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  • 28.12.2012 12:10

  • von Roman Wittemeier

Klassenkampf: Wie schnell dürfen Private sein?

Vollgas auf der Strecke, aber dennoch aussichtslos im Rennen: Die privaten LMP1-Teams hatten auch in der Saison 2012 nur sehr selten Podestchancen

(Motorsport-Total.com) - Die LMP1-Kategorie in der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) war in der zurückliegenden Saison eine Zweiklassen-Gesellschaft. Die privaten Teams Rebellion, Strakka, Oak, JRM und (bis zum Abschied) Pescarolo kämpften mit stumpfen Waffen. Gegen die übermächtigen Werksautos von Audi und Toyota gab es für die Mannschaften mit ihren HPDs, Pescarolos und Lolas keine Chance. Strakka erbte in Bahrain einen Podestplatz, beim Saisonauftakt in Sebring sprangen die Starworks-Piloten aus der LMP2 auf das Podest.

Titel-Bild zur News: Marcel Fässler, Benoit Treluyer, Alexander Wurz, Kazuki Nakajima

Die Werksautos fuhren in der Saison 2012 regelrecht Kreise um die Privaten Zoom

Diese wenigen Krümel, die den Privaten vom großen Kuchen übrig blieben, sind ein zu geringer Lohn für die Mühen. In diesem Punkt sind sich nahezu alle Beobachter einig. "Es dient niemandem, wenn der Unterschied zwischen Privatteams und Herstellern zu groß ist. Das sehen auch die Werke so", sagt Audi-Rennleiter Dieter Gass. "Die Hersteller investieren jedoch nicht unerhebliche Beträge in den Rennsport und leisten wichtige Entwicklungsarbeit. Daraus erhoffen Sie sich natürlich einen sportlichen Vorteil."

Diesen müssen die Werke natürlich haben. Sie betreiben den höchsten Aufwand, investieren das meiste Geld, leisten sich prominente Fahrerkader und haben in puncto Entwicklung ganz andere Möglichkeiten. Ergo müssen die Autos der Hersteller schneller sein als jene der Privaten. Aber wie viel schneller? "Sollte ein Hersteller rundenlang in der Box reparieren müssen, dann muss der Private eine Chance haben. Wenn das Werk dann immer noch gewinnt, dann kann es das nicht sein", bricht Gass eine Lanze für die kleineren Teams.

Diesel gegen Benziner: Zwei Prozent Unterschied

Ein solches Szenario hatten ACO und FIA mit ihren modifizierten Einstufungen angepeilt. Im Durchschnitt lagen das beste Auto eines Herstellers und der schnellste LMP1-Wagen eines privaten Teams im Qualifying der WEC-Läufe um 2,93 Sekunden auseinander - eine Welt. Allerdings blieb man damit im Rahmen der Vorgaben von ACO und FIA. Anpassungen an den Einstufungen können während der Saison vorgenommen werden, sobald der Unterschied zwischen Diesel und Benziner in den Rundenzeiten mehr als zwei Prozent beträgt. Seit der Werks-Benziner von Toyota rollt, ist diese Regel ohnehin nichts mehr wert.

An dieser Marke von zwei Prozent schrammte man im Verlauf der Saison immer knapp vorbei. Einzig in den WEC-Rennen von Interlagos und Bahrain waren die Abstände akzeptabel, die Aussichten auf ein Podest - Probleme bei einem Werk vorausgesetzt - intakt. "Man muss den richtigen Grad finden. Das hat bisher nicht gepasst, aber das kann ja noch werden. Auf gleichem Niveau darf es aber nicht sein. Näher heran wäre schon gut", fasst Dominik Kraihamer zusammen.

Der junge Österreicher absolvierte im Verlauf des Jahres mit seinem Team Oak Einsätze in der LMP1- und in der LMP2-Klasse. "Wenn du realistisch bleibst - und das bist du spätestens nach dem ersten Rennen -, dann stellst du dich eben darauf ein", sagt Kraihamer. "Die Erwartungen werden heruntergeschraubt, weil klar ist, dass du aus eigener Kraft nicht ganz vorne mitfahren kannst. Selbst wenn alles passt, muss mindestens ein Werksauto ausfallen."

Untypisch für Endurance: Kampf der Teamkollegen

"Es ist natürlich in gewisser Weise aussichtslos", meint der schnelle Prototypen-Youngster. Und dennoch gab man stets Vollgas - obwohl man selbst im Kampf gegen die "Leidensgenossen" Rebellion, JRM und Strakka kaum Chancen hatte. "In meinem Fall ist es so, dass ich immer nur gegen meine Teamkollegen fahre. Und das ist überhaupt nicht das, was im Langstreckensport eigentlich angesagt wäre. Normalerweise müsste ich in Kombination mit meinen Kollegen gegen andere Fahrzeugbesatzungen kämpfen", sagt "Dodo".

Wird es in der kommenden Saison bessere Chancen für die Privaten geben? Wohl kaum. Der Zweikampf zwischen Audi und Toyota sorgt für eine noch intensivere und schnellere Entwicklung bei den Werksteams, die Autos der privaten LMP1-Teams werden derweil weder jünger noch besser. Ob die verbesserte Version des HPDs einen erheblichen Sprung nach vorne bedeuten wird, muss man abwarten. "Unter dem Strich müssen wir schauen, dass die Privaten eine bessere Chance bekommen und näher herankommen", sagt Gass.

Keine Chance: Die HPDs von Strakka und JRM waren selten auf Podestkurs Zoom

"Die Privaten sollten in eine Position kommen, um gute Ergebnisse - oder vielleicht sogar Siege - zu fahren, sobald die Hersteller an ihren Autos Probleme haben, oder die Werke Fehler machen. Das wäre das richtige Mittelmaß", meint der WEC-Einsatzleiter in Diensten von Audi. Dieses passende Mittelmaß gilt es zunächst zu finden. "Es ist schwierig", meint Kraihamer. "Wenn man die Hersteller so weit einbremst, dass sie auf dem Niveau der Privaten fahren, dann steigen sie aus oder investieren längst nicht mehr so viel."