• 11.07.2016 15:38

  • von Neel Jani

Kolumne von Neel Jani: So etwas gibt es nur in Le Mans

Le-Mans-Champion Neel Jani in seiner neuesten Kolumne auf 'Motorsport-Total.com': Der dramatische Sieg, die Angst vor der Pole und die Renningenieurin zu Hause

Titel-Bild zur News: Neel Jani

Könnte alles schlimmer sein im Leben: Ich darf mich jetzt Le-Mans-Sieger nennen! Zoom

Liebe Langstrecken-Fans,

heute darf ich mich bei euch als frischgebackener Le-Mans-Sieger melden. Ein schöner Anlass um diese Kolumne zu schreiben! Es ist absolut der größte Erfolg meiner bisherigen motorsportlichen Karriere. Aber ganz ehrlich: Mein Leben hat sich genauso wenig verändert wie ich als Mensch. Die ersten zwei Wochen nach einem solchen Sieg waren zwar ziemlich stressig, aber aus gegebenem Anlass hatte ich natürlich nichts dagegen.

Es gab viele Fernsehgeschichten, Fotoshootings, Filmaufnahmen, Radiointerviews oder auch andere Aktionen, die direkt mit der Tatsache zusammenhängen, dass ich mit Marc und Romain in Le Mans gewonnen habe. Ich war beispielsweise für Porsche für richtig gute Aktionen im Werk in Leipzig, stand mit Marc und Romain in Berlin auf der Bühne bei der Präsentation des neuen Panamera - welcher mir besonders gefällt - und war Gast bei einem Porsche-Treffen in meiner Heimat Schweiz.

In Mollis waren über 900 Porsches versammelt. Beeindruckend war, so viele Sportwagen zu sehen - zumal das Wetter nicht mitspielte und die Schweiz wohl das einzige Land der Welt ist, wo Rennstrecken verboten sind! Der große Andrang dort war für mich eine weitere Bestätigung, welchen Stellenwert die Marke Porsche überall hat. Deshalb ist für mich dieser Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans so besonders viel wert, weil er uns mit Porsche gelungen ist. Das soll die Erfolge von anderen Piloten in anderen Autos nicht schmälern. Aber in der Formel 1 will auch jeder am liebsten mal im Ferrari gewinnen, oder?

Wenn man die Pole mal gar nicht will...

Marc, Romain und ich haben in der Woche vor dem Rennen gescherzt: Vielleicht gehen wir lieber nicht auf die Jagd nach der Pole, denn die hat seit 30 Jahren niemandem den Sieg gebracht. Plötzlich hatten wir sie dann doch wieder - jedenfalls hat Romain von da an immer wieder bei verschiedenen Situationen im Alltag an der Strecke nach guten Vorzeichen gesucht, diese auch immer wieder gefunden und sie Marc und mir mitgeteilt.

Kleines Beispiel: Bei der Fahrerparade ist unser Auto, in welchem wir durch die Innenstadt chauffiert wurden, einfach nicht mehr gestartet. Wir mussten aussteigen und es anschieben bis es wieder lief. Daraufhin meinte Romain, dass jetzt im Rennen alles gut gehen würde. Nun waren die 24 Stunden von Le Mans aber schlussendlich doch eine Achterbahn der Gefühle für uns drei Fahrer.

Neel Jani, Marc Lieb

Das Foto mit der Miss Le Mans war nett, aber wir wollten die Pole-Position gar nicht Zoom

Unser Auto lief sauber durch, wir waren jederzeit schnell und konstant. Unser Team hat wie immer alles gegeben und einen sensationellen Job gemacht. Es war trotzdem kein einfaches Rennen, sondern eines mit vielen heiklen Momenten, wie man sie nur in Le Mans erleben kann. Wir wussten, dass wir zwei Boxenstopps auf den Toyota aufholen müssen, da dieser 14 Runden fahren kann und wir 13 Runden bis zum Tanken.

Die Plattfüße, die Slowzones und die Safety-Cars

Bedeutet: Wir mussten Speed und perfekte Boxenstopps haben. Es war im Grunde genommen ein 24 Stunden langes Qualifying zwischen Toyota und Porsche. Die Fragen waren nur: Streikt die Technik? Macht einer der Fahrer einen Fehler, da wir alle am absoluten Limit fahren? Schon beim ersten Boxenstopp haben bei uns die Radmuttern geklemmt, was uns über 20 Sekunden gekostet hat. Das war einfach Pech und da hatte niemand Schuld.

Zweimal mussten wir unerwartet die Box mit schleichendem Plattfuß ansteuern. Pech mit den Slowzones kam hinzu, indem wir zweimal in die Gelb-Bereiche liefen, wo nur 80 km/h erlaubt sind. Unsere direkten Gegner von Toyota erwischte es nur einmal. Wir haben zum Beispiel auf den Toyota #5 mehr als eine Minute nur durch Slowzones/Safety-Car verloren!

Neel Jani Le Mans 2016

So sieht das dann von oben aus: Wahnsinnige Siegerehrung in Le Mans Zoom

Trotzdem galt es, den Druck immer maximal aufrecht zu halten. Die Boxenstopps, den ersten Plattfuß und den Zeitverlust durch Slowzones und Safety-Car konnten wir durch fehlerfreies Fahren und Pushen bis ans Limit bis auf einen rund 20 Sekunden großen Abstand wieder wettmachen. Der zweite Plattfuß zehn Minuten vor Rennende war jedoch des Guten zu viel - dachte ich jedenfalls...

Volle Attacke bis zum Ende: Plötzlich winkt der Sieg

Ich holte mir neue Reifen und dachte: Okay, noch zwei Runden. Wenn die Bahn gerade frei ist, dann fahre ich wenigstens noch die schnellste Rennrunde, denn Benzinsparen musste ich auch nicht mehr wie in den vier Stints zuvor. Doch schon in der Outlap sagt der Ingenieur plötzlich, dass der Toyota in den Sektoren eins und zwei viel Zeit verliert, wenig später hörte ich: "Push, push,!" Hatte ich ja sowieso vorgehabt. Dann noch ein Funkspruch: "Push more, maybe we can catch him, that's no joke!"

Ich dachte mir, oh mein Gott, das könnte doch noch unser Tag werden! Dann sah ich den Toyota bei Start und Ziel stehen - unfassbar. "Oh Schei..., was für ein Pech für die Jungs", dachte ich. Da war keine Schadenfreude oder Ähnliches, rein gar nichts dieser Art. Aber nach 2015 ist es schön, mal das Glück auf unserer Seite zu haben.

Auf den nächsten Metern wurde mir dann bewusst, dass ich auf Platz eins liege und dem Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans entgegenfahre. "We can win this race", schallte es aus dem Funk. Diese letzte Runde habe ich dann nur noch genossen. Es ist im Motorsport ganz einfach: To finish first you have to finish first. Das mag hart sein und sehr nüchtern klingen, ist aber schlichtweg die Wahrheit.


Nach LM24-Drama: WEC kommt nach Deutschland

Der Spirit von Le Mans kommt nach Deutschland: Packende Bilder machen Lust auf die WEC auf dem Nürburgring.

Das mussten Marc, Romain und ich vergangenes Jahr spätestens in Austin lernen. Wir sind 20 Minuten vor Rennende in Führung liegend ausgeschieden und das hat uns schlussendlich den Fahrertitel gekostet. Sieg und Niederlage liegen in der WEC sehr nahe beieinander, aber glücklicherweise konnten damals Timo und sein Team den Fahrertitel nach Weissach holen.

"Le Mans Walk of Fame": Nicht nur Handabdrücke gefragt

Ein Satz, der mir auch noch durch den Kopf ging, war von Jacky Ickx: "Le Mans gewinnst du nicht, Le Mans lässt dich gewinnen". Das waren seine Worte auch vor dem Start. Nun, diese Worte haben dieses Jahr einmal mehr ihre Richtigkeit bewiesen. Dieselben Worte kamen in einer SMS-Konversation mit Sebastien Buemi nach Le Mans auf. Er dürfte diesen harten Schlag mittlerweile verarbeitet haben. Der verdiente WM-Titel in der Formel E hilft bestimmt.

Es hat bei mir eine Zeit gebraucht, bis die gesamten Ereignisse nach dem Rennen, die ja phasenweise total in schneller Abfolge kamen, ein wenig eingesunken sind. Es gab ein paar Stationen, die mir dabei geholfen haben. Nach der Siegerehrung durften wir, wie schon viele berühmte Fahrer, die Handabdrücke für die Plakette für den "Le Mans Walk of Fame" in der Innenstadt abgeben - übrigens auch Fußabdrücke für eine zweite Plakette. Das war neu für mich. Und dann endlich schaust du dir in einem ruhigen Moment mal den Pokal an.

Neel Jani, Marc Lieb

Diesen Moment werde ich mein Leben lang nicht vergessen: Zieldurchfahrt als Sieger! Zoom

Ähnlich wie bei der Tourist Trophy in Silverstone sind die Namen der Sieger allesamt auf der Trophäe zu sehen. Wenn du dann all die großen Namen liest, dann wird dir schon bewusst, was wir gerade erreicht haben. In diese Reihe mit aufgenommen zu werden, ist sehr speziell. Aber das Leben geht weiter und wir sind Rennfahrer, wir blicken nach vorn, wir wollen mehr. Jetzt ist unser Fokus auf den Gewinn des WM-Titels gerichtet. Nach unserem Le-Mans-Sieg stehen unsere Chancen nicht schlecht. Wir haben 39 Punkte Vorsprung, aber es sind immerhin auch noch sechs Rennen zu fahren.

Vollgas am Herd, gute Strategie beim Kochen

Ich freue mich auf das nächste WEC-Rennen Ende Juli auf dem Nürburgring. Nach dem großen Erfolg 2015 mit einer super Stimmung und vielen Zuschauern, wird das in diesem Jahr hoffentlich wieder ein tolles Fest. Bis dorthin habe ich zu Hause noch eine besondere Herausforderung. Meine Frau Lauren hatte vor einigen Tagen eine Operation am Fuß und darf eigentlich nur liegen. Kurzum: Ich darf den Haushalt zu 100 Prozent führen und Ordnung ins tägliche Chaos bringen.

Wie eine Renningenieurin - zwar nicht per Funk - legt Lauren die Betriebsstrategie fürs Kochen fest. Ich ziehe die Taktik dann sauber durch - kommt meistens gut! Falls alle Stricke reißen, können wir glücklicherweise immer zu meinen Eltern gehen. Da ist vor allem mein Lieblingsessen indischer Art mit den hausgemachten Chapati angesagt. Lecker!

Neel Jani Lauren Porsche 550 Spyder

Schöne Frau, schönes Wetter, schöner Porsche 550 Spyder: Das Leben ist schön! Zoom

Wenn ihr meine bisherigen Kolumnen auf 'Motorsport-Total.com' gelesen habt, dann wisst ihr, dass ich an das Karma glaube. Was man gibt, bekommt man irgendwann auf irgendeinem Weg zurück. Das ist aus meiner Sicht nun geschehen. Die Siege in Silverstone und in Le Mans gleichen unser Pech vom Vorjahr aus - vielleicht sogar etwas mehr als das. Egal, das Ziel ist klar und ich hoffe, dass uns der Renngott weiterhin beschützt.

Viele Grüße und haltet Marc, Romain und mir weiterhin die Daumen,

Neel Jani
 
P.S.: Schaut auch auf meinen Accounts bei Twitter, Facebook und Instagram vorbei, um weitere besondere Einblicke in mein Leben als Porsche-Werksfahrer zu bekommen!

ADAC GT MASTERS LIVE

ADAC GT Masters im TV

Nächstes Event

Oschersleben

26. - 28. April

Qualifying 1 Sa. 09:15 Uhr
Rennen 1 Sa. 15:15 Uhr
Qualifying 2 So. 09:15 Uhr
Rennen 2 So. 15:15 Uhr

Folgen Sie uns!

Folge uns auf Instagram

Folge uns jetzt auf Instagram und erlebe die schönsten und emotionalsten Momente im Motorsport zusammen mit anderen Fans aus der ganzen Welt

Eigene Webseite?

Kostenlose News-Schlagzeilen und Fotos für Ihre Webseite! Jetzt blitzschnell an Ihr Layout anpassen und installieren!