• 28.12.2012 09:17

  • von Roman Wittemeier

Von zündenden Ideen: Audi-Motorenchef Baretzky

Interview: Während die Fahrer WM-Titel und Le-Mans-Sieg feiern, arbeitet Audi-Motorenchef Ulrich Baretzky bereits am Antrieb der Zukunft

(Motorsport-Total.com) - Wenn die Audi-Piloten in Le Mans 24 Stunden lang über die Strecke jagen, dann horcht er genau auf die 24 Ventile, die in jedem V6-TDI-Motor arbeiten: Ulrich Baretzky. Der langjährige Motorenchef der Ingolstädter hat die Dieseltechnologie zu den ersten Siegen an der Sarthe geführt, die Triebwerke - trotz vieler Beschneidungen und Einschränkungen per Reglement - über viele Jahre konkurrenzfähig gehalten. Der Audi-Motorenchef beschreibt im Interview seine Vision vom Antrieb ab 2014.

Titel-Bild zur News:

Audi-Motorenchef Ulrich Baretzky freut sich auf die Freiheiten ab 2014

Frage: "Ulrich Baretzky, welche Arbeit am Antriebsstrang des Audi R18 stand 2012 im Vordergrund?"
Ulrich Baretzky: "2012 haben wir zunächst einmal jene Dinge erledigt, die wir im Vorjahr aufgrund von Zeitmangel nicht ganz hatten zu Ende bringen können. Im Grunde haben wir den Motor fertig entwickelt. Das Reglement ist relativ stabil geblieben, daher war es nicht allzu dramatisch."

"Die größte Herausforderung war, dass wir 2012 mit einem Hybrid und einem Nicht-Hybrid gefahren sind. Da wussten wir zu Beginn nicht, ob beide Konzepte auf Motorseite besondere Anforderungen haben. Es hat sich letztlich als völlig harmlos herausgestellt. Die Motoren waren alle gleich, wir brauchten nicht einmal unterschiedliche Kennfelder. Es war alles absolut identisch - das war das Schöne."

Frage: "Waren die Motoren nicht nur von der Konfiguration, sondern auch in der Art, wie sie im Auto betrieben werden, komplett identisch?"
Baretzky: "Ja. Wenn es unterschiedliche Anforderungen gegeben hätte, dann wäre es logistisch zu einer Herausforderung geworden. Dann hätte man womöglich auch verschiedene Arten der Erprobung vornehmen müssen. Das wäre sehr aufwändig geworden."

Unklarheiten bezüglich 2013

Frage: "Der Hybrid ist als neues Element hinzugekommen. Unterstützt ein solches System den Motor?"
Baretzky: "Alles, was schiebt und zieht, um das Auto schneller zu machen, ist in irgendeiner Form eine Entlastung für den Motor. Oder es ist eine Hilfe für das Auto, wenn man es aus anderer Warte betrachtet. Da werden unterschiedliche Strategien erarbeitet, bis hin zum 'Segeln', also Sprit sparen. Auf diesem Wege hat der Hybrid den Motorbetrieb schon irgendwie beeinflusst, aber es hat eben keine technischen Veränderungen gegeben."

Frage: "Welche Entwicklungen stehen für die kommende Saison auf dem Programm?"
Baretzky: "Wir wüssten gern, wie für 2013 die Rahmenbedingungen ausschauen werden. Schon vor Wochen wurde uns angekündigt, dass wir die konkreten Regeln bald bekommen werden. Wir hängen etwas in der Luft. Früher wussten wir immer spätestens im September genau, was auf uns zukommt. Nun ist es Dezember und wir wissen es immer noch nicht."

"Das ist nicht sonderlich lustig, denn mit den Antriebssträngen für 2013 werden jetzt bereits Dauerläufe gefahren. Wenn sich nun später die Bedingungen noch einmal ändern, dann müssten wir nach Anpassungen noch einmal solche Tests absolvieren. Die Dauerläufe kosten enorm viel Geld."

Frage: "Im Folgejahr kommt der große Umbruch. Es wird ab 2014 viele technische Freiheiten geben, alles unter der Maßgabe Effizienz. Wie bewerten sie diesen Weg?"
Baretzky: "Auf das neue Regelkonzept haben wir seit Jahren hingewirkt. Dann kommen wir endlich von den künstlichen Begrenzungen wie Ladedruck und Restriktor weg. Dies sind Methoden, die zu wenig Effizienz führen. Die Energie-basierte Formel ist viel zeitgemäßer. Wenn man das Reglement entsprechend hinbekommt, was nicht ganz einfach ist, dann sollte der effizienteste Antriebsstrang siegreich sein."

Frage: "Was ist bei der Ausbalancierung der verschiedenen Konzepte so schwierig?"
Baretzky: "Es ist kompliziert, wenn man verschiedene Konzepte wie Otto- und Dieselmotoren unter einen Hut bringen muss. Wenn man das Thema Effizienz ganz nüchtern anginge, dann wäre der Diesel die quasi zwingende Wahl für Le Mans, aber das will nicht jeder. Wer einen Diesel fährt, der kennt diese Vorteile in Sachen Effizienz. Nun muss man über gewisse Faktoren eine Angleichungen an die Benziner schaffen, damit es einen Wettbewerb gibt."

Audi verwendet aktuell einen 3,7-Liter-V6-TDI mit innenliegendem Turbolader Zoom

"Man bemüht sich, die Latte für die Ottomotoren relativ hoch zu legen. Es steckt beispielsweise über Turboaufladung und Direkteinspritzung noch viel Potenzial in solchen Konzepten. Da will man noch viel machen. Es ist das Ziel dieses Reglements, massiv in diese Richtung zu treiben - letztlich zum Wohle der Kunden."

Frage: "Gibt es keine einfache Formel, die den Energiegehalt von einem Liter Benzin und einem Liter Diesel in eine passende Relation setzt und somit als Grundlage für die Regeln dienen kann?"
Baretzky: "Es gibt keine einfache Formel. Das liegt daran, dass es nicht nur um Energie geht. Ich kann sehr wohl bestimmen, wie viele Megajoule in einem Liter Diesel mit einem bestimmten Heizwert stecken. Beim Benzin geht das genauso. Aber dann kommen die Unterschiede: die Wirkungsgrade der Motoren."

"Wie diese Werte aussehen, das ist natürlich das Geheimnis eines jeden Herstellers. Dort beginnt es schwierig zu werden. Hinzu kommt dann beispielsweise noch, dass ein Dieselmotor generell schwerer ist. Dies wirkt sich auf Fahrverhalten und Handling aus. Es ist alles nicht so einfach."

Frage: "Irgendwann wird man entsprechende Regeln verkünden. Dann werden sich ACO und FIA das Kräfteverhältnis in den ersten Rennen 2014 anschauen und eventuell noch einmal eingreifen..."
Baretzky: "Es ist immer die Frage, ob alle vor Le Mans alles zeigen. Es ist oft so, dass man in Le Mans die Sau herauslässt. Das ist normal und gehört zum Motorsport dazu. Allerdings kann man dann auch mal durchaus böse Überraschungen erleben. Es tauchen dann eventuell Dinge auf, die man auf dem Prüfstand nicht gesehen hat. Ein solcher Schuss kann auch mal nach hinten losgehen."

Rückgewinnung: Wärme, Dampf, Thermoelektrik

Frage: "Ursprünglich sollte bei der Wahl der Antriebskonzepte für 2014 absolute Freiheit herrschen. Plötzlich sind nun aber Ansätze wie Fünftankt-Motoren vom Tisch. Warum?"
Baretzky: "Man hat sich insofern erst einmal eingeschränkt, dass zunächst nur Viertakt-Motoren zugelassen sind. Allein diese Konzepte sind schon schwierig zu balancieren, und eine Balance wollen wir alle. Nun schauen wir mal die Jahre 2014 und 2015 an, danach sehen wir, welche Türen sich vielleicht noch öffnen werden. Wir wollen letztlich auch im Sinne unserer Kunden herausfinden, welches in Le Mans das effizienteste Konzept ist. Das kann dann durchaus eine andere Taktzahl sein als vier."

Frage: "Darf man trotzdem bei Diesel- und Ottomotoren mit vielen gänzlich unterschiedlichen Ansätzen rechnen?"
Baretzky: "Es wird zu Beginn wahrscheinlich viele verschiedene Konzepte geben. Dann wird es spannend zu sehen sein, welche zwei oder drei Konzepte sich am effizientesten zeigen und das Optimum darstellen. Das passiert nicht 2014, sondern erst 2015 oder 2016. Was Zylinderzahl und Hubraum angeht, werden einige Leute bestimmt Überraschungen erleben. Es gibt deutlich unterschiedliche Auffassungen darüber, wie man das Thema angehen kann."

Frage: "Also wird die intensive Grundlagenforschung umso wichtiger sein. Irgendwann muss der Antrieb für 2014 aber festgelegt und gebaut werden..."
Baretzky: "Es ist ein gewisses Wagnis. Wir haben für 2014 nur diesen einen Schuss. Wenn dieser nicht sitzt, dann wird ihnen auch für 2015 die Zeit und das Geld knapp. Man darf gespannt sein, was den einzelnen Herstellern einfällt. Sollte das Reglement mit Fokus auf Effizienz stabil bleiben, dann wird es einen erheblichen Erkenntnisgewinn geben können."

Frage: "Ab 2014 dürfen die Hersteller-LMP1 neben dem bisherigen KERS (Rückgewinnung kinematischer Energie) zusätzlich ein zweites System zur Rückgewinnung tragen. Was ist dort vorstellbar?"
Baretzky: "Bei den Hybridsystemen der Zukunft kann man sich alles vorstellen. Da werden wir eine große Vielfalt solcher Systeme erleben. Das ist das Schöne an diesem Reglement. Es gibt erhebliche Freiheiten. Ein KERS ist vorgeschrieben, ein weiteres System frei. Da kann man sich alles vorstellen - von Abwärme-Nutzung über Dampfmaschinen bis hin zu thermoelektrischen Systemen. Da gibt es viele Möglichkeiten für schöpferische Kreativität."

"Für uns gibt es eine Maßgabe: Wir müssen siegfähig sein. Wenn wir das sind, dann sind die Systeme auch relevant für unsere Straßenfahrzeuge. Wir erlegen uns selbst den Druck auf, dass wir sagen, dass wir im Motorsport etwas entwickeln möchten, das möglichst schnell auch in Straßenautos verwendet werden kann. Und das hat einen konkreten Hintergrund: 2020 müssen wir den Grenzwert von 95 Gramm CO2-Ausstoß einhalten. Jedes Gramm, das wir mit neuer Technologie einsparen können, hilft uns dann."

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