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  • 10.08.2015 19:23

  • von Kevin Turner (Haymarket)

Nick Tandy: Der Aufstieg eines neuen Stars

Nick Tandy nahm einen ungewöhnlichen Weg von Rennen auf kurzen Ovalen bis zum Sieg mit Porsche bei den 24 Stunden von Le Mans

(Motorsport-Total.com) - Nick Tandys Weg zum Erfolg bei den 24 Stunden von Le Mans war ungewöhnlich, weshalb sein Sieg im Juni in Frankreich für einige überraschend kam. Doch viele Anzeichen hatten darauf hingedeutet, dass er in der Lage war, an der Spitze des Sports zu bestehen.

Titel-Bild zur News: Nick Tandy, Earl Bamber

Vom Autoglaser zum Le-Mans-Sieger: Nick Tandy Zoom

Im Gegensatz zu vielen meiner Kollegen behaupte ich nicht, ein besonderes Auge für Talente zu haben, aber im Fall von Tandy war ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Es fiel nicht schwer zu erkennen, dass er etwas Besonderes ist, auch wenn er auf seinem Weg einige Klippen umschiffen musste.

Wenn man verfolgt, wie aufstrebende Fahrer die Karriereleiter emporsteigen, ist man immer gespannt, ob sie irgendwann ins Straucheln geraten. Schwinden ihre starken Vorstellungen? Lassen sie nach, wenn der Wettbewerb härter wird? Wenn die Antwort nein lautet, möchte man, dass sie weiter nach oben kommen.

Finanzielle Probleme und eine persönliche Tragödie trugen ihren Teil dazu bei, dass Tandy keine Chance auf die Formel 1 hatte, aber während seiner Karriere bei Porsche zeigte er Weltklasse-Leistungen, die im Sieg in Le Mans gipfelten. Nun scheint der richtige Zeitpunkt gekommen zu sein, um auf einige Schlüsselmomente zu blicken, die zeigen, warum Tandy zu den besten britischen Fahrern seiner Generation gehört.

2006: Formel-Ford-Festival

Nach einer erfolgreichen Karriere in Ministox' auf kurzen Ovalen, war Tandys Schritt in den Rundstreckensport ein Reinfall. Sein Mini Se7ens war auf der Geraden viel zu langsam. Auch sein älterer Bruder Joe machte ihm das Leben schwer. Er war Ende 2004 in einige kontroverse Zwischenfälle verwickelt, was dazu führte, dass die Serie beide Brüder sperrte.

2005 lief es nach dem Wechsel in die BRDC-Single-Seaters-Serie besser. Tandy dominierte, und das Preisgeld verhalf ihm zu einem Platz beim Werksteam Ray in der britischen Formel Ford. Dort gewann er nur ein Rennen, aber nach einem Wechsel zum Team von Joe Tandy, das weiter mit Ray zusammenarbeitete, wurde Tandy zum Hauptrivalen von Champion Nathan Freke und gewann zwei der letzten drei Rennen.

Nick Tandy

Beim Formel-Ford-Festival wurde die Szene auf Nick Tandy aufmerksam Zoom

Das war das Vorspiel zu einem unvergesslichen Formel-Ford-Festival in Brands Hatch. Sowohl Freke als auch Tandy gewannen ihr Halbfinale und standen daher im verregneten Finale zusammen in der ersten Startreihe. "Wir wussten, dass wir das schnellere Auto hatten und gewinnen sollten, und Nathan wusste das auch", erinnert sich Nick an das Scharmützel in der Druids-Kurve, bei dem Freke den nach der Führung greifenden Tandy aufs Gras drückte.

Tandy drehte sich und schlug an. Bei seiner Aufholjagd drehte er sich noch dreimal, ehe er sich an das ungewöhnliche Fahrverhalten seines beschädigten Ray gewöhnt hatte, aber zwischendurch fuhr er zwei Sekunden schneller als der Rest des Feldes. Auch einige Ausrutscher der führenden Fahrer spielten ihm in die Karten.

Vier Runden vor Rennende übernahm Tandy die Führung, doch leider hatte er nach einem seiner Dreher hinter dem Safety-Car einige Plätze gutgemacht - was angesichts seines Tempos aber möglicherweise eine unnötige Fehleinschätzung war. Dennoch wurde er bestraft und fiel auf Rang fünf zurück. Das war die richtige Entscheidung, doch Tandy hatte seine Klasse im Regen, die Fähigkeit ein Problem zu umfahren und seinen unerschütterlichen Kampfgeist gezeigt.

2007: McLaren-Autosport-BRDC-Award

Dahinter verbergen sich eigentlich zwei Geschichten, denn Tandy musste zunächst ein Ausscheidungsrennen in der Formel Palmer Audi gewinnen, um sich einen Platz zu sicher. Das war alles andere als einfach, denn er trat in Snetterton gegen Fahrer an, die das Auto schon das ganze Jahr lang gefahren waren. Tandy gewann zwei der drei Rennen, obwohl er keine Erfahrung mit Abtriebsautos hatte. Anschließend fuhr er im Ford Transit seiner Autoglaserei zum Test, der über den Award entscheiden sollte.

Seit dem Aufschwung der britischen Formel Renault Anfang der 2000er-Jahre, taten sich Formel-Ford-Fahrer bei diesem Test meist etwas schwer. Zum einen, weil ihnen die Erfahrung mit der Aerodynamik fehlte, zum anderen weil das Niveau in dieser Serie generell etwas niedriger war. Die Formel-Renault-3.5-Autos, die 2007 beim Test eingesetzt wurden, hatten mehr Leistung und Grip als alles andere, was Tandy bisher in seinem Leben gefahren war. Dennoch schoss er sich schnell darauf ein.


Siegervideo: Porsche in Le Mans 2015

Porsche feiert 2015 seinen 17. Gesamtsieg bei den 24 Stunden von Le Mans. Die schönsten Szenen im Video

Die genauen Zeiten dieser Award-Tests sind immer ein Geheimnis, doch Tandy lag bis zu einem heftigen Abflug gut im Rennen. Ich war gerade in Riches angekommen, als er geradeaus fuhr, obwohl die Straße nach rechts abbog. Auch wenn es nicht immer gut ausging, hatte Tandy noch nie ein Problem damit, in unbekannten Autos ans Limit zu gehen. Diese Eigenschaft war im Kampf um den LMP1-Platz entscheidend.

2008: Gaststart im britischen Porsche-Carrera-Cup

Gewissermaßen als Belohnung für seinen Einzug ins Finale, wurde er zu einem Gaststart im britischen Porsche-Carrera-Cup eingeladen. Unter die besten fünf oder sches zu fahren, wäre ein respektables Ergebnis gewesen. Tandy qualifizierte sich auf der Kurzanbindung von Silverstone für Startplatz zwei, griff nach fünf Runden nach der Führung und ließ den designierten Meister Tim Harvey hinter sich.

Tim Bridgman, Nick Tandy

Keine Angst vor großen Namen: Nick Tandy beim Gaststart im Carrera-Cup Zoom

Zweikämpfe mit Titelanwärtern wie Tim Bridgeman zeigten, dass Tandy keine Angst davor hatte, sich mit den arrivierten Fahrern anzulegen. Das sorgte zwar nicht überall für Begeisterung, doch der Sieg sollte sich in den Folgejahren als sehr hilfreich erweisen.

Als seine Formel-3-Karriere ins Stocken geriet und Tandy im deutschen Porsche-Carrera-Cup an die Tür von Teamchef Franz Konrad klopfte, war der Sieg in Silverstone ein wichtiges Argument, mit dem er den erfahrenen Österreicher überzeugte. 2009 saß Tandy in Dijon erstmals in einem Konrad-Porsche, wo er knapp hinter Porsche-Ass Jeroen Blekemolen auf Rang zwei kam. "Es lag alles an Dijon", sagt Nick heute, wenn man ihn fragt, was die Initialzündung für seine Karriere bei Porsche war.

2009: Britische Formel 3 in Rockingham

2009 kam es im Rahmen der britischen Formel 3 in Rockingham zum emotionalsten Moment, den ich jemals in einem Pressezentrum erlebt habe. Joe Tandy (und der Bruder seiner Verlobten) waren drei Wochen vorher bei einem Autounfall getötet worden. Als Tandy vor dem ersten Rennen seinen dritten Startplatz einnahm, war die Anspannung greifbar.

Als das Führungsquartett auf die Deene-Haarnadelkurve zufuhr, öffnete sich innen eine Lücke - eine, in die Tandy normalerweise hineingestochen wäre. Aus irgendeinem Grund entschied er sich diesmal aber anders und fuhr eine weite Linie. So konnte er die Führung übernehmen, nachdem Daniel Ricciardo beim Anbremsen Renger van der Zande getroffen hatte. Sehr zur Freude der nicht mehr ganz objektiven Medienvertreter, fuhr Tandy mit seinem Mygale den Dallaras davon und feierte seinen einzigen Sieg in der Formel 3.


Nick Tandys einziger Sieg in der Formel 3

Die Emotionen kochten über, als er nach den Überfahren der Ziellinie eine Vollbremsung machte und dabei so fest auf die Bremse trat, dass die rechte Vorderradaufhängung brach. Tandy sagt heute, dass Rockingham seinem Auto lag uns er wusste, dass er das Rennen gewinnen kann. Dass er es unter solchen, für ihn persönlich schwierigen Umständen und im Wissen um die unsichere Zukunft seines JTR-Teams schaffet, war eine bemerkenswerte Leistung.

2011-2013: Motorbase

Motorbase-Teamchef David Bartrum gehörte zu denen, die immer an Tandy geglaubt hatten, und Nick zahlte es ihm doppelt zurück. Nach der Einführung des neusten Modells des 911, durchlief die Porsche-Carrera-Cup-Mannschaft 2011 eine schwierige Zeit. Die Fahrerpaarung, bestehend aus dem britische Tourenwagenmeister von 1992, Tim Harvey, und dem erfahrenen Michael Caine, war jedoch über jeden Zweifel erhaben.

Bartrum entschied sich dennoch, Tandy ins Auto zu setzen, und das erwies sich als genialer Schachzug. Bei allen vier Rennen, zwei auf dem Grand-Prix-Kurs von Brands Hatch und zwei in Silverstone, stand Tandy auf der Pole-Position. Ohne einen Reifenschaden im zweiten Rennen von Brands Hatch hätte Tandy auch alle vier Rennen gewonnen, aber nicht deswegen ist diese Episode bemerkenswert.

Beim Saisonfinale hatte sich Tandy im Qualifying einen Reifensatz aufgespart, von dem er in jedem Rennen zwei Reifen verwendete. Dadurch distanzierte er die Konkurrenz im zweiten Rennen um 16,6 Sekunden. Auf der Kurzanbindung von Silverstone. Nach dem ersten Rennen, das Tandy mit 3,5 Sekunden Vorsprung gewonnen hatte, hatte Champion James Sutton bereits vermutet, dass Tandy einen Trumpf in der Hinterhand hatte. Denn es kommt nicht oft vor, das ein Feld von Spitzenfahrern in einem Markenpokal so weit auseinandergezogen wird, und das auf einer Rennstrecke, die nur vier Kurven hat.

Nick Tandy

In Silverstone düpierte Nick Tandy 2011 die Konkurrenz Zoom

Zwei Jahre später hatte Motorbase in der britischen Tourenwagen-Meisterschaft (BTCC) mit den in Eigenregie aufgebauten Ford Focus noch größere Probleme, allerdings war man sich nicht ganz sicher, ob es an den Autos oder an der Einstellung der beiden Fahrer Mat Jackson und Aron Smith lag. Wahrscheinlich lag die Wahrheit irgendwo in der Mitte.

Bartrum bat Tandy, neben seinen Stammfahrern am Test in Snetterton teilzunehmen. Damals war es fast ein Jahrzehnt her, dass Tandy zuletzt ein Auto mit Frontantrieb gefahren war. Trotzdem war er in drei der vier Sessions locker der schnellste Focus-Pilot und fuhr bis auf Rang vier. Zu welchen Teilen der folgende Aufschwung des Teams seinem Feedback oder am Motivationsschub für Jackson und Smith geschuldet war, wollen wir einmal dahingestellt sein lassen.

Bartrum hatte auch einen Rennstart in der BTCC für Tandy geplant, aber dazu kam es nie. Das war mit Blick auf seine Porsche-Karriere vielleicht ganz gut so, verhinderte aber, dass seine Fähigkeiten eine breiten Öffentlichkeit in Großbritannien bekannt wurden. Das gelang dem früheren Autoglaser und Gabelstapler-Fahrer erst durch den Sieg in Le Mans. Und immer noch warten wir darauf, dass er ein Niveau erreicht, auf dem seine Leistungen nicht mehr bemerkenswert sind.