• 26.08.2015 10:57

  • von Roman Wittemeier

Vorschau: Die WEC debütiert am Nürburgring

Die Le-Mans-Helden erstmals wieder in Deutschland: Langstrecken-WM startet nach langer Pause mit insgesamt 31 Fahrzeugen endlich wieder durch

(Motorsport-Total.com) - Die Le-Mans-Prototypen sind erstmals seit fünf Jahren wieder in Deutschland unterwegs. Beim 6-Stunden-Rennen am kommenden Wochenende gastiert erstmals die offizielle Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) in der Eifel. Beim letzten Auftritt der LMP-Fahrzeuge war die European-Le-Mans-Series (ELMS) 2009 auf der Traditionsstrecke unterwegs gewesen. Damals gab es einen Dreifacherfolg für Aston Martin mit dem Lola samt kreischendem V12-Motor. Der Audi R10 TDI von Kolles belegte damals Rang vier.

Titel-Bild zur News: Toyota

Toyota will beim "Heimspiel" endlich wieder ganz von mitmischen können Zoom

Aston Martin wird beim Comeback der Szene am Nürburgring am kommenden Wochenende im Kampf um den Gesamtsieg keine Rolle spielen - auch Kolles wird kaum gegen die starken Werksautos von Porsche, Audi und Toyota ankommen können. Insgesamt 31 Fahrzeuge stehen auf der aktualisierten Nennliste. Nachdem Nissan wegen des Le-Mans-Debakels weitere Starts mit dem GT-R LM Nismo auf unabsehbare Zeit abgesagt hatte, wurde nun auch das LMP2-Auto von Oak (Nicolet/Maris/Merlin) von der Starterliste gestrichen.

In der großen LMP1-Klasse darf man erneut einen spannenden Kampf zwischen Audi und Porsche erwarten. Auch Toyota werden wegen des Streckenlayouts gewisse Chancen im Kampf um den Sieg eingeräumt. Porsche kommt nicht nur mit dem Rückwind des Doppelerfolges aus Le Mans in die Eifel, sondern die Werksmannschaft mit Sitz in Weissach hat technisch kräftig nachgerüstet. Der 919 Hybrid hat ein Aeropaket für mehr Abtrieb verpasst bekommen.

Porsche rüstet nach, Audi bekommt mehr Energie

Rund 80 Prozent des Bodyworks am Auto der Le-Mans-Rekordsieger ist neu. Die Formen des 919 sind dadurch runder und homogener geworden. Ein Test des veränderten Pakets in Barcelona verlief vielversprechend. "Wenn man an Marks (Webber; Anm. d. Red.) überzeugenden Formel-1-Sieg dort denkt und an Timo Bernhards fünf Nordschleifensiege, kann man wohl sagen, dass unsere Crew voller Vorfreude und gut vorbereitet antreten wird", gibt sich Brendon Hartley zuversichtlich.

Das Trio Webber/Bernhard/Hartley (#17) hatte in Le Mans Rang zwei erreicht. Am kommenden Wochenenden möchte man eine Stufe höher rücken. Die Markenkollegen Marc Lieb, Neel Jani und Romain Dumas (#18) haben in der aktuellen WM-Wertung vier Punkte mehr. Porsche will beim Heimspiel den Sieg - Audi hat das gleiche vor. Die Ingolstädter waren bei den Testfahrten vor einem Monat am Nürburgring am schnellsten. Der R18 dürfte wegen seines hohen Abtriebs bestens auf der Strecke funktionieren.

Marc Lieb

Porsche kommt mit einem komplett neuen Aeropaket in die Eifel Zoom

Audi hat zudem den Vorteil, dass nach dem Jahreshöhepunkt in Le Mans eine kleine Anpassung in der Equivalence-of-Technology (EoT) - also der Einstufung der Antriebskonzepte - stattgefunden hat. Das veränderte Appendix B des sportlichen Reglements, in dem Energiezuweisungen, Maximalverbrauch, Durchfluss und Tankmengen vorgegeben werden, weist für Audi eine geringe Nachbesserung aus. Der R18 darf pro Runde mehr Dieselenergie einsetzen, die Gegner wurden etwas eingebremst.

Toyota hofft auf guten Grip beim "Heimspiel"

"Die Unterschiede der technischen Konzepte im Starterfeld werden jetzt exakter ausgeglichen. Das hat Auswirkungen auf die Rundenzeiten aller Teilnehmer, aber möglicherweise auch darauf, wie viele Runden wir zwischen zwei Boxenstopps absolvieren können", sagt Audi-LMP1-Leiter Chris Reinke. Fässler/Lotterer/Treluyer (#7) führen die WM-Wertung nach Siegen in Silverstone und Spa sowie Rang drei in Le Mans an. Duval/di Grassi/Jarvis (#8) haben bislang erst halb so viele Zähler wie die Kollegen.

Nicht nur für die deutschen Hersteller Audi und Porsche wird das 6-Stunden-Rennen am Nürburgring zum Heimspiel. Auch Toyota betrachtet die Strecke in der Eifel als sein Zuhause. Die Motorsportabteilung TMG hat ihren Sitz in Köln-Marsdorf, nicht einmal 100 Kilometer vom Kurs entfernt. Die amtierenden Weltmeister hatten im bisherigen Verlauf der WEC-Saison gegen die erheblich weiterentwickelten Autos der Konkurrenz kaum Chancen. Ändert sich dies in Deutschland?

Marcel Fässler, Andre Lotterer, Benoit Treluyer

Führen derzeit die WM-Wertung an: Treluyer/Lotterer/Fässler im Audi R18 Zoom

"Es ist eine neue Strecke im WEC-Kalender. Das sollte Möglichkeiten bieten. Der Nürburgring ist nicht gerade die breiteste Strecke. Das wird interessant", meint Kazuki Nakajima, der sich den TS040 #1 mit den amtierenden Weltmeistern Sebastien Buemi und Anthony Davidson teilt. "2007 und 2008 bin ich meine letzten Rennen auf dem Nürburgring gefahren - beide habe ich gewonnen. Ich habe also beste Erinnerungen an die Strecke im LMP1-Auto", so die Kampfansage von Stephane Sarrazin, der sich das Schwesterauto (#2) mit Alex Wurz und Mike Conway teilt.

KCMG mit Le-Mans-Sieger Nick Tandy

Weil Nissan fehlt, wird die LMP1-Klasse nur durch die drei privaten Fahrzeuge von Rebellion und ByKolles abgerundet. Die Schweizer kommen unter anderem mit den Lokalmatadoren Nick Heidfeld (#12 mit Mathias Beche und Nicolas Prost) und Daniel Abt (#13 mit Dominik Kraihamer und Alexandre Imperatori). Rebellion fehlte bei den Testfahrten Ende Juli in der Eifel. Die Konkurrenten von ByKolles bereiteten ihren CLM P1/01 mit Pierre Kaffer und Simon Trummer dagegen mit einigen Neuteilen vor. Die Mannschaft aus Greding wird in der Eifel nur mit zwei Piloten antreten.

In der LMP2-Klasse fehlt zwar der Oak-Ligier der drei Herrenfahrer Jacquet Nicolet, Eris Maris und Jean-Marc Merlin, aber dennoch verspricht das acht Autos umfassende Feld der Kategorie viel Spannung und guten Wettbewerb. Bei Le-Mans-Sieger KCMG greift ab sofort wieder Nick Tandy statt Nicolas Lapierre ins Lenkrad. Der Brite, der sich im Juni die Le-Mans-Krone gemeinsam mit Nico Hülkenberg und Earl Bamber gesichert hatte, hat am vergangenen Wochenende einen weiteren Erfolg in der amerikanischen USCC feiern dürfen.

"Ich hoffe, dass dieser Lauf so weitergeht und wir mit KCMG die Führung in der Meisterschaft ausbauen können", sagt Tandy vor dem vierten Saisonlauf der WEC. Der Porsche-Werksfahrer teilt sich den Oreca-Nissan des Teams mit Richard Bradley und Matt Howson. Starke Konkurrenz darf man aus den Lagern von G-Drive (zwei Autos) und Strakka erwarten. Die Briten haben nach dem wenig erfolgreichen LMP2-Abenteuer mit dem Dome nun einen bewährten Gibson-Nissan mit Leventis/Watts/Kane genannt.


Der Toyota TS040 auf der Nordschleife

TMG simuliert eine Fahrt des TS040 im Simulator: LMP1-Auto rast über die Nordschleife

Die LMP2-Klasse hat weitere Fahrzeuge zu bieten, die womöglich im Wettbewerb für Überraschungen sorgen könnten. Die beiden Ligier-HPD von ESM, der Alpine-Nissan von Signatech und der Morgan-SARD von Morand stehen auf der Starterliste. Das Schweizer Team hat eine kurzfristige Veränderung im Fahrerkader benannt. Der erkrankte Nachwuchsmann Zoel Amberg wird am Nürburgring von Archie Hamilton vertreten, der das Fahrzeug am Freitag zunächst kennenlernen muss.

GTE-Pro: Porsche will Ferrari jagen, Aston Martin durchkommen

In der GTE-Pro-Kategorie treten wie üblich je zwei Porsche 911 RSR und Ferrari 458 Italia gegen drei Aston Martin Vantage V8 an. Die hart umkämpfte Klasse sieht derzeit die Ferrari-Duos Bruni/Vilander und Calado/Rigon in der WM-Wertung vorn, aber Porsche hat sich für das Heimspiel viel vorgenommen. Man will es machen wie in der USCC, wo der 911er derzeit von Sieg zu Sieg eilt. "Wir haben seit Le Mans sehr viel dafür getan, damit wir den Sportwagenfans auf dieser legendären Rennstrecke eine gute Show bieten können", sagt Richard Lietz. Aston Martin kommt unter anderem mit dem Berliner Stefan Mücke zum Nürburgring.

In der GTE-Am-Kategorie ist die britische Marke der klare Favorit auf den Klassensieg. In Le Mans hatte Aston Martin zwar viel Pech, war aber jederzeit vorn dabei. In der WEC-Wertung liegen Pedro Lamy, Paul Dalla Lana und Mathias Laude wegen des Ausfalls an der Sarthe nur auf Rang vier. Das Trio im Vantage #98 hatte allerdings zum Start in die Saison die beiden Rennen in Silverstone und Spa-Francorchamps souverän für sich entschieden. In den beiden Proton-Porsches werden unter anderem Hollywood-Star Patrick Dempsey (#77) und Le-Mans-Sieger Earl Bamber (#88) fahren.

Porsche

Hat am Nürburgring ausgiebig gestest: Die Manthey-Porsche-Mannschaft Zoom

Besondere Spannung verspricht das Streckenlayout in der Eifel. Der Nürburgring hat im Vergleich zu anderen WEC-Strecken eine geringe Fahrbahnbreite, was zu kniffligen Situation beim Überholen und Überrunden führen könnte. Zudem droht das typische Eifel-Wetter. "Ich erinnere mich, dass wir mal im Mai nicht testen konnten, weil Schnee lag. Schneien wird es am kommenden Wochenende sicher nicht, aber man weiß nie, was das Wetter dort macht", meint Weltmeister Sebastien Buemi. Bisher weisen die Vorhersagen sonnige und warme Bedingungen aus.

Beim 6-Stunden-Rennen am Nürburgring werden zahlreiche Motorsport-Stars aus Deutschland erwartet. Le-Mans-Sieger Nico Hülkenberg hat sich als Gast angesagt, Legende Hans-Joachim Stuck agiert in der Eifel als "Grand Marshal" des Events. Audi wird im alten Fahrerlager eine riesige Armada von R8 präsentieren, jeweils zwei Rennen von Nürburgring-Legenden und Porsche-Super-Sports-Cup runden das Programm am Wochenende ab. Wochendendtickets inklusive Zugang zum Fahrerlager für die Veranstaltung kosten 35 Euro im Vorverkauf, 45 Euro an den Tageskassen.