• 27.03.2013 13:36

  • von Roman Wittemeier

Sarrazin: Schneller Allrounder mit Le-Mans-Traum

Im Motorsport sind nicht nur Spezialisten erfolgreich: Stephane Sarrazin ist im LMP, Rallyeauto, GT-Fahrzeug und Daytona-Prototypen schnell

(Motorsport-Total.com) - Weil in der Formel 1 die Türen für schnelle Piloten ohne große Mitgift nahezu verschlossen sind, tummeln sich aktuell in der Langstrecken-Weltmeisterschaft viele Fahrer mit Erfahrung aus der Königsklasse. Die Namen Heidfeld, Fisichella, Wurz, McNish, Buemi, Liuzzi, Kobayashi oder Davidson sind weltweit bekannt, weniger im Rampenlicht steht ein Stephane Sarrazin. Der Toyota-Werkspilot hat zwar nur einen einzigen Formel-1-Grand-Prix bestritten, zählt aber in der LMP1-Szene zu den Allerbesten.

Titel-Bild zur News: Stephane Sarrazin

Stephane Sarrazin gilt als einer der schnellsten Piloten in der LMP-Szene Zoom

Der Franzose genießt überall höchsten Respekt. Nicht nur für seine Leistungen im Le-Mans-Prototypen, sondern auch für seine starken Fahrten in anderen Automobilen. Sarrazin ist ein Allrounder wie er im Buche steht. "Ich liebe es, einen Rennwagen oder ein Rallyeauto zu bewegen. Je mehr ich fahre, desto fitter und schärfer bleibe ich. Ich sitze ungefähr 100 Tage pro Jahr in einem Fahrzeug. Das ist viel. Aber nicht vergessen: Professionelle Fußballer trainieren oder spielen nahezu jeden Tag", sagt der 38-Jährige.

"Ich liebe Herausforderungen, daher stelle ich mich in den unterschiedlichsten Bereichen unseres Sports immer wieder neuen Aufgaben. Ich habe so viel erleben dürfen, war bei fantastischen Events dabei. Ich verstehe gar nicht, warum das im Motorsport so ungewöhnlich ist", wundert sich Sarrazin. Allein in der Saison 2013 stehen drei feste Programme im Plan: WEC mit Toyota, Grand-Am mit Starworks und die Arbeit als langjähriger Michelin-Testpilot im Rallyesport.

Die verpasste Formel-1-Chance 1999

"Kimi ist ähnlich unterwegs. Er hat damals bei uns im Peugeot getestet, er war in der Rallye-WM. Beim LMP1 hielt sich sein Interesse aber letztlich in Grenzen", sagt Sarrazin, der einer der wenigen Piloten im hochklassigen Motorsport ist, der immer wieder die Fahrzeuge und Kategorien wechselt, ohne dabei an Speed zu verlieren. Wenn er im Auto sitzt, ist er zu Hause. Ist er zu Hause bei der Familie, gibt er seine Motorsport-Leidenschaft weiter. Seine Söhne jagen bereits mit Elektro-Crossbikes über die Wiesen in Ales.

Sarrazin wechselte Mitte der 1990er-Jahre vom Kartsport gleichzeitig in Rallye- und Formelsport-Szene. Bei allen Einsätzen wurde deutlich, dass der Franzose eine erstaunliche Fahrzeugbeherrschung besitzt. Der Speed war jederzeit da, das Rennglück aber selten an seiner Seite. So auch bei seinem einzigen Formel-1-Einsatz 1999 in Brasilien. Sarrazin war von 1998 bis 2001 Testpilot bei Prost, wurde von dort für ein Rennen an Minardi ausgeliehen, weil deren Stammpilot Luca Badoer verletzt aussetzen musste.

An diesem zweiten April-Wochenende 1999 lief alles wie immer: Sarrazin war schnell, aber glücklos. Im ersten Training gewöhnte er sich an den Wagen, in der zweiten Session, im Qualifying und im Warmup nahm er seinem Teamkollegen Marc Gene jeweils rund eine Sekunde ab. Auch im Rennen war der Franzose bärenstark, verlor aber durch einen Dreher alles. Die Formel-1-Karriere war damit beendet, bevor sie richtig begonnen hatte.


Fotos: Toyota-Testfahrten in Le Castellet


Wenn er das Rennen damals solide beendet hätte, wäre er vor seinem Kollegen Gene gelandet. Es lagen damals Punkte in der Luft - mit einem Minardi! Sarrazin hat diese verpasste Chance abgehakt. Er kümmert sich in anderen Serien um die Befriedigung seiner Renngelüste. "Manch einer wundert sich darüber, dass ich jetzt im Daytona-Prototypen fahre. Aber für mich ist das ein tolles Training in Sachen Verhalten im Verkehr, Einschätzung von Safety-Car-Phasen und beim Setup. Ein Tag im Auto ist niemals ein verschwendeter Tag", so sein Motto.

Le-Mans-Sieg wichtiger als WM-Titel

Von 100 Tagen im Rennauto ist für Sarrazin ein Einsatz ganz besonders wichtig: Le Mans. In Diensten von Toyota wittert der Franzose seine große Chance, sich an der Seite von Anthony Davidson und Sebastien Buemi den großen Traum vom Sieg erfüllen zu können. "Ich werde in diesem Jahr meinen elften Einsatz in Le Mans haben. In mir ist der große Wunsch vorhanden, dieses Rennen endlich mal zu gewinnen. Dieses Jahr habe ich wieder eine Chance", sagt er.

Sarrazin hat seit 2001 nur eine Auflage des 24-Stunden-Klassikers auslassen müssen. 2004 war er als Werkspilot im Rallyeprogramm von Subaru verhindert. Dreimal stand der 38-Jährige bereits auf dem Podest an der Sarthe, aber bislang noch nie auf der obersten Stufe. "Ein Le-Mans-Sieg wäre mir persönlich wichtiger als der WM-Titel in der WEC. Es ist solch ein großes Rennen, eine dermaßen große Herausforderung - und außerdem bin ich Franzose."

Vicente Potolicchio, Ryan Dalziel, Stephane Sarrazin

2012 holte Stephane Sarrazin mit Starworks in der LMP2-Klasse der WEC den Titel Zoom

"Heutzutage ist es ein Sprint über 24 Stunden. Dafür muss man perfekt vorbereitet sein. Es darf keine Fehler geben - weder vom Fahrer, noch vom Team. Jede Kleinigkeit, die schiefgeht, bedeutet sofort, dass du keine Chance mehr hast", sagt der Mann, der im Peugeot-Le-Mans-Programm eine wichtige Rolle spielte. Sarrazin war der erste Fahrer, der 2006 den Testträger fahren durfte und der letzte Pilot, der den 908 auf dem Peugeot-Testgelände nach dem verkündeten Abschied aus der Szene bewegen durfte.

Großer Respekt vor Konkurrent Audi

"Fünf Jahre lang habe ich mit Peugeot in Le Mans um den Gesamtsieg kämpfen können, bei vier Rennen lag ich sogar in Führung. Aber immer hat uns eine Kleinigkeit zurückgeworfen. In aller Härte habe ich dabei gelernt, dass absolute Perfektion für den Sieg nötig ist", sagt der Familienvater aus Südfrankreich. Die Hoffnungen sind in diesem Jahr besonders groß. Toyota hat den TS030 im Winter erheblich weiterentwickelt. Die ersten WEC-Siege 2012 gelten als gute Vorzeichen.

"Das Auto ist in allen Bereichen besser. Es liegt stabiler, bremst besser und ist vor allem vom Fahrer besser einzuschätzen", sagt Sarrazin nach ersten Testeinsätzen 2013. "Pascal Vasselon und seine Leute schauen sich jedes kleine Detail an und prüfen, wo es etwas zu verbessern gibt. Das Team kommt aus der Formel 1 - das merkt man. Am Umgang mit den Piloten spürt man das auch. Es herrscht dort eine Atmosphäre, wie ich sie sonst noch nirgends erlebt habe."

Auch in diesem Jahr wird der Kampf um die Le-Mans-Krone auf ein Duell gegen Audi hinauslaufen. "Ich habe viele Jahre gegen sie gekämpft, ich kenne sie gut", sagt Sarrazin voller Respekt. "Wenn man gesehen hat, dass Audi im vergangenen Jahr gegen Toyota in einigen Rennen verloren hat, dann ist sofort klar, dass die mit aller Macht reagieren werden. Die werden ein neues Auto mit vielen Verbesserungen am Start haben - genau wie wir. Das wird ein harter Fight."

"Ich bin sicher, dass ab 2014 noch mehr Hersteller kommen werden. Das wird ein großartiger Wettbewerb. Ich freue mich, dass ich dabei sein darf", sieht sich der 38-Jährige auch in Zukunft in der WEC. "Le Mans steht über allem, aber ich freue mich auch auf das Rennen in Austin. Ich war kürzlich mit dem Daytona-Prototype dort. Es ist eine tolle Strecke, die alle Fahrer mögen werden. Auf Brasilien freue ich mich auch immer, weil es der Schauplatz ist, an dem ich mein einziges Formel-1-Wochenende bestreiten durfte. Auch auf die schnelle Strecke in Spa bin ich wieder heiß. Der Kalender ist gut so."