• 21.10.2016 11:29

  • von Roman Wittemeier

Mark Webber und die LMP1: "Noch besser als erwartet"

Porsche-Werkspilot Mark Webber zieht vor seinen letzten beiden WEC-Rennen eine positive Bilanz: Liebe zur LMP1, unerfüllter Traum vom Sieg in Le Mans

(Motorsport-Total.com) - Die konstant positive Entwicklung der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) in den vergangenen Jahren ist nicht nur mit dem Engagement zahlreicher Werksteams in den Klassen LMP1 und GTE-Pro verknüpft, sondern zu einem nicht unerheblichen Teil auch mit einer Person: Mark Webber. Der ehemalige Formel-1-Teamkollege von Sebastian Vettel brachte der Szene viel Aufmerksamkeit. Seine Äußerungen über "sexy LMP1-Fahrzeuge" und die besondere Herausforderung bei den 24 Stunden von Le Mans halfen der WEC.

Titel-Bild zur News: Mark Webber

Mark Webber wird noch in Schanghai und Bahrain im Porsche 919 starten Zoom

Der große Botschafter der Szene verlässt am Jahresende die Bühne. Mark Webber wird seine Karriere als aktiver Rennfahrer beenden, seinem Arbeitgeber Porsche jedoch als Markenbotschafter erhalten bleiben. Die Marke aus Zuffenhausen, die der Australier seit Kindheitstagen liebt, ist laut Webber "ein neues Zuhause fernab der Heimat". Viele Fans werden den schnellen Teamkollegen von Timo Bernhard und Brendon Hartley vermissen.

"Das ist doch bei jedem Sportler so. Irgendwann kommt in einem das Gefühl hoch, dass es einfach der richtige Zeitpunkt zum Aufhören ist", sagt Mark Webber über seinen Rücktritt zum Jahresende 2016. "Ich habe eine klare Entscheidung getroffen, denn aus meiner Sicht kann man halt nicht halb schwanger sein. Ein zögerliches oder unklares Herangehen wäre nicht fair gegenüber dem Team und vor allem den Fahrerkollegen", spielt er auf den "halben Rücktritt" von Formel-1-Pilot Jenson Button an. Dessen Aussagen hatte der Australier zuletzt kritisiert.

Gegensatz zu Jenson Button: Klare Ansage von Mark Webber

Webber hat den schwierigen Schritt in seiner typischen Art erledigt: "straight forward", einfach verbindlich und gerade heraus. "Es waren schon berührende Reaktionen dabei", sagt der 40-Jährige über die Resonanz auf seine Ankündigung. "In mir selbst sind es viele Filmchen, die sich immer wieder im Kopf abspielen", meint er und schildert Szenen aus seinen Gedanken und Träumen der vergangenen Tage und Wochen.

"Ich bin auf einer Farm aufgewachsen und hatte als Kind den Traum, irgendwann in Übersee zu fahren. Damals konnte ich gerade einmal auf ein kleines Motorrad steigen. Ich habe meine Helden auf zwei und vier Rädern im Fernsehen verfolgt und wollte das machen, was sie taten", sagt er. "Man lernt im Sport sehr viel über sich selbst. Es ist eine Droge, die direkt in die Venen geht. Als junger Fahrer sind Leidenschaft und Wille sehr wichtig."

"Ich habe recht spät mit dem Motorsport angefangen, weil ich sämtliche Sportarten geliebt habe - zum Beispiel Motorradfahren, Cricket oder Schwimmen. Meine Eltern haben großen Wert darauf gelegt, dass ich Sport treibe. Motorsport war immer in meiner Familie. Mein Vater hat sich immer Jim Clark und Jack Brabham im Fernsehen angesehen und hat mich in den Kartsport gebracht. Ohne ihn wäre ich sicherlich einen anderen Weg gegangen."

Mark Webber, Fernando Alonso

Legendäre Formel-1-Szene: Mark Webber als "Co-Pilot" von Fernando Alonso Zoom

"Ich hatte Glück, einen Blick in den Kartsport werfen zu können. Ich wurde dort mit dem berühmten Motorsportvirus infiziert. Dann ging es weiter über die australische Formel Ford und dann die britische. Das fahrerische Niveau in Europa war zu diesem Zeitpunkt enorm. Und man lernt viel über sich selbst, weil Europa doch um einiges anders ist als Australien. Dann Formel 3, Formel 3000 und ein bisschen Sportwagen."

Le Mans 1999 als potenzieller Stolperstein in der Karriere

1998 und 1999 war Webber in Diensten von Mercedes gewesen. Gemeinsam mit seinem damaligen Teamkollegen Bernd Schneider feierte er zahlreiche Erfolge in der FIA-GT-Serie. Mit einer speziellen Le-Mans-Variante des Mercedes CLK startete der Australier beim berühmten 24-Stunden-Rennen. Im ersten Jahr gab es frühe Schäden an den 5,0-Liter-V8-Motoren, im zweiten Jahr die unvergessenen Flugeinlagen der silbernen Flundern, die schließlich zum Rückzug der Stuttgarter aus der Szene führten.

"Die Zeit mit Mercedes war eine der schwierigsten meiner Karriere", blickt Webber zurück. "Nach den fürchterlichen Unfällen in Le Mans musste ich mich zurückkämpfen, denn viele Leute haben gesagt, dass ich nie wieder vernünftig würde Rennen fahren können. Ich bekam meine Karriere aber wieder in Gang. Die Formel 1 war natürlich das Highlight in Sachen Wettbewerb: Ich fuhr gegen Michael, Lewis, Sebastian, Fernando, JB, Robert, Felipe und viele mehr. Diese Periode war fantastisch. Und dann hier mit Porsche zu fahren, in einem solch sexy Auto..."

"WEC war definitiv die richtige Entscheidung. Ich hatte noch Lust auf Adrenalin und Wettbewerb und bin wirklich neugierig gewesen, was diese LMP1-Fahrzeuge können", sagt Webber über sein Engagement mit Porsche auf der Langstrecke, das 2014 begann und am Ende dieses Jahres nicht mehr weitergeführt wird. Die Fahrten im Porsche 919 mit seiner umfangreichen Hybridtechnik und einer Systemleistung von rund 1.000 PS brachten dem Australier viel Freude und neue Eindrücke.


Le Mans 1999: Fliegende Mercedes CLK-LM

"Ich war sehr gespannt auf die Erfahrung, mir ein Auto mit zwei Kollegen teilen zu müssen. Es war letztlich viel besser und befriedigender als ich es jemals erwartet hätte. Ich habe und hatte eine großartige Zeit mit Brendon und Timo. Wir haben zusammen den Titel gewonnen und tolle Siege gefeiert", sagt er. "In der Formel 1 konnte ich nicht mehr für immer weitermachen. Ich bin mir sicher: In der LMP1 könnte ich noch auf diesem Level weiterfahren. Daher war der Rücktritt eine kleine Überraschung für Porsche."

Diskussion um Nachfolge im Cockpit: Es wird leichter...

"Es ist das Richtige für mich, denn ich habe nicht mehr die Energie für einige Aspekte, die dieser Job mit sich bringt", nennt Webber seine Gründe für das Beenden der aktiven Laufbahn. "Ich bleibe Porsche erhalten, zudem werde ich weiter eng mit Red Bull zusammenarbeiten. Und es sind neue Projekte in der Pipeline, die aber erst am Ende des kommenden Jahres richtig starten werden. Ich werde sicher nicht noch einmal in Le Mans starten. Ich hatte in diesem Jahr die letzte Chance, meinen Traum vom Sieg zu verwirklichen, aber es hat nicht sollen sein. Ist schade, aber okay."

"Es ist eine große Ehre für mich, dass ich mit so vielen tollen Menschen und Marken zusammenarbeiten durfte - und mit Porsche geht es schließlich auch noch weiter. Nur eben nicht im Cockpit. Der Fokus liegt bald auf anderen Dingen. Meine Karriere ist so schnell vorbeigeflogen, die Zeit vergeht extrem schnell. Ich habe so viel gemacht, so viel erreicht und so viel über mich selbst gelernt - im privaten und professionellen Sinne. Das nehme ich mit."

Die Ankündigung des Webber-Rücktritts hat sofort eine Diskussion um mögliche Nachfolger im Cockpit des Porsche mit der Startnummer 1 entfacht. "Ich bin der längste und schwerste Kerl im Auto. Es wird also ganz einfach werden, einen Fahrer zu finden, der nicht ganz so viel Gewicht mitbringt", spielt Webber auf die Tatsache an, dass er aufgrund seiner Statur immer im Nachteil war. Nach eigener Aussage beträgt das Manko im Vergleich zu Timo Bernhard sechs Zehntelsekunden auf eine Le-Mans-Runde. Diese Differenz war auf den Zeitenmonitoren selten zu sehen. Webber war meist schnell.

"Porsche hat bestimmt gute Optionen bezüglich meiner Nachfolge. Unzählige Rennfahrer aus der ganzen Welt wollen diesen Platz. Ich habe gehört, dass die Telefone mit entsprechenden Anfragen kaum noch stillstehen", schmunzelt der 40-Jährige. "Ich bin nicht direkt involviert, wenn es um die endgültigen Entscheidungen geht, aber ich bin immer auf dem Laufenden, was gerade passiert. Ich bin ganz sicher, dass auch im kommenden Jahr beide Porsche 919 sehr stark besetzt sein werden."