• 08.05.2016 19:47

  • von Roman Wittemeier

WM-Leader mit Platz zwei als Sieg: "Den Braten gerochen"

Die aktuellen WM-Führenden von Porsche über ein "verrücktes Rennen" der WEC in Spa: Mit 400 PS weniger auf Platz zwei - Marc Lieb: "Tempo war nicht schlecht"

(Motorsport-Total.com) - Einen Sieg von Siegern geerbt, einen anderen hinter den Siegern gefeiert - Die aktuelle WEC-Saison2016 ist für die Porsche-Crew #2 ein Kuriosum. In Silverstone rückten Marc Lieb, Neel Jani und Romain Dumas nach der Disqualifikation von Lotterer/Fässler/Treluyer (Audi) auf Rang eins, in Spa-Francorchamps trug man ein technisch erheblich angeschlagenes Auto auf den zweiten Rang und baute somit die Führung in der Fahrerwertung sogar noch aus.

Titel-Bild zur News: Neel Jani, Marc Lieb

Haben das Ding einfach durchgezogen: Neel Jani, Marc Lieb und Romain Dumas Zoom

"Wir fühlen uns auch als Sieger, bei all dem, was passiert ist. Die Freude, die wir in Silverstone noch nicht so hatten, die haben wir nun deutlich mehr", schmunzelt Neel Jani nach einem ereignisreichen Samstag in Belgien. Im 6-Stunden-Rennen von Spa-Francorchamps meldete sich im Porsche 919 mit der Startnummer 2 nach gerade einmal zwölf Minuten der Hybrid zu großen Teilen ab. An eine Reparatur war nicht zu denken. Also trug das Trio den Wagen nahezu allein mit der Kraft des V4-Turbobenziners ins Ziel.

"Ein völlig verrücktes Rennen. Nach sechs Runden haben wir gedacht, wir sind weg vom Fenster. Marc hatte gerade gut auf den führenden Brendon aufgeschlossen und dann das. Es hat uns schon in dem Moment ein bisschen genervt", erklärt der Schweizer. Allerdings ließ man sich von dem erheblichen Rückschlag keineswegs entmutigen. "Nüchtern haben wir es hingenommen", berichtet Marc Lieb im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. Eine schnelle Analyse der LMP1-Situation brachte Motivation und Hoffnung.

Kühle Rechnung: Es sind nur neun LMP1-Autos...

"Es sind sechs Werksautos plus die Fahrzeuge von Rebellion und ByKolles - also insgesamt neun LMP1-Autos. Wenn du noch einigermaßen mitfahren kannst, dann musst du solch ein 6-Stunden-Rennen durchziehen", sagt Lieb nach der erfolgreichen und ungewöhnlichen Fahrt durch die Ardennen. "Das haben wir ganz nüchtern so erfasst und umgesetzt: Okay, wir haben ein Problem, bleiben aber cool und fahren es zu Ende. Nicht schön, aber da muss man durch."

"Wir hatten zu Beginn viel zu tun und regen Funkverkehr mit der Box, um das Auto wieder so hinzubekommen, dass man es ohne großes Nachdenken fahren kann. Das haben wir relativ schnell und gut hinbekommen", erklärt Lieb, der zum Zeitpunkt des frühen Hybriddefekts im Auto #2 saß. "Wir hatten noch ein bisschen Power, allerdings an manchen Stellen gar nichts mehr. Dann ist es ein reiner Heckantrieb. Die Traktion ist anders, du hast mehr Probleme an der Hinterachse. Auch auf der Bremse ist es anders, die Bremstemperaturen sind höher. Das regelst du über die Bremsbalance aber ein."

Neel Jani, Marc Lieb

Der Porsche #2 hatte fast im gesamten Spa-Rennen kaum Hybridleistung Zoom

"Das Team hat einen super Job gemacht, indem man ein Setting gefunden hat, mit dem wir das Auto etwas langsam, aber doch stetig vorwärts treiben konnten. Das war das Rezept - mit 400 PS weniger plötzlich", schüttelt Jani den Kopf. "Vielleicht geht doch noch was, dachte ich, als #1 und #7 Probleme bekamen. Wir haben dann zugeschaut und sind es konstant durchgefahren. Es lief für uns, aber wir hatten den Braten wirklich schon etwas gerochen."

"Es war eigentlich wirklich okay. Vom Fahrverhalten und auch vom Tempo her waren wir gar nicht so schlecht", lacht Lieb über die erstaunliche Performance des "halben 919" in Spa. "Wir konnten 2:05er-Zeiten fahren, aber manchmal waren es auch 2:10er-Zeiten. Das lag am Verkehr. Wenn der Boost nicht so da ist, dann ist es schwierig. Außerdem geht man in einer solchen Situation nicht mehr hohes Risiko. Es ging ja nur noch darum, das Auto ins Ziel zu bringen. Das haben wir gemacht - und dafür wurden wir belohnt."