• 27.12.2012 08:06

  • von Roman Wittemeier

Dalmas: Der Ex-Champion und seine Nachfolger

Der letzte Champion der früheren Sportwagen-Weltmeisterschaft im Interview: Yannick Dalmas über die Chancen der WEC und die Härte der Fahrer

(Motorsport-Total.com) - Die neue Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) hat in ihrer ersten Saison die Basis für eine künftige Entwicklung gelegt. Man will möglichst dorthin gelangen, wo die frühere Sportwagen-WM einmal war: nahezu Formel-1-Niveau. Yannick Dalmas war in jener Zeit einer der erfolgreichsten Piloten. Der 51-Jährige holte 1992 den letzten Weltmeistertitel, bevor die Serie starb. Heutzutage tritt Dalmas als Berater in der WEC auf. Im Interview vergleicht der Ex-Champion die Sportwagenszene von heute und damals.

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Yannick Dalmas feierte in seiner aktiven Karriere vier Le-Mans-Siege Zoom

Frage: "Yannick, du warst 1992 der letzte Champion der damaligen Sportwagen-Weltmeisterschaft. Nun haben wir die neue WEC. Welchen Eindruck hast du von der neuen WM?"
Yannick Dalmas: "Die neue WEC ist mit der früheren Sportwagen-WM, die auch bezüglich der öffentlichen Wahrnehmung phasenweise fast auf Formel-1-Niveau lag, kaum zu vergleichen. Es war jetzt einfach erst einmal wichtig, dass man eine neue Meisterschaft für den Langstreckensport geschaffen hat. Grundlegend wichtig ist dabei aus meiner Sicht, dass man die Szene mit einem stabilen Reglement für Hersteller berechenbar macht."

"Ich bin fest davon überzeugt, dass nach und nach immer mehr Hersteller kommen werden, wenn man das Reglement stabil hält. Mir hat die Saison 2012 gut gefallen. Natürlich hatte Audi zu Beginn des Jahres leichtes Spiel, aber später gab es ein enges Duell. Auch der Wettbewerb in der LMP2 und in den GT-Klassen war toll. Dieses erste Jahr der WEC war ein erstklassiges Warmup für das, was dort noch alles kommen wird. Wenn man die Szene nun stabilisiert, dann wird es eine richtig schöne WM."

Wenig Verständnis für Peugeot-Entscheidung

Frage: "Wie würdest du die Autos aus deiner damaligen Sportwagenzeit mit den heutigen Prototypen vergleichen?"
Dalmas: "Die heutigen Autos sind der Hammer. Die Fahrzeuge sind komplizierter, ausgereifter und voller moderner Technologien. Heutzutage hast du Dieselantriebe, du hast Hybridtechnik und alle möglichen Formen von Fahrzeugen und Antrieben. Zu meiner Zeit waren die Autos auch extrem schnell, auch ziemlich effizient. Aber diese Autos damals waren schwierig zu beherrschen. Wir mussten beispielsweise damals noch per Hand schalten. Das war schon harte Arbeit. Aber es war auch interessant."

"Es war früher einfach eine ganz andere Zeit. Ich bin keiner von den großen Nostalgikern, der meint, dass früher alles besser war. Ich war zu meiner Zeit im Rennsport sehr glücklich. Jetzt bin ich ebenso glücklich, wenn ich sehe, wie sich alles weiterentwickelt hat. In allen Bereichen ist es vorangegangen. Das ist doch super."

Frage: "Du hast große Erfolge gemeinsam mit Peugeot gefeiert. Dein ehemaliger Arbeitgeber hat mit seinem plötzlichen Rückzug Anfang 2012 alle geschockt. Wie hast du diese Peugeot-Entscheidung aufgenommen?"
Dalmas: "In erster Linie war ich überrascht. Ich verstehe, dass sie wirtschaftliche Probleme haben. Aber diese Probleme sind doch nicht einen Monat vor dem Start in die Saison 2012 plötzlich aufgetaucht. Diese Sorgen waren seit langer Zeit präsent. Für mich ist es schwierig, mich dazu zu äußern. Ich möchte nicht unbedingt polemisch werden."

"Wenn ich aber bei einem Hersteller wie Peugeot sehe, wie toll deren Auto war und wie hart und gut deren Leute dort gearbeitet haben, dann frage ich mich, ob es nicht logischer gewesen wäre, wenn man vor einer solch drastischen Entscheidung ein oder zwei Partner gebeten hätte, dieses Team fortzuführen. Ich denke schon, dass sich da jemand gefunden hätte, der das komplette Team hätte weiterführen wollen. Das wäre eine Möglichkeit gewesen."

"Natürlich habe ich leicht reden. Ich stecke nicht in den Prozessen von Peugeot, sondern ich betrachte es nur von außen. Ich kann es schließlich nur so schildern, wie es aus meiner Situation heraus wahrnehme. Mir tut es einfach unendlich leid für die ganzen Mechaniker, Ingenieure und auch die Fahrer. Die hatten dort eine richtig tolle Truppe und ein gutes technisches Paket. Das macht es so traurig."

Große Vorfreude auf Porsche-Comeback

Frage: "Du hast in deiner Karriere auch viele Erfolge mit Porsche gefeiert. 2014 kehrt die Marke nach Le Mans zurück. Ruft das bei dir Emotionen hervor?"
Dalmas: "Ja, das freut mich ungemein. Diese Entscheidung von Porsche war für die gesamte Szene sehr wichtig. Wenn die zurückkommen, dann tun sie dies auf höchstem Niveau. Ich hatte die große Ehre, von 1996 bis 1998 für das damalige Werksteam von Porsche arbeiten zu dürfen. Wenn man das Glück hat, Werksfahrer sein zu dürfen, dann ist es nicht immer einfach. Manchmal hat man Erfolg, manchmal aber eben auch nicht. Generell gibt es aber für einen Piloten kaum etwas Besseres."

"Natürlich steht Porsche nun etwas unter Druck. Die müssen sich auf höchstem Niveau gegen andere Werke behaupten - gegen Audi, gegen Toyota und wahrscheinlich gegen mindestens einen weiteren Hersteller. Vielleicht kommt Honda werksseitig, vielleicht auch andere. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass Porsche ein Auto haben wird, das ganz vorne mitfahren wird."

"Ich würde schon gern mal ein aktuelles Auto testen." Yannick Dalmas

Frage: "Sehen wir dich eigentlich mal am Steuer eines modernen LMP1-Autos?"
Dalmas: "Ganz ehrlich? Ich bin zu alt! Ich würde schon gern mal ein aktuelles Auto testen. Ich würde einfach mal gern am eigenen Leib spüren, wie sich die Autos in den Bereichen Motor, Bremse und Aerodynamik entwickelt haben. Solch eine Probefahrt wäre sicherlich nett, aber einen Renneinsatz sehe ich nicht. Da hat sich alles viel zu sehr weiterentwickelt."

"Sollte ich allerdings die Chance bekommen, zum Beispiel in der GT-Szene zu fahren, dann würde ich das machen. Dort wäre ich bestimmt besser aufgehoben als in einem LMP1-Auto. Ich glaube nicht einmal, dass ich körperlich Probleme im Prototypen hätte. Die nötige Fitness kann man sich antrainieren. Aber ich müsste bei einem LMP1-Engagement alles andere hinten anstellen. Ich könnte mir gut vorstellen, zusammen mit einigen Gentleman-Fahrern ein paar GT-Rennen zu absolvieren."

Fahrer sollen respektvoller agieren

Frage: "Im Grunde durftest du dich 20 Jahre lang als amtierender Weltmeister fühlen, nun hast du in Andre Lotterer, Marcel Fässler und Benoit Treluyer deine Nachfolger. Was hältst du von diesem Audi-Trio?"
Dalmas: "Diese Jungs haben im gesamten Jahr sehr konstante Leistungen gezeigt. Die haben kaum mal einen Fehler gemacht. Wie diese drei Fahrer zusammengearbeitet haben, fand ich sehr gut. Deren Erfolg basiert auch auf Intelligenz. Die sind alle drei stark und kontrolliert. Jeder hat immer genau das gemacht, was in der jeweiligen Situation angebracht war - keine verrückten Sachen."

"Ich habe die drei in Le Mans zusammen erlebt. Ben Treluyer kenne ich schon seit vielen Jahren. Er ist halt ein Landsmann, den ich immer wieder auf Veranstaltungen getroffen habe. Marcel habe ich bei den Rennen dieses Jahres etwas kennengelernt. Andre halte ich für einen cleveren, schnellen Burschen. Der ist heiß auf Erfolg, geht mit großer Entschlossenheit an seine Aufgaben. So etwas mag ich. Das ist wunderbar zu beobachten."

Anthony Beltoise, Allan McNish

In der Langstreckenszene wird oft mit harten Bandagen gekämpft Zoom

Frage: "Du hast in diesem Jahr für die FIA und die WEC gearbeitet. Ähnlich wie in der Formel 1 hast du als beratender Kommissar agiert und die Fahrersicht in fraglichen Momenten geschildert. Machst du 2013 dort weiter?"
Dalmas: "Ich würde mir wünschen, dass ich im kommenden Jahr dort weitermachen dürfte. Wir haben in diesem Jahr damit angefangen, auf mehr Respekt der Fahrer untereinander hinzuwirken. Dabei geht es um das Verhalten der Werkspiloten und der anderen Fahrer - auch der Gentleman-Piloten - in den Trainings und in den Rennen. Zwischen diesen eigentlich völlig unterschiedlichen Gruppen muss mehr Respekt herrschen. Die Strecke gehört jedem."

"Es muss natürlich Kämpfe geben in den Klassen LMP1, LMP2 und den beiden GT-Kategorien. Es muss aber immer ein sauberer und fairer Fight sein. Aus meiner Sicht waren einige Piloten in diesem Jahr etwas zu kompromiss- und rücksichtslos. Ich weiß es selbst, dass man als Werksfahrer unter einem hohem Druck steht. Das darf jedoch nicht dazu führen, dass nur noch mit der Brechstange agiert wird. Es muss klug und fair gefahren werden. Ich würde gern 2013 gemeinsam mit meinen Kollegen noch intensiver daran arbeiten, dass der nötige Respekt bei allen Einzug hält. Das halte ich für sehr wichtig."