• 25.03.2014 15:00

  • von Roman Wittemeier

Klein, aber fein: R18 mit Zwei-Megajoule-Hybrid

Audi bleibt beim Allrad-Hybrid, geht aber in die kleinste Megajoule-Klasse: Mit weniger Elektrohilfe zu neuen Erfolgen in der WEC und Le Mans?

(Motorsport-Total.com) - Das neue Reglement der LMP1-Klasse ist komplett auf den effizienten Betrieb der Fahrzeuge ausgelegt. Rund 30 Prozent an Treibstoff möchte man im Vergleich zum Vorjahr einsparen. Verbrauchsarme Triebwerke, eine neue Aerodynamik und ausgereiftere Hybridsysteme sollen dabei helfen, dass die schnellen Prototypen auch mit weniger Treibstoff ähnliche Rundenzeiten erreichen können. Was den Effekt der Hybridsysteme anbelangt, ist man bei Audi aber offenbar skeptisch.

Titel-Bild zur News: Audi R18 Hybrid Boost

Wie schon 2013 wird Audi den Hybrid nur an der Vorderachse haben Zoom

"Wir fahren in der 2MJ-Klasse. Das ist aus unserer Überzeugung heraus die beste Kombination bei unserem Konzept. Das hat unter anderem mit Gewicht zu tun", schildert Audi-Sportchef Wolfgang Ullrich den ungewöhnlichen Schritt der Ingolstädter. Viele Beobachter waren davon ausgegangen, dass Audi aufgrund der umfassenden Erfahrungen, die man mit entsprechenden Systemen bereits sammeln konnte, in die 6MJ-Klasse gehen würde - mindestens.

"Wenn du in einer höhere Megajoule-Klasse gehst, dann hast du weniger Treibstoff und somit geringere Motorleistung", sagt Ullrich. Audi fährt 2014 mit einem größeren Vierliter-V6-Turbodiesel. Dieses Triebwerk ist offenbar dermaßen effizient, dass man jeden Tropfen Diesel nimmt, den man für die Rennen bekommen kann. "Ein System mit zwei Megajoule ist eines, dass die Chance auf Ausnutzung des Gesamtpotenzials eines Fahrzeuges am wenigsten beeinträchtigt. Das liegt ganz einfach an der Fahrdynamik", fügt Audi-LMP1-Entwickler Wolfgang Appel hinzu.

Fahrbarkeit im Fokus der Entwicklungen

"Das Reglement fördert den Einsatz großer Hybridsysteme. Von sechs auf acht Megajoule ist ein großer Sprung da. Die andere Seite ist aber, dass man das Gesamtsystem fahrbar machen und die nötige Energie auch aufnehmen können muss", erklärt der Ingenieur. "Da wir uns entschieden haben, nur ein Hybridsystem zu fahren, ist es aus unserer Sicht nicht sinnvoll, allein an der Vorderachse gleich vier, sechs oder sogar acht Megajoule aufzunehmen."

Ursprünglich war Audi auf einem anderen Weg gewesen. Ende 2013 stellte man die Verwendung zweier Hybridsysteme in Aussicht. Neben dem KERS an der Vorderachse sollte ein neuer E-Lader für zusätzlichen Dampf im Turbo sorgen. Nach zahlreichen Tests verwarf man den Plan allerdings. Auch andere Systeme zur Energierückgewinnung wurden ausprobiert, aber schafften nicht den Sprung in das endgültige Rennfahrzeug. Nicht nur etwaige Sorgen bezüglich der Standfestigkeit spielten eine Rolle.

Reglement Energiefluss Hybrid

Im Reglement klar festgelegt: Die Energieflüsse in Hybridsystemen Zoom

"Wir hätten das Zusatzgewicht des zweiten Systems sicher kompensieren können, aber es wäre im Bereich Gewichtsverteilung wichtiger Spielraum verloren gegangen", meint Appel. "Aus den Erfahrungen aus den vergangenen Jahren kannten wir die ganzen Fallen, die es dort gibt. Für uns steht im Vordergrund, das Fahrzeug in Sachen Fahrbarkeit in den passenden Bereich zu bekommen." Ein gutmütiges Auto mit stabiler Balance und Straßenlage sowie schonendem Umgang mit den Reifen möchte man den Piloten an die Hand geben.

Stärker ist nicht unbedingt schneller

"Wenn man an der Vorderachse rekuperiert, dann tut man dies vor den Kurven. In diesen Abschnitten passiert erst das Bremsen, dann Einlenken samt Untersteuern. Je mehr du dort rekuperierst, desto eher kommst du in einen Bereich, den du nicht mehr beeinflussen kannst. So etwas ist ja schließlich pure Bremsleistung, die dort umgesetzt wird", sagt Appel. "Die Bremsphase ist immer gleich lang. Je mehr ich rekuperieren möchte, desto größer muss das System sein und desto stärker wird die Vorderachse beeinflusst."

Insgesamt habe man festgestellt, dass diese negativen Auswirkungen beim Rekuperieren die Vorteile eines großen Hybridschubs am Kurvenausgang auffressen können. "Im Prinzip geht es immer darum, am Ende der Runde möglichst schnell gewesen zu sein. Es klingt gut, wenn man viel Energie aufnehmen und nach der Ecke wieder abgeben kann. Aber wenn man die gesamte Kurve betrachtet, dann verliert man in der Anfahrt und kann das vielleicht am Ende wieder herausholen. Es ist vielleicht ein Nullsummenspiel. Vielleicht gewinnt man sogar etwas dabei, aber das geht dann zu Lasten von Reifenabrieb und erfordert auch Kompromisse bei Fahrwerkssetup und Gewichtsverteilung."

"Den potenziellen Zeitgewinn durch einen Hybrid kann man ganz einfach simulieren", so der Chefentwickler von Audi. "Wenn man dann aber auf der Strecke schaut, dann stellt man fest, dass diese Werte nicht erreicht werden. Wenn man sich später die Daten anschaut, dann sieht man, dass man die Energie sowohl aufgenommen als auch abgegeben hat. Aber es wird ebenfalls sichtbar, dass beim Aufnehmen der Energie etwas Zeit verloren geht, die den Wirkungsgrad schmälert."


Audi-Test in Austin

"Unter dem Strich steht, dass vom Reglement ein 8MJ-System nur theoretisch bevorteilt wird. Ob am Ende wirklich Zeit dabei herausspringt, müsste sich erst noch zeigen", fasst Appel die Erkenntnisse aus dem Bereich Hybridtechnik im LMP1 zusammen. "Unser KERS an der Vorderachse wurde komplett überarbeitet, es wurde ebenfalls effizienter gestaltet. Außerdem haben wir mir dem Drehmassenspeicher intensiv gearbeitet, wo uns ein großer Schritt gelungen ist", fügt Sportchef Ullrich an.

Ab jetzt elektrisch durch die Boxengasse

Bisher durfte der Hybrid an der Vorderachse erst ab 120 km/h eingesetzt werden. Dies wird sich zur neuen Saison ändern. "Wir waren gehandicapt, weil wir den E-Motor erst ab 120 km/h arbeiten lassen durften", erklärt Wolfgang Appel rückblickend. "Deshalb durften wir nicht mit Elektroantrieb aus der Box fahren, sondern immer mit dem Verbrenner. Das war ein klarer Nachteil. Erst jetzt werden wir in der Lage sein, das Potenzial voll auszunutzen."

Nominell ist das Audi-Hybridsystem im neuen R18 im Vergleich zum Vorjahr nicht größer, sondern sogar kleiner geworden. 2013 durften in sieben Bremszonen jeweils 500 Kilojoule pro Runde gespeichert werden - insgesamt also 3,5 Megajoule pro Umlauf. Nun werden es bei Audi nur noch zwei Megajoule sein. "Man wird sehen, wie sich die unterschiedlichen Konzepte in Le Mans und auf den anderen WEC-Strecken bewähren. Wir wissen, dass die anderen LMP1-Hersteller einen anderen Weg gegangen sind, aber wir sind unseren Weg ganz bewusst gegangen", stellt Ullrich den Audi-Weg noch einmal klar.


Fotos: WEC 2014: Audi R18 e-tron quattro