• 12.06.2014 13:41

  • von Roman Wittemeier

Notfallplan: LMP1-Helden als Mechaniker

Wenn das Adrenalin nicht ausreicht und der Kopf noch kühl ist: Die LMP1-Werkspiloten und ihre Werkzeugtasche in den neuen Prototypen

(Motorsport-Total.com) - Le Mans 2012: Satoshi Motoyama schraubt verzweifelt mit bescheidenen Bordmitteln an den Innereien des verunfallten DeltaWing, immer wieder rufen ihm Techniker vom nahe gelegenen Zaun Anleitungen zu, die der Japaner aufgrund seiner mäßigen Englischkenntnisse kaum versteht. Diese mitreißende Szene ist vom Rennen vor zwei Jahren haften geblieben. Auch die Tatsache, dass das Bemühen Motoyamas erfolglos war, der Japaner nach einem herzzerreißenden Kampf enttäuscht und erschöpft aufgeben musste.

Titel-Bild zur News: Satoshi Motoyama

Satoshi Motoyama lernte 2012 alle Details am DeltaWing kennen

Ein Le-Mans-Pilot als Schrauber? Diese Szene aus dem Jahr 2012 war zwar ungewöhnlich, eine Wiederholung ist aber alles andere als ausgeschlossen. Selbst an Bord der brandneuen LMP1-Raketen von Audi, Porsche und Toyota gibt es solche Notfalltaschen mit Werkzeugen. Das Ziel: Die Fahrer sollen ihre Autos nach Unfällen oder Defekten unter allen Umständen zurück zur Box bringen. Ein Rennen an der Sarthe ist schließlich erst dann endgültig verloren, wenn überhaupt nichts mehr geht.

"Am Dienstag nach dem Vortest war der Bugatti-Circuit für Shakedowns geöffnet. An diesem Tag haben wir auch die Benutzung der Bordwerkzeuge geübt. Das war ein großer Spaß, wir haben viel gelacht. Es hat halt nicht jeder das große Talent zum Mechaniker", berichtet Toyota-Werkspilot Anthony Davidson. "Wir haben so eine Werkzeugbox an Bord und ein Handy. Das Handy brauchst du im Notfall, weil der Funk bei einem Ausfall der Elektrik oder Elektronik nicht mehr geht. An Werkzeugen haben wir ein paar kleine Helferlein, die es uns erlauben, einige Teile abzubauen oder zu befestigen."

Le Mans 2012: Dumas macht es auf seine Art

"Auch wir haben solch eine kleine Werkzeugbox an Bord - immer schon. So etwas hatte Audi schon beim aller ersten Le-Mans-Auto dabei", berichtet Audi-LMP1-Leiter Chris Reinke über das Notfallpaket im R18. "Bei uns gibt es kein Handy an Bord, aber wir können eine Mobilfunkverbindung aufbauen, wenn im Funk nichts mehr geht. Auch bei uns wird der Umgang mit den Werkzeugen geübt. Das passiert einmal früh in der Vorbereitung und dann noch einmal in Le Mans."

"Es ist so eine Art Seitenschneider dabei, um möglichst schnell Kabel abtrennen zu können. Außerdem gibt es ein paar Schlüssel, mit denen man Teile lösen kann", sagt Reinke. Schmunzelnd ergänzt der erfahrene Ingenieur: "Wir setzen in solchen Fällen zuerst auf Adrenalin der Fahrer, dann auf Schrauberkenntnisse. Jeder erinnert sich wohl daran, wie Romain Dumas 2012 seinen R18 wieder flottgemacht hat. Extrem war es auch bei Benoit Treluyer in diesem Jahr in Silverstone. Der hat mit aller Wut nach dem Crash die Frontpartie des Autos abgerissen und über die Leitpklanken geworfen. Als wir die Teile später abgeholten, haben wir uns gefragt, wie er das ganz allein über die Barrieren wuchten konnte."

Werkzeug Tasche Knipser Porsche 919

Dies bekommen die Porsche-LMP1-Piloten für Notfälle mit an Bord Zoom

"Es geht nur um eines: das Auto muss zurück zur Box. Dort können die Techniker dann zaubern", meint Audi-Pilot Filipe Albuquerque. Der ehemalige DTM-Pilot wunderte sich nicht zu knapp, als ihm das kleine Bordwerkzeug vorgestellt wurde. Das kannte er aus anderen Serien so überhaupt nicht. "Eines kann ich verraten: Es ist kein Hammer dabei", lacht Albuquerque, "auch wenn wir vielleicht gern einen Hammer hätten, um unseren Frust an einem defekten Teil auszulassen."

Die Möglichkeiten sind im Falle eines Einsatzes von Zange, Kneifer oder Schraubendreher begrenzt. Es geht ums Grobe - bei einem Fahrzeug voller feiner Technologie. "Bei diesen modernen Autos müsste man eigentlich ein Laptop dabei haben, weil eigentlich alles über die Elektronik läuft", sagt der Portugiese. "Wenn man diese Werkzeuge benutzen muss, dann hat man das Rennen um den Sieg ohnehin verloren. Wir wissen genau, wo sich die Werkszeuge im Auto verstecken. Aber wir hoffen natürlich, dass wir sie niemals auspacken müssen", meint Lucas di Grassi.


2012: Romain Dumas zerrupft den Audi

Wenig Scheu vor einem möglichen Einsatz als Grobmechaniker hat Porsche-Werkspilot Neel Jani. "Wir kennen das vom Kartfahren, da mussten wir auch alle selbst schrauben", sagt der Schweizer. "Es sind in unserem Porsche Werkzeuge zum Entfernen von Teilen dabei, damit man nicht so eine Dumas-Aktion starten muss. Es ist quasi dort, wo sonst das Handschuhfach wäre. In dieser Box sind ein Knipser, ein paar Teile, um notfalls ein Rad zu befestigen und eben einige Schlüssel und Schraubendreher."