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CART-Anekdoten: Wie Montoya Carl Haas ausrasten ließ

Michael Andretti erinnert sich an Juan Pablo Montoyas erste Rennen in der CART-Saison 1999: Wie eine Kollision seinen Teamchef Carl Haas auf die Palme brachte

(Motorsport-Total.com) - Als hätte Michael Andretti in seiner Dauerfehde mit Paul Tracy in den 1990er-Jahren in der CART-Serie noch nicht genug zu tun gehabt, begann Ende des Jahrtausends auch noch ein junger, aufmüpfiger Kolumbianer, dem Sohn von Mario Andretti richtig auf die Nerven zu gehen. Die Ereignisse überschlugen sich schnell beim zweiten Rennen der Saison im japanischen Motegi, als es zu einer Kollision im Training kam. Als Montoya beide rausriss, ging sogar Teamchef Carl Haas auf Chip Ganassi los.

Titel-Bild zur News: Carl Haas

Carl Haas funktionierte seine Zigarre kurzerhand zur Waffe um Zoom

Montoya kam als junger Heißsporn und als Formel-3000-Meister in die CART-Serie und hatte große Fußstapfen zu füllen: Diejenigen von Alex Zanardi, der im selben Jahr in seinen Karrieretiefpunkt in der Formel 1 mit Williams ging. Der Druck auf Montoya war riesig: Nach drei Titeln (Jimmy Vasser 1996, Alex Zanardi 1997/98) galt Montoya direkt als Rookie als Titelkandidat. Und er selbst erwartete von sich selbst auch nicht weniger.

Und so kam, was kommen musste: Beim Versuch, sich Respekt zu verdienen, überspannte Montoya schnell den Bogen. Der damals 23-Jährige war ohnehin angespannt, nachdem der Saisonauftakt in Homestead mit Rang zehn und Rundenrückstand alles andere als erfolgreich verlief. In Motegi setzte er sich im Training in den Windschatten von Routinier Andretti. Er zog innen auf der Zielgeraden vorbei, wollte aber wieder auf die High Line gehen und sein Reynard touchierte den Swift von Andretti. Beide flogen in die Mauer. Der Schaden an beiden Fahrzeugen war gewaltig.

Carl Haas rastet aus

Teambesitzer Carl Haas platzte der Kragen, als er die bevorstehende Nachtschicht auf sein Team zukommen sah - von der Lebensgefahr, in die Montoya beide Fahrer brachte, mal ganz abgesehen. Er stapfte wutentbrannt zu Chip Ganassi. Dieser versuchte ihn zu beruhigen, doch Haas war so geladen, dass er darauf gar nicht einging. Wutentbrannt knallte er ihm eine nicht angezündete Zigarre vor die Brust und wäre Ganassi beinahe an die Gurgel gegangen, hätten nicht Funktionäre eingegriffen und die beiden voneinander getrennt. So außer Rand und Band sah man Carl Haas eigentlich nie. (Zu einem Youtube-Video des gesamten Vorfalls)

"Ich kam aus Europa und war nicht dort, um Freunde zu machen", erinnert sich der mittlerweile 41-jährige Montoya, der noch bis Ende 2016 als Vollzeit-Rennfahrer in Formel 1, NASCAR und zum Schluss wieder IndyCar aktiv war. Michael Andretti reagierte etwas besonnener als sein Teambesitzer und zog Montoya auf die Seite. Er sagte ihm: "Das ist nicht Europa. Wir fahren hier nicht so." Montoya fehlte noch die Erfahrung und das Gespür für die Gefahr im Oval.


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Gegenseitiger Respekt wächst schnell

Anders als bei Paul Tracy entwickelte sich zwischen Andretti und Montoya keine große Rivalität. "Seit unserem Gespräch hatte ich das Gefühl, dass ich überall mit ihm Rad an Rad fahren konnte", erinnert sich Andretti, mittlerweile 54 Jahre alt und gestandener Rennstallbesitzer. "Aber es war ein ziemlich harziger Start."

Montoya waren für das Wochenende die Zähne gezogen; er fuhr mit dem notdürftig reparierten Fahrzeug auf Rang 13. Andretti beendete das 300-Meilen-Rennen als Fünfter. Montoya lernte schnell. Auf dem Straßenkurs von Long Beach holte er nur ein Rennen später seinen ersten CART-Sieg, danach in Nazareth seinen ersten Triumph im Oval. Er sollte noch im selben Jahr den Titel im Tiebreak gegen Dario Franchitti holen und die enormen Erwartungen an ihn erfüllen.

Helio Castroneves, Juan Pablo Montoya

Montoya (hier im Kampf mit Castroneves) lernte 1999 im Blitztempo Zoom

Mittlerweile ist er selbst ein alter Hase und kann Andrettis Situation nachvollziehen. "Heutzutage gibt es viele Jungs da draußen, mit denen ich nicht Rad an Rad fahren will; es ist unglaublich", findet er deutliche Worte. "Wenn ich mich neben Scott Dixon, Tony Kanaan, Ryan Hunter-Reay oder meine Penske-Kollegen setze, dann fahre ich gerne gegen sie und fühle mich okay. Aber bei manch anderen Leuten da draußen, niemals!" 2017 wird er das nur noch einmal tun müssen, weil er nicht mehr Vollzeit fahren wird. Beim Indianapolis 500 wird er für Penske um seinen dritten Sieg fahren.