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  • 24.12.2012 08:46

  • von Roman Wittemeier

WEC 2012: Startrampe für die Prototypen

'Motorsport-Total.com'-Redakteur Roman Wittemeier über die Eindrücke aus der ersten Saison der neuen Langstrecken-WM WEC: Das Fundament gelegt

Titel-Bild zur News:

Im März begann die neue WEC-Ära mit dem Klassiker in Sebring Zoom

Liebe Freunde der Langstreckenrennen,

wir haben endlich wieder eine echte WM! Die neue Langstrecken-Weltmeisterschaft (World Endurance Championship; kurz: WEC) soll an die Erfolge der früheren Sportwagen-WM anschließen, ist davon aber noch ein großes Stück entfernt. Kein Wunder, denn das neue Championat steckt in der Kinderschuhen. Man muss der Szene entsprechend Zeit lassen, um sich zu entwickeln. Nach der Debütsaison 2012 ist aus meiner Sicht jedoch eindeutig: Das Potenzial der WEC ist gigantisch.

Besonders beeindruckt hat mich in diesem Jahr, wie man den harten Nackenschlag durch den plötzlichen Peugeot-Rückzug verkraftet hat. Das war schon ein starkes Stück. Die Franzosen waren seit Jahren eine treibende Kraft auf dem Weg zu einer solchen WM, dann ziehen sie sich ausgerechnet zwei Monate vor dem Start des ersten Rennens zurück. An die Fassungslosigkeit in jenem Augenblick kann ich mich gut erinnern, an die Angst um die Zukunft der neuen WEC ebenso.

Dass sich alles zum Guten gewendet hat, ist natürlich dem Engagement der weiteren Werke zu verdanken. Ich verwende hier ganz bewusst den Plural. Es war nicht nur der Einstieg von Toyota, der die WM gerettet hat, sondern natürlich auch das Durchhaltevermögen von Audi. Profitiert haben am Ende alle. Seit dem Klassiker in Le Mans gab es großartigen Wettbewerb an der Spitze. Die Wertigkeit von Erfolgen war gegeben - wer auch immer die Siege holte.

Zwischen Leidenschaft und Zwang

Mit dem Debütrennen in Sebring erwischte die WEC einen tollen Auftakt. Die Amerikaner wissen solche Events perfekt zu inszenieren. Vor allem bringt der ALMS-Style eines mit, was auch in der Zukunft ein ganz wichtiger Faktor für die Langstrecken-Weltmeisterschaft sein wird: Volksnähe. Mit einer Abgehobenheit a la Formel 1 lässt sich niemand mehr begeistern. Mit Nähe zum Fan, technischer Innovation und ehrlichem Sport sicherlich schon. Davon bin ich fest überzeugt.

Der Kalender bot sicherlich abseits der gesetzten Rennen in Sebring, Spa-Francorchamps, Le Mans und Silverstone einige Überraschungen. Aber die engagierten Hersteller müssen Fans und Märkte gleichermaßen bedienen. Es gibt auch in der WEC kommerzielle Zwänge. Diese führen eben dazu, dass man das knapp 30 Fahrzeuge umfassende Feld vor einer Handvoll Zuschauern in Bahrain und Schanghai zirkulieren lässt. Was bringt dies? Wenig. Schadet es der WEC? Wohl kaum.

Suchbild: Wer hier einen Schanghai-Zuschauer findet, darf ihn behalten Zoom

Was der WEC sehr wohl schaden kann, ist die große Kluft zwischen Werksmannschaften und Privatteams. Da nehmen leidenschaftliche Motorsportfans viele Millionen aus ihrem privaten Vermögen, um im Wettbewerb mitfahren zu können, aber letztlich bleibt höchstens mal eine hauchdünne Chance auf einen Podestplatz als Aussicht übrig. Nicht ohne Grund fragen sich die Rebellion-Macher, ob man die Lolas im kommenden Jahr nur in der ALMS rennen lässt. Bitte nicht!

Warum keine WM-Titel in LMP2 und GTE?

Natürlich sind die Werksautos immer schneller als die privaten LMP1-Fahrzeuge, die oftmals schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben. Das muss auch so sein. Aber über Zugeständnisse bei Tankvolumen könnte man den Privaten durchaus taktische Möglichkeiten für etwaige Überraschungen geben. Niemand würde die technische Überlegenheit der Audis und Toyotas in Frage stellen. Die Privaten könnte man so aber immerhin - hoffentlich - bei der Stange halten.

Leider wird es bei den privaten LMP1-Teams zwangsläufig bei einer Trophy bleiben - ein echter WM-Status ist nicht machbar. Warum aber nicht in den anderen Klassen? Was spricht gegen einen LMP2-Weltmeister? Wenig! Noch viel weniger spricht gegen die Ausschreibung der GTE-Pro-Szene als echte WM. Das Starterfeld in jener Kategorie mag zahlenmäßig dünn erscheinen, aber es tummeln sich dort die Werke Aston Martin, Ferrari und Porsche - das sind mehr Hersteller als in der LMP1!

Japaner begeistert: In der Boxengasse von Fuji tummelten sich zahlreiche Fans Zoom

Die WEC-Organisatoren haben in der Debütsaison vieles richtig gemacht. Aber natürlich bleibt noch Raum für Verbesserungen. Dies gilt vor allem bei der Vermarktung. Hierbei sind nicht nur die Herren Neveu und Fillon gefragt, sondern auch die Streckenpromoter und die Werke. Wie man so etwas von Seiten eines hiesigen Verbandes anpacken muss, haben die Herren in Bahrain gezeigt. Wer am dortigen Flughafen landete und nichts vom WEC-Rennen mitbekam, der muss jetzt eine gelbe Armbinde mit schwarzen Punkten tragen.

Auf eine tolle WEC-Saison 2013,

Roman Wittemeier