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  • 28.10.2015 09:16

  • von Marcel Fässler

Kolumne von Marcel Fässler: "Du bisch üsä Held"

Audi-LMP1-Werkspilot Marcel Fässler berichtet in seiner neuesten Kolumne vom aktuellen WEC-Titelkampf, einer lustigen Fahrt in Fuji und "hätte, hätte Fahrradkette"

Titel-Bild zur News: Marcel Fässler

Am Wochenende werde ich in China wieder im Audi R18 e-tron quattro sitzen Zoom

(Motorsport-Total.com) - Liebe LMP1-Fans,
 
ich melde mich leider heute als aktuell WM-Zweiter bei euch. Nachdem wir die Führung in der WEC-Fahrermeisterschaft fast 200 Tage lang innehatten, sind die Jungs von Porsche beim vergangenen Rennen in Fuji an uns vorbeigezogen. Jetzt fehlt uns ein einziger Punkt zur Spitze. Das ist quasi gar nichts, wenn man bedenkt, dass wir noch zwei 6-Stunden-Rennen vor uns haben - das ist noch ein Drittel einer Formel-1-Saison. Da ist noch gar nichts entschieden.

Natürlich hatten meine Kollegen Andre Lotterer, Benoit Treluyer und ich gehofft, dass wir unsere Führung auch nach dem Rennen in Le Mans dauerhaft verteidigen könnten. Aber da hat uns die Konkurrenz mit einem großen Update einen Strich durch die Rechnung gemacht. Am Nürburgring waren wir zu weit weg, in Austin nicht unbedingt glücklich, aber in Fuji aufgrund intensiver Arbeit aller Mitarbeiter von Audi Sport wieder gut dabei. Das Signal ist klar: Wir geben so schnell nicht auf!

Ich persönlich sehe mit großer Zuversicht auf die beiden noch ausstehenden Rennen in China und Bahrain. Mein Optimismus hat gute Gründe. Unsere Audi-Techniker haben in den vergangenen Wochen noch einmal richtig effiziente Lösungen aus dem Labor gezaubert. Wir haben aerodynamisch einen Schritt gemacht, auch die Boxenstopps wurden noch einmal beschleunigt. In Fuji konnte man sehen, dass wir in Sachen Performance wieder näher herangekommen sind. Es werden zwei spannende und interessante Läufe.

Wettkampf um die Weltmeisterschaft wird spannend

Ich hoffe, dass wir uns ab sofort wieder auf Augenhöhe mit Porsche befinden. Die Kämpfe zu Beginn der Saison haben richtig viel Spaß gemacht, auch das Duell gegen Mark Webber in Japan war ganz lustig. Ich werde zusammen mit Ben und Lotti alles geben, um das WM-Duell 2015 zu gewinnen. Wichtig ist, dass wir uns in Schanghai und Manama konstant schnell präsentieren. Das war in den vergangenen Wochen keine Selbstverständlichkeit.

Wenn ihr die Rennen in Austin oder am Nürburgring beispielsweise gesehen habt, dann wisst ihr, dass es in jedem Lauf immer wieder Phasen gab, wo wir richtig schnell waren - manchmal sogar schneller als die Mitbewerber. Die Schwankungen in der Hackordnung innerhalb eines Rennens kommt aus meiner Sicht vor allem über das Reifenmanagement. Wer hat zu welchem Zeitpunkt die passenden Pneus im perfekten Betriebsfenster und kann sie somit konstant gut nutzen? Diese Frage ist entscheidend.

Marcel Fässler, Andre Lotterer, Benoit Treluyer

Wir wollen uns in den kommenden zwei Rennen vor Porsche positionieren Zoom

Durch unsere neusten Updates haben wir die Lücke zu Porsche auch diesbezüglich wieder schließen können. Das macht uns Fahrern natürlich Freude, die Motivation ist bei uns allen extrem hoch - das gilt für uns Fahrer genauso wie für alle beteiligten Mechaniker, Ingenieure und "Erfinder in Neuburg und Neckarsulm". Wie viel Spaß wir an der Sache haben, könnt ihr vielleicht anhand unseres kleinen Videos aus Fuji erkennen. Wir haben Tränen gelacht.

Mit Kimono und Schutzhelm an die Rennstrecke

Die WEC hat uns in Fuji gefragt, ob man Andre, Benoit und mich auf dem Weg vom Hotel zur Rennstrecke vielleicht filmen dürfte. Selbstverständlich hatten wir nichts dagegen. Einfach in Teamkleidung gemütlich zum Fuji Speedway zu fahren, das war uns aber zu langweilig. Also haben wir uns Kimonos aus den Zimmern genommen, uns Schutzhelme ausgeliehen und zur Tarnung lustige Sonnenbrillen aufgesetzt. Es sah sicherlich ein wenig merkwürdig aus, fühlte sich auch etwas seltsam an - aber wir hatten unendlich Spaß!

Es gab abseits des Rennsports einige Erlebnisse, die mir ebenso viel Freude gemacht haben. Im Sommer gab es bei uns zu Hause in Einsiedeln einen Wettbewerb der besonderen Art. Beim "Land-und-Wasser-Festival" mussten Gruppen eigene Gefährte bauen, die auf festem Untergrund rollen, aber gleichzeitig im Wasser schwimmen sollten. Sechs "Amphibien" aus Holz und Eisen waren gestaltet wie unsere Audi R18 e-tron quattro. Sensationell: Die Dinger waren auf jedem Geläuf eine Bank! Meine Familie und ich hatten beim Zuschauen reichlich Spaß.


Die lustige Fahrt zur Fuji-Rennstrecke

Vor einigen Wochen war ich außerdem - ihr merkt, wie heimatverbunden ich bin - bei einem Mountainbike-Rennen in meinem Dorf dabei. Ich habe mich wie in den Vorjahren für die 75 Kilometer lange Strecke entschieden, auf der es 2.500 Höhenmeter zu bewältigen gab. Ich wollte meine eigene Zeit aus dem Vorjahr unterbieten, aber es wurde im wahrsten Sinne ein Wettbewerb nach dem Motto: "Hätte, hätte, Fahrradkette..." Mir ist nämlich sofort nach dem Start die Kette gerissen. Wusste gar nicht, dass ich so viel Power habe...

Kinder bescheren dem Le-Mans-Piloten einen Empfang

Meine Zeit lag im Ziel letztlich eine halbe Stunde über jener des Vorjahres. Dafür war nicht nur die Kette verantwortlich, sondern auch meine Vorbereitung. Mir fehlte etwas die Zeit, mich auf das Radrennen einzustellen. Immer, wenn irgendwo an einem Rad oder Auto eine Startnummer klebt, dann will ich Bestleistungen zeigen. In diesem Fall war das nicht möglich, weil mir die notwendige Vorbereitung fehlte. Es war aber immerhin eine tolle Trainingseinheit bei schönem Wetter. Nächstes Jahr greife ich wieder an.

Direkt nach dem diesjährigen Le-Mans-Rennen gab es für mich persönlich ein unglaubliches Erlebnis. In unserem Ort hat der Kindergarten, in den auch eine meiner Töchter geht, jedes Jahr eine Schwerpunktwoche zum Thema Berufe. In diesem Jahr ging es um Rennfahrer. Die Kids hatten tolle Bilder gemalt, sich richtig gut mit Rennsport und vor allem Le Mans auseinandergesetzt. Zum Schluss haben alle das eigens für mich gedichtete Lied "Du bisch üsä Held" gesungen. Ich war fast zu Tränen gerührt - so niedlich und schön!

Anderen jungen Leuten wird das Herz direkt nach dem Saisonfinale in Bahrain höher schlagen. Dann gibt es nämlich erstmals einen Young-Driver-Test in der WEC - und zwar in der LMP1-Kategorie. In unserem Audi darf Richie Stanaway fahren. Das wird bestimmt ein riesiges Erlebnis für ihn und auch für die anderen Nachwuchsfahrer in den weiteren LMP1-Autos. Ein solcher Test ist eine tolle Gelegenheit für junge Piloten.

Terminkollision Le Mans 2016 mit Formel 1: Wenig Auswirkungen

Wenn es bei der aktuellen Terminplanung der Formel 1 bleibt, dann kann es durchaus sein, dass man einen solchen Youngster schon 2016 in Le Mans fahren sieht. Durch die Überschneidung mit dem Grand Prix von Europa in Aserbaidschan (warum eigentlich Europa???) können die Grand-Prix-Fahrer wie Nico Hülkenberg wohl nicht an der Sarthe starten. Das ist schade für die Formel-1-Piloten, aber das könnte eben auch Chancen für Nachwuchsfahrer bringen.

Eigentlich ist es schade, dass die Formel 1 im kommenden Jahr wieder ein Rennen am Le-Mans-Wochenende veranstaltet. Viele große Namen aus der selbsternannten "Königsklasse" würden gern mal beim 24-Stunden-Rennen dabei sein - aber so geht das nicht. Die Formel 1 nimmt Le Mans womöglich ein wenig TV-Präsenz ab, aber insgesamt denke ich nicht, dass mein Lieblingsevent in Frankreich unter der Terminkollision leiden wird. Dafür ist Le Mans viel zu etabliert, zu groß und schlichtweg zu gut.

Marcel Fässler

Gemeinsam mit meinen Kollegen Ben und Lotti werde ich noch einmal angreifen Zoom

Bis zum nächsten Highlight auf dem "Circuit des 24 Heures" fließt noch viel Wasser die Sarthe hinab. Und es gibt bis dorthin noch tolle weitere Wettbewerbe in der WEC. Nachdem wir in Japan leidenschaftliche Fans mit viel Fachkenntnis treffen durften, kommen wir nun in China und Bahrain an Schauplätze, wo sich eine Motorsport-Kultur noch gar nicht so recht bilden konnte. Aber wenn wir weiterhin guten und spektakulären Sport bieten, dann reißen wir bald auch die Chinesen und Scheichs von den Sitzen!

Drückt uns im WM-Finale 2015 die Daumen. Euer,

Marcel Fässler

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