Nach Le Mans: Wie reagieren Audi und Toyota?

Porsche hat Audi und Toyota bei den 24 Stunden von Le Mans 2015 die Show gestohlen: Was wird in Neuburg und Köln für die kommende Saison entwickelt?

(Motorsport-Total.com) - Porsche hat die 24 Stunden von Le Mans 2015 gewonnen - nicht durch Glück, sondern über Tempo und Standfestigkeit. Vor allem die schnellen Nachtstints der Piloten in den 919 Hybrid haben noch einmal nachdrücklich dargestellt, dass sich Audi und Toyota für das kommende Jahr etwas einfallen lassen müssen, um das Team aus Weissach unter Druck setzen zu können. Während im Porsche noch weiteres Potenzial steckt, wird man sich bei der Konkurrenz vor allem im Bereich Antrieb einige Gedanken machen.

Titel-Bild zur News: Anthony Davidson, Kazuki Nakajima

Toyota hat die Konkurrenz nur kurz nach dem Start in Le Mans noch sehen können Zoom

Audi ist im Vergleich zu Toyota sicherlich weniger unter Zugzwang. Die Ingolstädter mit neuem Entwicklungsstandort in Neuburg an der Donau waren bis in die Nacht hinein mindestens ebenbürtig. Der R18 war bei den WEC-Rennen in Silverstone und Spa-Francorchamps über die Distanz das eindeutig schnellste Auto. Ein ähnliches Kräfteverhältnis ist auch bei den noch ausstehenden fünf WM-Läufen zu erwarten. Dank der ausgeklügelten Aerodynamik sollte Audi um die Siege fahren können.

Allerdings wird man sich im Lager der Le-Mans-Dauersieger der zurückliegenden Jahre in Bezug auf das Rennen an der Sarthe 2016 etwas überlegen. Im Fokus steht das Hybridsystem. Auto arbeitet bislang mit einem Schwungrad zur Speicherung der rekuperierten Energie. Dieses System hat bis zum Bereich von 4MJ sicherlich Vorteile, aber ohne einen Angriff in der 8MJ-Hybridklasse ist gegen Porsche in Zukunft wohl kaum etwas zu gewinnen.

Audi holt sich Batteriezellen aus Südkorea

Seit Monaten laufen bereits die Überlegungen und Vorbereitungen auf einen Wechsel zum Batteriesystem. Ähnlich wie Porsche - die Zuffenhausener haben sich die Batteriezellen von A123 exklusiv in der LMP1 vorbehalten - will Audi die Zellen einkaufen, die Batteriepacks aber selbst herstellen. Die entsprechende Technologie hat man in Südkorea gefunden, wo Samsung und LG dank starker Förderung durch den Staat erhebliche Fortschritte im Bereich der Batteriezellen gelungen sind.

Die große Frage bei Audi lautet allerdings: Welchen Weg zur Rekuperation will man in Zukunft nutzen? Das KERS, das kinetische Energie in Bremsphasen zurückgewinnt, hat sich bewährt. Das System läuft zuverlässig und stabil, wird daher wohl auch weiterhin in ähnlicher Form Verwendung finden. Ob man ein zweites Hybridsystem integriert, ist noch nicht bekannt. Die Lösung von Porsche, wo während der Fahrt am Abgastrakt rekuperiert wird, ist mit einem Dieselmotor schwierig umzusetzen.

Marcel Fässler, Andre Lotterer

Enttäuschung in Ingolstadt: Für die Sieger von 2014 gab es nun "nur" Rang drei Zoom

Man darf wohl davon ausgehen, dass Audi das KERS weiter optimieren wird, um mit dem neuen Batteriesystem im kommenden Jahr mindestens in der 6MJ-Klasse zu fahren. Zudem wird man das aerodynamische Konzept des R18, das den Audianern in allen bisherigen Rennen 2015 die besten Kurvenspeeds ermöglichte, weiter verfeinern. Der Spagat zwischen Abtrieb und geringer Reifenbelastung hat in Le Mans nicht gepasst. In der Nacht kamen die Pneus nie wirklich ins optimale Betriebsfenster. Dies gilt es zu analysieren und zu ändern - auch in Zusammenarbeit mit Michelin.

Toyota baut komplett neu: Motor, Hybrid, Chassis

Die erheblich größeren Baustellen hat zweifellos Toyota. Der TS040 konnte in Le Mans im Renntrimm rund zwei Sekunden schneller fahren als im Vorjahr, aber dieser Fortschritt war im Vergleich zu den großen Sprüngen der Konkurrenz viel zu klein. Die Japaner sind in Sachen Antriebsstrang am Limit. Das KERS funktioniert, aber die Superkondensatoren haben sich nicht in gleichem Maße entwickelt wie es bei der Batterie-Technologie der Fall war. Deswegen musste man in der 6MJ-Klasse weitermachen.

"Bei Chassis und Aerodynamik sind wir relativ gut aufgestellt", meint Alex Wurz. Man habe allerdings auch in diesen Bereichen noch Potenziale, die es nun auszuschöpfen gelte. "Aber den größten Sprung können wir beim Antriebsstrang machen. Die dramatischen Sprünge im Sekundenbereich, die führen über die Elektro-Power", meint der Österreicher. "Pi mal Daumen sind wir beim Chassis, in den schnellen Kurven, besser als Porsche. Aber wir verlieren dramatisch beim Beschleunigen."

Und genau dies soll sich im kommenden Jahr ändern. "Wir kommen mit einem neuen Antrieb, einem neuen Auto", verspricht TMG-Chef Rob Leupen. Der Niederländer mag noch keine Details preisgeben, aber es gilt als sicher, dass auch Toyota auf ein Hybridsystem mit Batteriespeicherung wechseln wird. Der gesamte Antriebsstrang soll erneut aus Japan kommen - und dort legt man großen Wert auf die Verwendung japanischer Produkte. Ob es konkurrenzfähige Batterien im engen Geflecht zahlreicher Toyota-Firmen und -Partner gibt, bleibt abzuwarten.


Fotos: 24 Stunden von Le Mans


Toyota wird sich vom bisherigen V8-Saugmotor verabschieden. Diese Entscheidung ist bereits vor Monaten gefallen, weil man beim bisherigen Triebwerk, das unter Volllast als sehr effizient gilt, an ultimative Grenzen gestoßen ist. Man will eine zweite Energie-Rückgewinnung, und eine solche lässt sich am besten - wie beim Porsche - über den Turbo realisieren. Es gilt als sicher, dass Toyota ab 2016 mit einem kleineren, aufgeladenen V6-Aggregat fahren wird. Angeblich laufen bereits entsprechende Tests.


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"Silverstone lief noch halbwegs normal, aber in Spa wurde uns klar, dass wir etwas tun müssen - und das werden für nächstes Jahr auch tun", sagt Leupen. Bei TMG stellt man derzeit alle Elemente des Projektes auf den Prüfstand. Die Fahrer bilden in diesem Zusammenhang keine Ausnahme. Zur Saison 2015 tauschte man Nicolas Lapierre aus, aber das Auto mit Conway/Wurz/Sarrazin ist trotzdem regelmäßig hinter dem Schwesterauto mit Buemi/Davidson/Nakajima zurück.