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  • 20.04.2014 10:14

  • von Roman Wittemeier

WEC-Auftakt: Wer ist denn nun der Favorit?

Bestzeiten für Porsche und Audi in den Trainings, Pole-Position für Toyota in Silverstone: Wer geht als Favorit in das erste WEC-Rennen 2014?

(Motorsport-Total.com) - Das Qualifying der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) in Silverstone hat die ohnehin schon große Spannung vor dem Saisonauftakt - und dem Start in eine neue LMP1-Ära - noch deutlich verstärkt. Die sechs Fahrzeuge der drei Hersteller Audi, Porsche und Toyota lagen innerhalb von 0,452 Sekunden. Drei völlig unterschiedliche Fahrzeug- und Antriebskonzepte haben bislang nahezu gleiche Rundenzeiten realisiert. Im Rennen könnten die Distanzen jedoch größer ausfallen.

Titel-Bild zur News: Alexander Wurz, Kazuki Nakajima

Der Toyota überzeugte am Freitag mit seinem konstanten Tempo Zoom

Spricht man bei Porsche vor, so bekommt man auf die Frage nach dem Favoriten keine konkrete Antwort. Fragt man bei Toyota, so hält man sich ebenso bedeckt. Anders bei Audi. "Wenn ich als Leiter des LMP-Programmes nun einen anderen Hersteller als Favoriten nennen würde, dann wäre etwas falsch. Wir sind hier, um zu gewinnen", so die klare Ansage von Audi-LMP1-Einsatzleiter Chris Reinke auf Nachfrage von 'Motorsport-Total.com'. Dabei gehen die Ingolstädter mit einem gewissen Nachteil in den ersten Schlagabtausch.

Aufgrund der neuen Einstufungen (Balance of Technology, kurz: BoT) darf Audi weniger in den Tank füllen. Es ist zu erwarten, dass die beiden R18 mindestens eine Runde früher stoppen müssen als die Fahrzeuge von Toyota und Porsche. Ob sich dieser Unterschied in Silverstone über sechs Stunden zu einem zusätzlichen Boxenstopp addieren wird, ist derzeit noch nicht ganz klar - und hängt nicht zuletzt von Wetter und etwaigen Safety-Car-Phasen ab. Dennoch ist es ein Nachteil.

Audi muss vermutlich früher stoppen

"Die anderen haben den Vorteil, dass wir immer früher stoppen müssen und sie erst einmal abwarten können, was wir machen", erklärt Joest-Rennleiter Ralf Jüttner. "Wenn wir Reifen wechseln, dann können sie mal schauen, wie lange das dauert und ob sich das lohnt. Wechseln wir die Pneus nicht, dann haben sie eine gewisse Zeit, um zu entscheiden, ob sie ebenfalls einen Doppelstint hinlegen möchten. Am Ende müssen die anderen vielleicht nur einen Splash-and-Dash-Stopp machen, während wir 15 Sekunden lang tanken. Das hat so einige Nachteile für uns."

Ist Audi also schon vor dem Start in das erste Rennen der Saison aus dem Kreis der Siegkandidaten ausgeschieden? Nein, denn auch bei den anderen LMP1-Herstellern gibt es Unwägbarkeiten. Bei Toyota ging im Training der Superkondesator kaputt, bei Porsche kann man das gute Tempo nicht über die Distanz halten. Der 919 Hybrid, der in den Trainings und im Qualifying trotz einer Le-Mans-Konfiguration stark unterwegs war, nimmt die Michelin-Reifen zu hart ran. Konsequenz: Bereits nach drei Runden hat man einen erheblichen "Drop" - also einen deutlich Einbruch bei den Rundenzeiten.

Marcel Fässler, Benoit Treluyer, Andre Lotterer

Audi kommt mit einer Tankfüllung nicht so weit wie die Konkurrenz Zoom

"Wir sind zufrieden, bleiben aber mit beiden Beinen auf dem Boden", sagt Porsche-LMP1-Leiter Fritz Enzinger. "Der Longrun von Toyota am Freitag war wirklich beeindruckend", meint der Österreicher und reicht damit die Favoritenrolle weiter. "Es ist wirklich so, dass wir bei den Longruns gesehen haben, dass wir dort im Vergleich noch den größten Rückstand haben", stimmt Teamchef Andreas Seidl zu. "Da haben wir noch Potenzial." Toyota hatte die Konkurrenz am Freitag mit einem Longrun überrascht, der konstant im Bereich von 1:44er-Zeiten lag.

Longrun-Tempo von Toyota beeindruckt

"Der Sieg wird zwischen Audi und Toyota entschieden. Für uns geht es darum, erst einmal anzukommen. Wir haben bei unserem komplexen Auto halt noch ein paar Themen. Wir müssen mit beiden Autos ins Ziel kommen", gibt Seidl die Marschroute aus. "Eines haben wir jetzt schon mal bestätigt bekommen. Wir liegen konzeptionell nirgends falsch. Es sind nun halt die kleinen Teile, die eine Standfestigkeit ausmachen - nicht mehr die großen Dinge. Das lernt man im Rennen. Deswegen hoffen wir auf ein sauberes Rennen", so Enzinger.

"Eigentlich denke ich, dass Audi der Favorit ist, aber der Toyota hat mich am Freitag mit seinem Longrun überzeugt", fasst der Porsche-LMP1-Leiter zusammen. "Unsere Pole bedeutet eigentlich nichts. Es ist alles schön und gut, aber man weiß nicht, was am Renntag passiert", sagt Toyota-Technikchef Pascal Vasselon. Der Franzose gibt auf Nachfrage von 'Motorsport-Total.com' zu: "Es gab am Freitag zwei Arten, das Klassement zu interpretieren: schnelle Rundenzeiten, oder Longrun-Zeiten. Schön, dass wenigstens einigen Beobachtern unser Tempo auf die Distanz aufgefallen ist. Darauf haben wir uns wirklich konzentriert. Wir sind aber nicht zu zuversichtlich. Wenn wir damit anfangen, dann verlieren wir..."


Fotos: WEC in Silverstone