powered by Motorsport.com

Wieder aktuell: LMP1-Entwicklungsrennen begrenzen?

Der mögliche Audi-Ausstieg lässt die Token-Diskussion wieder aufblühen - Doch soll die WEC ihr Alleinstellungsmerkmal mit unbekanntem Ausgang riskieren?

(Motorsport-Total.com) - Seit der Einführung des Effizienzreglements anno 2014 steht die Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) für rasanten Fortschritt und ein freies Reglement, wie es im Motorsport seit Jahrzehnten keine Anwendung gefunden hat. Die Fortschritte seit Einführung des Effizienzreglements 2014 waren so rasant, dass sogar die Energiemenge für 2016 in einem Schnellschuss verringert werden musste. Doch die Entwicklung kommt zu einem Preis. Angesichts der LMP1-Ausstiegsgerüchte um Audi wird die Kostendiskussion wieder aktuell.

Titel-Bild zur News: Lucas di Grassi, Loic Duval, Oliver Jarvis

Spektakulär, schnell, aber eben auch teuer: Die LMP1 braucht Zukunftsperspektiven Zoom

Schon über die gesamte WEC-Saison 2016 hinweg ranken sich Diskussionen hinter den Kulissen um die Einführung eines Token-Systems. Was in der Formel 1 bei den Motoren für große Diskussionen gesorgt hat, soll in der WEC künftig für das gesamte Auto angewendet werden, um die Budgets zu reduzieren. Gerade im Zuge des möglichen Ausstiegs von Audi nach der Saison 2017 gewinnt die Diskussion wieder an Fahrt. Die LMP1-Kategorie braucht angesichts des Rebellion-Downgrades auf LMP2 und des möglichen Audi-Ausstiegs dringend weitere Hersteller. Sonst steht man 2018 mit fünf Autos da.

Das Interesse von Herstellerseite am LMP1-Regelment ist nach wie vor groß, doch die riesigen Budgets schrecken zahlreiche Marken bislang von einem Einstieg ab. Das Geld sitzt bei weitem nicht mehr so locker wie zu den maßlosen Formel-1-Zeiten in den 2000er-Jahren. Die Formel E ist für deutlich weniger Geld zu haben und hat bereits Jaguar, BMW und Mercedes angezogen. Sollte sich Audi dazu entscheiden, der WEC den Rücken zu kehren, wäre es der erste Hersteller, der die WEC in Richtung der Elektroformel verlässt (wenn auch aus speziellen Gründen). Die Ingolstädter treten in der Formel E ab der Saison 2017/18 als Werksteam an.

Weitere Kostenpunkte vor der Tür

Die WEC ist also gefordert. Ewig wird auch Peugeot nicht warten, der heißeste Kandidat für einen LMP1-Einstieg. Denn die Zeit läuft gegen die Franzosen; ein Einstieg zur Saison 2018 müsste innerhalb der nächsten Wochen erfolgen, da ein solches Programm eineinhalb Jahre Vorlauf braucht. Maßnahmen müssen her. Toyota, denen das kleinste Budget der drei LMP1-Hersteller zur Verfügung steht (obschon es für 2016 auf etwa 100 Millionen Euro aufgestockt wurde), gilt als härtester Verfechter eines Systems, in dem die Autos nur in bestimmten Maßen verändert werden dürfen.

Hintergrund ist, dass die konventionellen Möglichkeiten zur Kostenreduktion wie die Reduktion der Testtage, des Personals an der Strecke, Windkanalstunden, Aero-Paketeund so weiter ausgereizt sind. Trotzdem sagt Pascal Vasselon gegenüber 'Daily Sportscar': "Das Budget ist ein Problem." Die Maßnahmen mögen wirken, doch die Budgets kommen trotzdem nicht signifikant runter. Und für die kommenden Jahre steht weitere Entwicklungsarbeit auf dem Programm, wenn mit drei Hybridsystemen zehn Megajoule Energierückgewinnung pro Le-Mans-Runde erreicht werden sollen.

Lucas di Grassi, Loic Duval, Oliver Jarvis

Das Mexiko-Rennen muss künftig aus eigener Tasche bezahlt werden Zoom

Hinzu kommt, dass nach Informationen von 'Motorsport-Total.com' die ACO-Subventionen für das Rennen in Mexiko zur WEC-Saison 2017 ersatzlos gestrichen werden. Die Teams müssen die Kosten also künftig selber tragen. Für das 2016er-Rennen hatte der ACO die Reisekosten selbst übernommen, um den Teams das nicht von allen geliebte Rennen aufdrücken zu können. Damit ist es nun vorbei.

Funktioniert ein Token-System wirklich?

Deshalb fordert der Toyota-Technikchef nun die Radikalkur und hat für das neue System gleich einen neuen Namen parat, um den aus der Formel 1 negativ belasteten Token-Begriff abzuschaffen: "Der nächste Schritt wäre die Einführung eines Development Unit Systems (auf Deutsch etwa: Entwicklungsboxensystem), das in der Vergangenheit Token-System genannt wurde. Es würde die Anzahl an Veränderungen an den Autos von einem aufs andere Jahr begrenzen."

Dass der ACO damit ein Problem haben dürfte, liegt auf der Hand. Schließlich müsste die WEC ihr Alleinstellungsmerkmal der freien Entwicklung aufgeben. Wenn andererseits im Falle eines Audi-Ausstiegs sich 50 Prozent der vorhandenen und mehrere mögliche neue Hersteller sich für die Einführung einer Entwicklungsbegrenzung aussprechen, könnte man schon ins Grübeln kommen. Die Frage ist nur, ob ein Token-System wirklich die Budgets runterbringt, oder ob es bei dreistelligen Millionensummen bleibt, die dann nur an anderer Stelle ausgegeben werden.


WEC Fuji: Rennhighlights aus Japan

Die besten Szenen der sechs Stunden von Fuji, dem siebten Lauf zur Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) 2016 Weitere Langstrecke-Videos

Vasselon sieht es nüchtern: "Es wird keine Wunder bringen, aber es ist die einzige Möglichkeit, die Kosten unter Kontrolle zu halten. Für uns ist es die einzige Sache, die funktionieren würde. Derzeit beschränken wir uns selbst (über das Budget; Anm. d. Red.). Würden die Regeln die anderen ebenfalls einschränken, wäre es umso besser." Letztlich also doch eine Forderung, die eher auf den eigenen Vorteil abzielt. Dass die Budgets durch die Maßnahme wirklich in einen erträglichen Bereich kommen, bliebe auch bei Einführung des Token-Systems völlig offen.

David Brabham, Peugeot

Peugeot wird mit einem Wiedereinstieg nicht ewig warten Zoom

Der ACO träumt derweil von einer "virtuellen Budgetobergrenze". Also eine Grenze, ab der es sich nicht wirklich lohnt, mehr Geld zu investieren. Als Idealfall gilt weiter der Toyota-Titel von 2014 mit einem deutlich geringeren Budget als Audi und Porsche. Allerdings befand sich Porsche damals in der Rookie-Saison und Audi verzettelte sich mit dem Hybridsystem und der Wahl auf zwei Megajoule. Darüber hinaus bräuchte es ständige Reglement-Revolutionen wie 2014. Ein Token-System hingegen würde ein konstantes Reglement erfordern, das einfacher zu haben wäre. Und über allen Fragen drängt die Zeit...