• 25.06.2015 14:41

  • von Roman Wittemeier

Nissan überzeugt: GT-R LM Nismo mit genügend Potenzial

Nach der Pleite in Le Mans hält Nissan dennoch am Fronttriebler GT-R LM Nismo fest - 8MJ-Hybridsystem soll kommen - Michael Krumm: "Abtrieb ist zweite Baustelle"

(Motorsport-Total.com) - Nissan hat beim ersten Auftritt mit dem GT-R LM Nismo bei den 24 Stunden von Le Mans kein Land gesehen, aber immerhin mit einem Auto das Ziel. Der Wagen mit der Startnummer 22 fuhr am Sonntagnachmittag mit 153 Runden Rückstand auf die Sieger über die Ziellinie. Aufgrund des enormen Abstandes kam man aber nicht in Wertung. Die Schwesterautos waren aufgrund technischer Gebrechen zuvor gestrandet und ausgeschieden.

Titel-Bild zur News: Harry Tincknell, Michael Krumm

Der Nissan #22 erreichte das Ziel mit riesigem Rückstand auf die Sieger Zoom

"Es war natürlich von Anfang an eine ganz schwierige Geschichte für uns. Mit so wenig Testkilometern in Le Mans anzutreten, ist natürlich schwierig. Wir wussten ja nicht, was alles kaputt gehen kann", schildert Michael Krumm im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. Der Deutsche war es, der die ersten Kilometer mit den Fronttriebler bei Testfahrten absolviert hatte. Er war auch derjenige, der den Nissan #22 in Le Mans ins Ziel fahren durfte.

"Die Autos haben super gehalten", schildert Krumm seine persönliche Sicht der Dinge. "Mit dem 22er-Auto sind wir auch auf unserer Pace gewesen. Leider hat der Harry (Tincknell; Anm. d. Red.) dann einen Reifen, der im Dunkeln auf der Ideallinie lag, voll erwischt. Das hat uns vorne alles kaputt gehauen. Zum Glück ist ihm dabei nichts passiert. Das hat uns natürlich weit zurückgeworfen. Bis dahin war ich aber wirklich positiv überrascht."

Performance: Gerade so auf LMP2-Niveau

"Wenn man bedenkt, wie viele Probleme wir im Vorfeld hatten, dann hat es sich schon gelohnt, dass wir die Probleme beim Testen hatten. Am Schluss hatten wir auch im Rennen ein paar Probleme, ganz klar. Das ist aber ehrlich gesagt auch zu erwarten, wenn man das Auto über so eine lange Distanz so malträtiert", sagt der langjährige Nissan-Werksfahrer. "Es war ein Haufen Arbeit", fasst Teamchef und Technikleiter Ben Bowlby das Le-Mans-Abenteuer zusammen.

In Sachen Rundenzeiten konnte Nissan das Versprechen von Motorsportchef Darren Cox nicht halten. Man war keineswegs "deutlich vor der LMP2", sondern setzte nur durch Tincknell (#22) und Olivier Pla (#23) zwei ganz kurze Glanzlichter im Rennen, die dafür sorgten, dass zwei der drei Nissans in der Wertung der besten Umläufe vor dem Gibson-Nissan von Jota landeten. Auf die LMP1-Konkurrenten von Porsche, Audi und Toyota fehlten den Japanern fast 20 Sekunden!

Harry Tincknell, Michael Krumm

Für die Show: Die GT-R LM Nismo spühten reichlich Funken in Le Mans Zoom

"Natürlich stand unsere Performance in keinem Verhältnis zur Performance der Sieger. Dennoch verzeichneten auch wir ein paar signifikante Fortschritte", sagt Bowlby. "Als wir dieses Projekt vor einem Jahr in Angriff nahmen, konnten wir nicht einfach mal eben ein Getriebe, einen Motor oder ein Oreca-Chassis nehmen, so wie es alle anderen machen. Wir mussten komplett bei Null anfangen", so der Amerikaner, der seine Mannschaft in diesen Aussagen auf das Level der Privatteams stellt - nicht in direkten Vergleich zu den anderen Werksmannschaften.

"Unser Ziel war es, dieses Rennen zu beenden. Das haben wir geschafft", sagt Bowlby nahezu trotzig. "Wir haben beinahe alle Ersatzteile aufgebraucht. Wir mussten häufig das Getriebe wechseln und hatten ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, das Rennen zu beenden. Woher hätte die Zuversicht auch kommen sollen? Solange man nicht drei 24-Stunden-Tests ohne Probleme absolviert hat, kann man nicht ernsthaft davon ausgehen, ein 24-Stunden-Rennen zu beenden."

Nissan hält am kuriosen Konzept weiterhin fest

"Jetzt, da wir Le Mans einmal beendet haben, können wir uns auf all die großartigen Dinge konzentrieren, die es braucht, um konkurrenzfähig zu sein. Mit einem solch innovativen Projekt kommt man nicht nach Le Mans und gewinnt aus dem Stand. Das braucht Zeit", sagt der Teamchef. "Wir glauben an das Potenzial des Konzepts. Wir müssen es schaffen, den Hybrid an der Hinterachse zum Funktionieren zu bringen, um Allradantrieb zu haben. Darauf basiert ja auch das ganze Konzept des Autos. Ohne Allradantrieb kann man heutzutage einfach nicht mehr konkurrenzfähig sein."

Beim Rennen in Le Mans waren die in der 2MJ-Hybridklasse gemeldeten Nissans ohne Elektropower unterwegs. Man schaltete das System vorsichtshalber gar nicht erst ein. "Natürlich wären 8 Megajoule nett, um einfach schnell beschleunigen zu können", meint Krumm. "Die andere Baustelle ist natürlich der Abtrieb. Wenn ich mit den anderen LMP1-Autos mitfahre, dann kann ich nur in den schnellen Kurven hinterher kommen."

"Am Eingang der Porsche-Kurven kann ich in den ersten zwei Linkskurven den Fuß unten halten", beschreibt der deutsche Nissan-Werksfahrer seine Eindrücke von den Fahrten in Le Mans. "Wenn es dann aber in langsamere Kurvenbereiche geht, dann fehlt uns einfach der Abtrieb. Das hat im Moment noch mit der Abstimmung und mit der Aero-Entwicklung zu tun. Ich denke, wir müssen darauf konzentrieren, auch unter 250 km/h ausreichend Abtrieb zu haben."


Le Mans 2015: Highlights des Rennens

Porsche triumphiert bei den 24 Stunden von Le Mans 2015. Hier gibt es die besten Szenen noch einmal

Die große Frage ist, wann Nissan die nächsten Schritte gelingen werden. Ein funktionierendes Hybridsystem ist nicht innerhalb weniger Monate fertig entwickelt und standfest. Ende August steht das WEC-Rennen auf dem Nürburgring auf dem Programm. Ob die Japaner dort fahren werden, hat bislang niemand konkret beantworten können. Nissan testet Ende Juli zwei Tage lang mit einem Auto in Austin, aber zu den Probefahrten in der Eifel (27./28. Juli) hat man bislang kein Fahrzeug gemeldet. Auf der provisorischen Nennliste für das deutsche WEC-Rennen stehen allerdings zwei GT-R LM Nismo.