "Es tut so weh"

Es ist ein schweres Wochenende für alle: Wolfgang Ullrich und Stefan Dreyer beschreiben die Stimmung vor Audis letztem Rennen - Emotionale Geste von Toyota

(Motorsport-Total.com) - Es ist Endzeit bei Audi: Nach dem 6-Stunden-Rennen von Bahrain werden die Ingolstädter sich aus der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) endgültig verabschieden. Viele Mitarbeiter des Konzerns und des Einsatzteams Joest blicken in eine ungewisse Zukunft. Die Stimmung bei Audi ist natürlich gedrückt. Trotzdem gilt es, noch ein anständiges Wochenende zu absolvieren. Zwischen Routine und Verzweiflung mischt sich zudem noch eine emotionale Geste von Toyota, die ihren Rivalen speziell würdigen.

Titel-Bild zur News: Andre Lotterer, Benoit Treluyer, Marcel Fässler

Ein Saisonfinale wie kein anderes: Audi steht vor dem letzten WEC-Rennen Zoom

"Wir werden wieder gegeneinander fahren. Irgendwo, irgendwann", prangt auf den Toyota TS050 Hybrid mit einem Handschlag. Wer bei Audi die Bekanntgabe des WEC-Rückzugs noch halbwegs verkraftet haben mag, wird spätestens dabei in Tränen ausgebrochen sein. Audi bedankt sich mit einem eigenen Sticker, der einfach "Servus" sagt, mit allen Erfolgsdaten. "Es tut weh, da braucht man nicht drum rum reden", sagt Stefan Dreyer im Interview mit 'Motorsport-Total.com'. "Das ist eine tolle Geste von Toyota. Die haben das ja auch schon alles erlebt." Anno 2009, als sich die Japaner aus der Formel 1 zurückzogen.

Nun also Audi. Nach 18 Jahren fällt der Vorhang in einem der längsten Kapitel der Motorsportgeschichte. Mitten in der Vorbereitungsphase für die kommende Saison. Das Auto war fertig konstruiert, es hätte nur noch gebaut werden müssen. "Wir hätten es in zwei bis drei Wochen zusammengebaut", sagt Dr. Wolfgang Ullrich gegenüber 'Motorsport-Total.com'. Zuliefererverträge, Testfahrten, Hotelzimmer, Catering - alles war bereits gebucht. Doch Audi muss sich im Zuge des Diesel-Skandals zwangsläufig neu ausrichten.

Noch ein Rennen, dann Ungewissheit

Es ist ein großer Schlag für Stefan Dreyer: Nach den 24 Stunden von Le Mans 2016 hatte er bei Audi das Kommando für das LMP1-Projekt von Chris Reinke übernommen. Nun muss er nach nicht einmal einem halben Jahr an der Spitze das Projekt beenden. Er von Beginn im Jahre 1999 an in das Projekt involviert. Der Abschied fällt schwer. "Es war eine ganz tolle Zeit. Ich bin stolz darauf und fühle mich geehrt", sagt er mit spürbarer Traurigkeit.

"Ich denke, wir haben bewiesen, dass wir in die richtige Richtung gearbeitet haben", so der scheidende LMP1-Chef weiter. "Leider ist kein Sieg dabei herausgesprungen, aber die Performance hat gezeigt, wie gut wir sind. Da ist der Schlag natürlich umso größer." Noch schwerer als für Dreyer ist die Situation für hunderte von Mitarbeitern, von den Fahrern über Ingenieure, Physiotherapeuten, Pressesprecher, Fotografen bis hin zu den Mechanikern: Sie alle wissen noch nicht, wie es in Zukunft weitergeht. Kommen sie im kleineren Formel-E-Projekt unter? Anderswo im Konzern? Oder landen sie gar auf der Straße?

Im Zuge dieser riesigen Verunsicherung gilt es nun, das letzte Rennen zu Ende zu bringen. Business as not so usual. "Natürlich ist es ein besonderes Wochenende und viele wissen nicht, wie es weitergeht", holt Ullrich aus. "Trotzdem haben wir es irgendwie geschafft, dass wir alle ein gutes Wochenende absolvieren und die Saison gut abschließen wollen. Und dass es wir alle aus dem Kopf bekommen wollen, dass dies das letzte gemeinsame Rennen ist." Was natürlich schwer fällt.

Dreyer fasst es zusammen: "Das erste Ziel ist, einen ordentlichen Abschluss hinzukriegen. Dass wir hier mit erhobenem Haupt rausgehen und wir stolz auf unsere Arbeit sind." Doch es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass nach dem Rennen Tränen fließen werden und Verunsicherung herrschen wird. "Sobald nach dem Rennstress Ruhe einkehrt, spürt man das an jeder Ecke", gibt er zu. "Der Tag danach wird die große Schwierigkeit werden." Für ihn wie auch für alle Beschäftigten. Bis sie sich an der Strecke womöglich als Konkurrenten wiedersehen - irgendwo, irgendwann.