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  • 08.11.2016 18:51

  • von Bruce Martin (Haymarket)

Warum IndyCar den Aerokrieg wieder abschafft

Die Aerokits sollten IndyCar wieder zu dem machen, was einst CART war, doch der Versuch ist gescheitert - Warum die Rückkehr zum Einheitskit besser ist

(Motorsport-Total.com) - Chevrolet und Honda werden 2018 in der IndyCar-Serie wieder in ihre alte Rolle zurückkehren und lediglich Motorenlieferanten sein. Zudem wurde die Weiterentwicklung der Aerokits für 2017 gestoppt. Die Kits werden auf dem Stand von 2016 eingefroren. Warum wirft IndyCar einen Wettbewerbsfaktor wieder über Bord, nachdem er gerade erst eingeführt worden ist?

Titel-Bild zur News: Simon Pagenaud, Start

Die kurze Zeit des Aero-Wettbewerbs ist bei IndyCar bald vorbei Zoom

Natürlich ist es keine Überraschung. Die Entscheidung, die Aerokits einzufrieren und ab 2018 ein neues, Champ-Car-ähnliches Aerokit einzuführen, ist von allen Teambesitzern mit Begeisterung aufgenommen worden, die von Anfang an gegen das Aero-Programm gewesen sind. Ob es gefällt oder nicht, die Aerokits haben IndyCar in den vergangenen beiden Jahren dominiert. Sie waren in vielerlei Hinsicht das beherrschende Thema. Von den frühen Problemen mit wegfliegenden Teilen über die Dominanz von Chevrolet und Pratt & Miller über Honda und Wirth Engineering bis hin zur kontroversen Entscheidung Ende 2015, dass Honda sein Kit extra überarbeiten durfte.

Der Gedanke, das Kit einzufrieren, nahm in diesem Jahr rund um das Indianapolis 500 und den folgenden Rennen Fahrt auf, weil es zu spät wurde, ein neues Aerokit für 2017 zu entwerfen. Es gibt eine Reihe von Pluspunkten für IndyCar - finanziell, sportlich und kommerziell. Und dann ist da noch der große Versuch, weitere Hersteller anzulocken, um gegen Honda und Chevrolet anzutreten. "Man kann keine neuen Hersteller ansprechen, wenn die anderen beiden bereits zwei Jahre Vorsprung bei der aerodynamischen Entwicklung haben", sagt Bill Pappas von IndyCar.

Kommt ein dritter Hersteller?

"Es gibt Interesse von anderen Herstellern", bekräftigt er weiter. "Sie sehen, dass es einen guten Grund gibt, hier mitzumachen. In dieser Meisterschaft herrscht ein gesunder Wettbewerb. Es wäre großartig, wenn sich ein weiterer Hersteller beteiligen würde." IndyCar-Chef Mark Miles glaubt, dass es der richtige Moment ist, die derzeitigen Kits einzufrieren. Die Entscheidung, mit einem Nachfolgechassis für den Dallara DW12 noch bis zu den 2020er-Jahren zu warten, begründet er so: "Ich denke, jeder ist mit dem Wettbewerb zufrieden, so wie er jetzt ist. Wenn beide Hersteller sagen, dass der andere knapp vorn liegt, stimmt das Racing."

"Es gibt zwei Möglichkeiten, die finanzielle Situation im Fahrerlager zu verbessern", sagt er weiter. "Eine wäre, es den Teams zu ermöglichen, Sponsoren zu gewinnen, indem wir die Zahl der Fans steigern. Die andere ist, ihnen zu ermöglichen, Geld zu sparen. Unser Team hat ein paar sehr gute Ideen, wie man das machen kann. Eine davon ist, die Deregulierung so vorzunehmen, dass sie einige Komponenten selbst herstellen können." Die Deregulierung einzelner Bereiche des Fahrzeugs wird ebenfalls ab 2018 schrittweise erfolgen.

Sebastien Bourdais

Seit der Lotus-Blamage von 2012 sucht IndyCar einen dritten Hersteller Zoom

Wenn es um die Frage geht, wie es um weitere Motorenhersteller bestellt ist, sagt Miles lediglich: "Wir befinden uns noch in einer Frühphase. Aber die Tatsache, dass die Sache mit dem Aeropaket geklärt ist, ist ein guter Start für Verhandlungen." Das Wettbewerbsargument zieht durchaus - vor allem, da die Meisterschaft auf ein Einheitschassis setzt. Es wäre sofort offensichtlich, wenn ein Motorenhersteller den besseren Job macht.

Begeisterung für Aerokits stets begrenzt

Teambesitzer von Honda-Fahrzeugen wie Michael Andretti, Sam Schmidt und Dale Coyne haben das Aerokit-Projekt öffentlich kritisiert. Sie glauben, dass Dutzende Millionen Dollar ausgegeben wurden, um das Feld praktisch in zwei Hälften zu splitten, was einen Rückschritt nach drei Jahren engem Motorsport mit dem Standardpaket von Dallara bedeute. Als die Aerokits 2015 eingeführt wurden, hatte Chevrolet die Nase vorn. In jedem Rennen stand ein Chevy-Pilot auf der Pole-Position. Nur Graham Rahal war in der Lage, für Honda im Meisterschaftskampf die Fahnen hochzuhalten.

Honda bat daher um Anwendung des Absatzes 9.3 im Regelwerk, um Verbesserungen außerhalb der freigegebenen Bereiche vornehmen zu dürfen. Die Chevrolet-Teams behielten ihren Vorteil, doch dieser war 2016 drastisch reduziert. Schlussendlich haben die Hersteller ihre Verantwortung eingesehen, IndyCar sportlich hochwertig zu halten.

"Wir haben sehr hart daran gearbeitet, unser Aerokit mit unseren Ingenieuren und Rennteams weiterzuentwickeln", sagt Jim Campbell, Vizepräsident der Sportabteilung von Chevrolet USA. "Die Resultate sind hinsichtlich der Performance richtig gut gewesen. Jetzt arbeiten wir mit IndyCar zusammen, wie man gutes Racing in Kombination mit niedrigen Kosten hinbekommt. Die gute Nachricht ist, dass sie die Regeln vorgeben und dabei mit den Herstellern und den Rennteams eng zusammenarbeiten."


IndyCar-Preisverleihung 2016

Natürlich stellt sich weiter die Frage: War das den ganzen Aufwand wert? Es wurde reichlich Geld in die Entwicklung investiert, nur damit die Kits nach zwei Jahren eingefroren werden. Rechnet sich das wirklich? "Die Regeln sind so gewesen und das Aeropaket war Teil dessen", sagt Campbell, ohne eine wirkliche Antwort zu geben. "Wir haben hart gearbeitet, um ein Paket zu schnüren, das die richtige Kombination aus Abtrieb, Luftwiderstand und Motoren-Performance erzeugt."

"Aber wir müssen eine nachhaltig tragfähige IndyCar-Serie haben", sagt er weiter. "Chevrolet ist in fünf Rennserien involviert und arbeitet in jeder mit der jeweiligen Behörde zusammen, um tolles Racing zu produzieren und die Kosten in einem akzeptablen Fenster zu halten." Nachhaltigkeit thematisiert auch sein Gegenspieler von Honda, Art St. Cyr. Er hatte stets eine klare Meinung zu dem Thema: "Ich bin dafür, dass wir kein Geld mehr für Aerokits ausgeben."

Wie viel Spec Racing darf sich IndyCar erlauben?

Das offensichtlichste Problem ist das Fehlen weiterer Hersteller. Und es ist nicht so, dass Aerokits in dieser Hinsicht für neue Partner gesorgt hätte, daher gab es von 2012 bis 2014 das Standard-Kit. Bei den Teams aber wird der Wettbewerb bestehen bleiben. David Faustino, Will Powers Renningenieur, ist der Meinung, dass sein Team deshalb so stark ist, weil es die Aerokits am besten nutze.

Er fügt hinzu: "Ich denke nicht, dass sie alles einfrieren sollten. Sie sollten jedem Hersteller eine Entwicklungsbox zur Verfügung stellen, die sie verändern können, statt bislang drei. Lasst sie ihre Achillesferse aus dieser Saison ausräumen. Ich bin eher für einen Zweidrittel-Freeze als einen kompletten. Was das Standard-Kit betrifft, bin ich 50:50. Wann immer es zu Veränderungen kommt, ist es gut für uns. Es ist eine gute Gelegenheit, wieder den einen entscheidenden voraus zu sein. Ich würde es begrüßen."

"Ich bin dafür, dass wir kein Geld mehr für Aerokits ausgeben." Art St. Cyr

Faustino war stets ein Befürworter des Aero-Projekts und verwies auf die visuellen Unterschiede, die Identifikation mit den Herstellern ermöglichen. Aber er akzeptiert, dass sie nicht zu besserem Racing geführt haben. "Ich denke nicht, dass sich der Sport auf Rundkursen mit dem ganzen Abtrieb verbessert hat. Ich würde mir als Fan wahrscheinlich eine etwas aufgeräumtere Optik wünschen, damit die Autos dichter hintereinander herfahren können. Würden sie es wieder tun, würde IndyCar wahrscheinlich ein etwas anderes Regelpaket einführen, um Luftverwirbelungen zu vermeiden."

Coyne plädiert für Rolle rückwärts

Es ist auch nicht jeder davon begeistert, den Wettbewerb noch ein Jahr aufrecht zu erhalten. Dale Conye, Teamchef eines Honda-Teams, ist beispielsweise der Meinung, IndyCar hätte die unterschiedlichen Kits schon für 2017 über Bord werfen und zu einem Standard-Kit zurückkehren sollen. IndyCar-Präsident Jay Frye kündigte das neue Kit als "das Beste für die Zukunft der Meisterschaft" an, doch Coyne ist der Meinung, dass dies glaubwürdiger gewesen wäre, wenn dieser neue Pfad ein Jahr früher eingeschlagen worden wäre.

"Wir sollten wieder zum Standard-DW12 für die kommende Saison zurückkehren und dann das neue Auto bringen", sagt er. "Man mag glauben, dass dies ein Rückschritt sei, aber wir hatten fantastisches Racing mit diesem Auto. Die Fans wollen guten, engen Motorsport und viele Überholmanöver sehen. Ich habe beim letzten Meeting auf den Tisch gehauen und gesagt, dass wir keine Aerokits mehr machen sollten. Honda gibt zehn Millionen aus, Chevrolet gibt zehn Millionen aus und alle Teambesitzer geben zehn Millionen aus."

Will Power, Ryan Hunter-Reay, James Hinchcliffe

Zur ursprünglichen Dallara-Aero will IndyCar nicht zurückkehren Zoom

"Wir hätten das Geld in die Hand nehmen sollen, um unseren jetzigen Fernsehvertrag zu verbessern und alles ins Kabelfernsehen zu bringen", argumentiert er weiter. "Mit dem ganzen Geld hätten wir das für zwei Jahre machen können. Und wie sich herausgestellt hat, haben Honda und Chevrolet sogar mehr als zehn Millionen Dollar ausgegeben. Wir sollten uns darauf konzentrieren, den Sport repariert zu bekommen, bevor wir mit so etwas anfangen." Coyne sagt, dass die damalige Entscheidung darauf zurückzuführen gewesen sei, dass "Ingenieure den Sport kontrolliert haben. Das war ein Fehler."

Er fügt hinzu: "Wir hätten zu den Chefs von Honda und Chevrolet gehen und sie fragen sollen: 'Wollt ihr Autos verkaufen? Oder wollt ihr sehen, wie eure Ingenieursabteilung wächst?' Sie hätten wohl geantwortet, dass sie Autos verkaufen wollen." Gleiche Chancen für alle sollten zu besserem Racing und einer größeren Erfolgschance für jeden Hersteller führen. IndyCar wird hoffen, dass dies eintritt, wenn sie ein zentrales Element der Marken-Identifizierung herausnehmen.