CART-Anekdoten: Die Andretti-Tracy-Fehde

Paul Tracy galt während seiner gesamten Karriere in der als Raubein - Warum es so war und wie Erzfeind Michael Andretti die Sache heute sieht

(Motorsport-Total.com) - Sich auf der Strecke Respekt verschaffen - mit solchen Zielen kommen viele junge Fahrer in Rennserien. Doch nur wenigen gelingt es wirklich. Der Weg dorthin ist in den wenigsten Fällen angenehm. Paul Tracy war so einer, dem es gelang, selbst etablierte Piloten richtig auf die Palme zu bringen. Der Kanadier galt seine ganze Karriere über als ungestümer Alles-oder-Nichts-Pilot, der Konfrontationen weder auf noch neben der Strecke fürchtete. Sein Lieblingsgegner war damals Michael Andretti.

Titel-Bild zur News: Michael Andretti, Paul Tracy

Andretti und Tracy pflegten eine der härtesten Rivalitäten der CART-Geschichte Zoom

Beide Fahrer pflegten in den frühen 1990er-Jahren eine intensive Feindschaft. 25 Jahre später sitzen sie gemeinsam bei einer IndyCar-Veranstaltung und reden über die intensive Zeit. 1991 stieg Tracy in die damalige IndyCar World Series ein. Michael Andretti war in jenem Jahr auf dem Weg zur Meisterschaft, als der junge, rücksichtslose Kanadier anfing, ihm einzuheizen. Jenem Andretti, der ebenfalls risikobewusst und rücksichtslos mit Fahrern wie Rick Mears, Bobby Rahal oder Al Unser umgesprungen war. Doch Tracy trieb dies auf die Spitze.

Er wurde von seinem Vater Tony schon früh zu einem kompetitiven Charakter geformt. Er bläute Paul schon früh ein: Al Unser jun. und Michael Andretti seien die beiden Fahrer, die er hassen und schlagen müsse. "Als er ankam, hat er sich gut darin geschlagen, auf seinen Vater zu hören. Er hat sich innerhalb kürzester Zeit eine Menge Feinde gemacht", erinnert sich Michael Andretti mit einem Grinsen. Tracy wiederholt die Worte seines Vaters: "Du musst den Typen hassen, den du schlagen willst. Du musst ihm in den Ar*** treten. Ich verlor also keine Zeit, mich mit ihnen anzufeinden."

Ziemlich beste Feinde als Teamkollegen

Das passte so gar nicht zu Andrettis Einstellung, der zwar seinerseits kein Kind von Traurigkeit war, aber als Sohn von Rennfahrerlegende Mario Andretti etwas mehr nachdachte: "Mir ging es nicht unbedingt um den Sieg um jeden Preis. Ich wollte einfach nur nicht versagen. Mit der Einstellung hat das Rennfahren vielleicht nicht so viel Spaß gemacht, aber es hat für mich funktioniert. Ich habe dank dieser Einstellung niemals aufgegeben."

Tracys kompromisslose - seine Kritiker pflegten zu sagen: hirnlose - Herangehensweise brachte ihm in Kombination mit seinem unglaublichen Fahrtalent noch 1991 einen Platz bei Penske ein - und direkt beim ersten Rennen für das Topteam mit gebrochenem Bein ins Krankenhaus. Doch er hatte seine Duftmarke hinterlassen. Tracy und Andretti gerieten in der Folge immer wieder aneinander, in manchen Fällen trieben sie es in ihren Kämpfen so weit, dass Dritte profitierten (Zu einem Video aus Detroit 1992). Im Jahr 1993 machte die Fehde Pause, weil Andretti in die Formel 1 ging.


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Von dem wenig erfolgreichen Unterfangen kehrte er ein Jahr später später zurück und widmete sich wieder CART. Dort traf er wieder auf seinen alten Rivalen Tracy. 1995 formten die beiden ein Team bei Newman/Haas, doch es war eine bizarre Situation: Sie redeten kein Wort miteinander. Ein Jahr später kehrte Tracy zu Penske zurück.

Dabei entdeckten sie während ihrer gemeinsamen Zeit im selben Team durchaus Gemeinsamkeiten: "Michael und ich waren wahrscheinlich nicht gerade die freundlichsten Persönlichkeiten in der Interaktion mit Fans", lacht der 47-jährige Tracy. "Ich wollte einfach Rennen gewinnen und dachte über mein Auto und das nächste Training nach. Und wenn ich nachdenke, wirke ich manchmal schlecht gelaunt."


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Klärendes Gespräch erst 1999

Die Kämpfe und Kolisionen der beiden gingen derweil weiter. Tracy gelang es sogar, als erster Fahrer in 22 Jahren für ein Rennen gesperrt zu werden, als er 1998 mit Andretti in Surfers Paradise kollidierte. Nach einer weiteren Kollision in Chicago 1999 sagte Andretti, statt mit Tracy zu reden, könne er es genauso gut mit einer Wand versuchen. Doch diese Kollision brachte die beiden Rivalen dazu, endlich mit einander zu sprechen. "Es war unser erstes Gespräch seit 1992 oder so", lacht Andretti. Doch auch nach dem klärenden Telefonat sollten die beiden Rivalen noch mehrmals aneinander geraten, bis ins 21. Jahrhundert hinein.

Die Rivalität kostete beide Kontrahenten zahlreiche Siege und womöglich Meisterschaften. Andretti konnte seinem Titel von 1991 keinen mehr folgen lassen, das Indy 500 gewann er erst als Teambesitzer. Tracy musste noch bis 2003 warten, bis er die mittlerweile durch den Split stark geschwächte Champ-Car-Serie gewann. Ein Jahr zuvor verlor er den Indianapolis-Sieg unter kontroversen Umständen an Helio Castroneves durch das ungünstige Ausrufen einer Gelbphase.

Paul Tracy, Michael Andretti

Tracy und Andretti duellierten sich in zahlreichen Teams und Fahrzeugen Zoom

Für Kontroversen sorgte er bis zum Ende seiner Karriere, etwa, als er sich 2006 in zwei aufeinanderfolgenden Rennen erst mit Alex Tagliani und dann mit Sebastien Bourdais ins Gehege geriet. In beiden Fällen machte er sich anschließend darüber lustig, dass seine jeweiligen Kontrahenten mit aufgesetztem Helm in die Prügelei einsteigen wollten. Tracy kollidierte mit Teamkollegen, fuhr seine eigenen Mechaniker beim Boxenstopp um, machte häufig Fahrfehler. Doch genauso oft feierte er nahezu magische Siege. Er blieb sich selbst treu, bis zu seinem letzten Rennen in der Saison 2011.