powered by Motorsport.com
  • 25.04.2016 08:27

  • von Roman Wittemeier

25. April 2001: Der fatale Unfall von Michele Alboreto

Am 25. April 2001 verstarb Ex-Formel-1-Vizeweltmeister Michele Alboreto bei einem Testunfall am Lausitzring: Erinnerungen an einen schwarzen Tag im Frühjahr 2001

(Motorsport-Total.com) - Am 25. April 2001 hat die Motorsport-Welt eine unvergessene Größe verloren. Michele Alboreto, Le-Mans-Sieger mit Porsche und Formel-1-Vizeweltmeister mit Ferrari, starb an jenem Tag bei Testfahrten im Audi R8 auf dem Lausitzring - ein Erdbeben für die gesamte Motorsportwelt. "Ich war geschockt, als ich davon hörte", reagierte Michael Schumacher damals. "Michele wird mir in Erinnerung bleiben als einer der größten Rennfahrer der 1980er-Jahre", sagte Gerhard Berger.

Titel-Bild zur News: Michele Alboreto

Michele Alboreto verstarb am 25. April 2001 bei einem Testunfall in der Lausitz Zoom

Alboreto war mit einem kleinen Testteam der Audi-LMP-Mannschaft als einziger Fahrer des Kaders zu den Probefahrten in die Lausitz gereist. "Es war ein Test zur Vorbereitung des Le-Mans-Pretests", schildert der ehemalige Audi-Chefingenieur Jo Hausner im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. "Auf dem Plan standen Arbeiten an der Aerodynamik und - wie zynisch das klingt - ein Reifentest. Wir sind die normale Rennstrecke plus diese Dekra-Anlage zusammen gefahren." 

Dass ausgerechnet Alboreto im Testeinsatz war, lag nicht etwa an seiner Erfahrung in Le-Mans-Sportwagen, sondern es war purer Zufall. Audi versuchte allen Fahrern ähnlich viel Fahrzeit in den Autos zu ermöglichen. Der Italiener "war einfach dran in der Reihenfolge", so Hausner. "Wir sind bei dem Test nach einem bestimmten Plan gefahren. Auf eine schnelle Runde im Oval folgte immer eine langsame Runde im Infield", erklärt Audi-Sportchef Wolfgang Ullrich.

Ursache: Kleine Schraube bohrt kleines Loch in Reifen

"Es hat sich herausgestellt, dass der linke hintere Reifen langsam Luft verloren hat, während er auf der langsamen Runde war. Es war nicht mehr genug Luft im Pneu, als er dann schnell fuhr im Oval und auf der Dekra-Teststrecke. Die Belastungen hat es nicht mehr getragen", erinnert sich der Österreicher. "Das Auto ist hinten eingeknickt und hob ab. Der R8 ist dann oben an der Teststrecke herausgeflogen, über die Leitplanke hinweg. Er ist kopfüber im Gelände gelandet. Dort waren Steine und vieles mehr. Er war sofort tot."

Wolfgang Ullrich erhielt die schreckliche Nachricht per Telefon vom Audi-Rennarzt Dr. John. Jo Hausner saß daheim vor dem Fernseher. "Ich habe es in der Tagesschau gesehen. Das war ein Schock, ich konnte es nicht glauben. Das war krass und unwirklich, deswegen habe ich nur diffuse Erinnerungen daran. Als ich am folgenden Tag zu Audi Sport kam, waren alle schockiert und verunsichert. Niemand wusste, was genau passiert war - ganz schwierig."


Unfallbericht im italienischen TV

Sofort nach dem tödlichen Unglück begannen Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft. Es galt zu überprüfen, was genau den Reifenschaden und den dadurch verursachten Unfall ausgelöst hatte. War die Strecke nicht ordnungsgemäß sauber übergeben worden? Gab es technische Mängel am Audi R8? All diesen Fragen ging man mit aller Konsequenz nach. "Ich hatte später bei der Aufklärung des Unfalls meinen Anteil, indem ich alles, was man an Daten bekommen konnte, entsprechend aufbereitet und zur Verfügung gestellt habe", schildert Hausner.

Konsequenz: Reifendrucksensor wurde unter Hochdruck entwickelt

"Aus der Serie waren Fachleute der Unfallforschung dabei, natürlich die Staatsanwaltschaft und Sachverständige. Diesem Kreis habe ich zugearbeitet", erklärt der Techniker. Nach wochenlangen Untersuchungen stellte sich heraus, dass eine kleine Schraube für den Defekt verantwortlich war. Woher die Schraube kam, ist bis heute ungewiss - sie wurde niemals gefunden. Der Unfall hatte jedoch Konsequenzen. Audi forcierte die Arbeit an einem neuen Reifendrucksensor-System. Eine ähnliche Lösung gab es damals bereits bei den IndyCars.

"Das war ein relativ großes und unhandliches Ding, was dort am Rad der IndyCars verbaut war. Wir haben auf Basis einer Serienentwicklung dann eine Lösung für den LMP erarbeitet. Wir waren damals zum Unfallzeitpunkt sogar schon recht weit", erklärt Wolfgang Ullrich. Besonders traurig: Beim Test am 25. April 2001 in der Lausitz war das System im R8 verbaut. Der Sensor funktionierte einwandfrei, nicht aber die damals noch wenig entwickelte Übertragung der Daten per Telemetrie.

"Seit dieses Bauteil zuverlässig funktionierte, gab es bei uns kein Rennen und keinen Test mehr, ohne dass wir diese Werte genau überwacht haben", sagt der Audi-Sportchef. Das Leben von Michele Alboreto hat die Entwicklung leider nicht retten können. "Ich war damals bei Toyota, saß zusammen mit Allan McNish beim Abendessen", schildert Audi-DTM-Leiter Dieter Gass, der viele Jahre im LMP-Programm der Ingolstädter in leitender Funktion aktiv war.


Fotostrecke: Die Karriere von Michele Alboreto

"Der Allan, der damals 'mein' Fahrer war, bekam als erster die Nachricht. Da war der Abend natürlich komplett gelaufen. Wir standen beide unter Schock", so Gass. "Solch ein tragisches Unglück reißt einen abrupt aus der heilen Welt. Ich will nicht sagen, dass man seinen Job dadurch plötzlich anders sieht. Natürlich kommen im Nachgang dann aber einige Momente, wo man sich die Frage nach dem Sinn stellt. Das kommt aber erst später und in ganz anderen Situationen."