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  • 03.09.2016 17:16

  • von Roman Wittemeier

Mexiko-Streckenlayout wenig beliebt: WEC erwartet Kleinholz

Die Piloten und Teamverantwortlichen in der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) blicken gespannt auf das 6-Stunden-Rennen in Mexiko: Strecke nur bedingt geeignet

(Motorsport-Total.com) - Am heutigen Samstag feiert die Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) ihr Debüt in Mexiko-Stadt. Man erwartet viele Fans - die Hauptribüne an Start-Ziel-Gerade ist ebenso ausverkauft wie die Plätze im Stadion - und fürchtet ein Rennen mit vielen Zwischenfällen. Das neue Streckenlayout im Autodromo Hermanos Rodriguez hält kaum einer der Beteiligten für optimal. Im Gegenteil: Zahlreiche Piloten, die die ehemalige Streckenführung noch kennen, sind herb enttäuscht.

Titel-Bild zur News: Timo Bernhard, Mark Webber, Brendon Hartley

In die erste Linkskurve im Stadion wird komplett blind eingelenkt Zoom

"Eine Strecke, so kurvig wie eine Mexikanerin", schmunzelt Le-Mans-Sieger Neel Jani. Der schweizerische Porsche-Pilot fügt mit ernstem Gesichtsausdruck hinzu: "Wir haben hier zu viel Stop-and-Go, fahren zu oft im ersten und zweiten Gang. Ich rechne damit, dass wir im Rennen einige Abflüge sehen werden." Der Autor dieser Zeilen konnte sich von dem wenig flüssigen Verlauf des Kurses am Freitag bei einer gemeinsamen Runde mit Weltmeister Timo Bernhard überzeugen.

Die Runde beginnt mit einer extrem langen Geraden, die Fahrbahn verengt sich auf dem Weg zur ersten Kurve immer mehr. Wie sich dort nach dem Start des großen Feldes der WEC alle Fahrzeuge ohne Kontakt sortieren sollen ist ein Rätsel. Die ersten drei Ecken sind unrhythmisch und erheblich zu eng - nicht nur für die Prototypen, sondern auch für die GTE-Fahrzeuge. Nach eine weiteren langen Geraden folgt schon der nächste viel zu enge Abschnitt mit den Kurven 4, 5, 6 und 7.

Sogar potenziell schnelle Passagen sind langsam

Beim Blick auf die Streckensskizze erscheint der Abschnitt mit den folgenden fünf Kurven ein wenig wie die Esses in Suzuka, die Realität sieht aber anders aus. Die eigentlich flüssige Passage ist durch hohe Randsteine und enge Radien viel langsamer als erwartet. Die LMP1-Autos nehmen diesen Bereich im dritten Gang, müssen teils sogar zum Ende des Abschnitts noch einen Gang herunterschalten. Herrscht an jener Stelle Verkehr, ist viel Geduld gefragt.

"Der Kurs ist so schmal, dass man nicht oft Gelegenheit zum Überrunden hat. Er wirkt ein bisschen wie ein Stadtkurs, vor allem im letzten Sektor mit dem Baseball-Stadion", meint Mark Webber. Im Stadion herrscht mit tausenden Fans großartige Partystimmung. Viele Fahrer fragen sich jedoch, warum der mexikanische Motorsportfan dort so viel Freude hat. Die Autos werden radikal heruntergebremst, extrem langsam um die Ecken "getragen" und verschwinden anschließend in Richtung letzter Kurve. Viel zu sehen gibt es dort nicht.

Fans Mexiko

Am Samstag zum WEC-Rennen sollen die Plätze im Stadion voll sein Zoom

"Die alte Streckenführung hat mir besser gefallen", sagt Audi-Pilot Oliver Jarvis, der mit der ehemaligen A1GP-Serie auf dem früheren Layout fahren durfte. "Die schnellen Kurven mag ich ja besonders, aber davon gibt es hier nicht viele", zeigt sich Le-Mans-Champion Marc Lieb etwas enttäuscht. "Ich bin hier mit der ChampCar-Serie gefahren und habe den alten Kurs in unglaublich toller Erinnerung. Es war damals schnell, schwierig und einfach spaßig", meint Andre Lotterer.

Umbau in Mexiko: "Es grenzt an ein Verbrechen"

"Was man mit der Strecke gemacht hat, grenzt an ein Verbrechen", bringt es der Deutsche aus dem Audi-Lager auf den Punkt. "Diese langsamen Ecken sind doch nichts für die LMP1-Autos. Ich frage mich, was die Formel-1-Piloten denken, wenn sie hier dieses Stop-and-Go fahren müssen. Das Bemühen der Leute hier und die Begeisterung der Fans in allen Ehren: Das mit dem Layout hätte man besser machen können", stellt Lotterers Teamkollege Marcel Fässler klar.

"Dieses Streckenlayout ist für die Show und nicht für echtes Racing. Schade, denn der Kurs wird damit so austauschbar", stimmt Ferrari-Werkspilot James Calado zu. Ford-Fahrer Stefan Mücke erklärt: "Das wird ein ganz kniffliges Rennen, vor allem wenn sich LMP2 und GTEs begegnen. Sobald du auch nur etwas von der Linie weg bist, fängst du dir Pick-up ein und rutscht über die Vorderachse. Da wird es sicherlich für einige Autos mal geradeaus in die Mauer gehen. Das kann auch mal wehtun."


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"Das gibt Kleinholz" - diese Worte waren im bisherigen Verlauf des WEC-Wochenendes immer wieder zu hören, wenn die Fahrer ihre Erwartungen für das Rennen formulierten. Toyota hat beim Crash von Stephane Sarrazin am Donnerstag bereits schlechte Erfahrungen gemacht. Dennoch sagt Technikchef Pascal Vasselon: "Als wir den Trackwalk gemacht haben, dachte ich, dass sich unsere Fahrer lauthals über Verkehr und den Streckenverlauf beschweren würden. Aber die Klagen fallen bislang nicht ganz so drastisch aus wie gedacht. Warten wir mal das Rennen ab."