• 03.01.2016 08:56

  • von Mark Glendenning (Haymarket)

Flotte Fehlschläge: US-Tragödien in Indianapolis

Gasturbinen und Flugzeugmotoren: Beim Indy 500 wurde mit allen Mitteln gekämpft - Die Geschichte zweier spektakulärer Projekte, denen der Erfolg verwehrt blieb

(Motorsport-Total.com) - Die Geschichte des STP Oil Treatment Turbinen-IndyCars ist eine von politischer List und technischer Innovation. Es war nicht das erste Turbinenauto, das in Indy aufkreuzte und auch nicht das letzte. Aber es war mit Sicherheit das Notorischste. Das Auto wurde im aller Heimlichkeit vom berüchtigten Andy Granatelli erbaut und im Mai 1967 entwickelte es sich von der Kuriosität, sich als erstes Turbinenfahrzeug für das "500" zu qualifizieren, hin zu einer der kontroversesten Maschinen in der Geschichte des Events, als es das Rennen um ein Haar gewonnen hätte.

Titel-Bild zur News: Parnelli Jones, Granatelli-Turbine

Die Gegner witterten schon Betrug: Jones verlor das Rennen in letzter Sekunde Zoom

Seine Extravaganz stand im Einklang mit Granatellis Showman-Qualitäten: Vierradantrieb, zentraler Tank, eine Mittelmotor-Hubschrauberturbine von Pratt-Whitney, die angeblich 550 PS leistete, befand sich direkt neben dem Fahrer Parnelli Jones. Der Gasturbinenantrieb wird heute vor allem in Fluggeräten und Panzern verwendet. In den 1960er-Jahren hatte die Welt die Hoffnung noch nicht aufgegeben, sie für die Serienproduktion zu verwenden. Turbinen vereinen viel Leistung auf kleinem Raum, aber waren über das Drehzahlband hinweg nicht so effizient und außerdem teuer.

Jones testete das Auto zum ersten Mal ein paar Monate vor dem großen Rennen 1967 in Phoenix und die ersten Eindrücke waren gemischt. "Andy fragte mich, ob ich einen Reifentest in einem Novi (s.u.) fahren könnte und ich fuhr schneller als jemals jemand dort gefahren ist", sagt Jones. "Danach war er immer hinter mir her und wollte, dass ich für ihn fahre."

Geld macht alles möglich

Als er das Turbinenauto gebaut hat, rief er mich an und sagte mir: 'Komm rüber, ich habe etwas, das ich dir zeigen muss.' Da sah ich es das erste Mal. Ich sagte: 'Ich teste mein eigenes Auto etwa nächsten Monat in Phoenix, bring es mal her. Ich werde es mal fahren und dann werden wir sehen, was ich denke. Ich habe immer wieder zwischen meinem eigenen und dem Turbinenauto hin und her gewechselt. Das Turbinenfahrzeug hatte eine enorme Verzögerung bei der Gasannahme - drei Sekunden! Aber je mehr ich es gefahren bin, umso mehr hat es mich gereizt. Aber es war nicht besonders schnell, zumindest nicht schneller als mein eigenes Auto."

Jones war nach dem Test hin und her gerissen, ob er bei seinem eigenen Fahrzeug für das "500" bleiben oder zu Granatelli gehen und die Turbine fahren sollte. "Ich entschied mich schließlich dazu, dass die Entscheidung einzig und allein vom Geld abhängen solle", gibt er zu. "Ich habe mich gefragt: 'Würdest du es für 25.000 Dollar machen? Nein. Für 50.000? Nein. Für 100.000? Okay, ich denke, ich würde das Auto für 100.000 Dollar qualifizieren.' Also sagte ich Andy, dass ich es für 100.000 machen würde und er sagte sofort 'okay'."


Das verrückte Indy 500 1967

Dem Indianapolis 500 von 1967 drückte Parnelli Jones in einem Turbinenfahrzeug den Stempel auf, doch alles kam anders als gedacht Weitere Formelsport-Videos

Granatelli blieb ganz er selbst und hypte das Potenzial des Fahrzeugs im Vorfeld des Rennens. Es sorgte für einige hochgezogene Augenbrauen, als das Auto während der ersten Trainingstage nicht beeindruckte. Eine der größten Herausforderungen bestand darin, die Traktion an der Vorderachse bei der Kurvenfahrt zu wahren. Das Team löste das, indem es mehr Leistung auf die Hinterachse transferierte. Jones gab auch den Anstoß zu einer provisorischen Luftbremse.

"Ich habe Mario Andretti überholt und er zeigte mir den Mittelfinger. Die Sache war gelaufen." Parnelli Jones

"Wenn die Turbine mal richtig auf Touren war und man am Ende der Geraden vom Gas ging, war es, als ob das Gaspedal einfach steckenbleiben würde", sagt er. "Man musste sehr die Bremsen benutzen. Aus diesem Grunde brachte ich sie dazu, einen Flap anzubringen, der an den hinteren Hauptbremszylinder angeschlossen wurde. Wenn ich stark in die Eisen ging, hatte ich wenigstens etwas, das das Heck unten halten würde. Hätte ich die Bremsen am Ende der Geraden verloren, wäre das der sichere Tod gewesen."

Hochkochende Emotionen und ungerechte Vorwürfe

Die wahre Stärke des Fahrzeugs zeigte sich, als alle mit vollen Tanks gefahren sind, weil das vergleichsweise hohe Drehmoment dafür sorgte, dass es weniger Probleme mit 280 Litern Sprit an Bord hatte als alle anderen. "Ich bin am Renntag nicht schneller gefahren", sagt Jones. "Die anderen sind nur alle langsamer gewesen. Dadurch sah es so aus, als hätte ich Sandbagging betrieben. Aber ich hatte keinen Grund dazu; ich hatte das Rennen bereits 1963 gewonnen. Ich bin nur einfach mit einer vollen Spritladung nicht so viel langsamer gewesen wie all die anderen."

Jones qualifizierte sich auf der Außenbahn in der zweiten Reihe. "Als die grüne Flagge geschwenkt wurde, bin ich einfach neben Gordon Johncock auf der Außenbahn geblieben und anschließend an allen vorbeigefahren", erinnert er sich. "Ich habe Mario Andretti überholt und er zeigte mir den Mittelfinger. Die Sache war gelaufen."

Parnelli Jones

Ab 1968 wurden Turbinenfahrzeuge per Handstreich in Indianapolis verboten Zoom

Zumindest hätte es so sein sollen. Jones führte komfortabel, als nur drei Runden vor Schluss ein Sechs-Dollar-Lager den Geist aufgab. Der Defekt wurde später darauf zurückgeführt, dass Jones das Lager überlastet hat, weil er zu stark nach den Boxenstopps beschleunigte. "Ich hätte das nicht einmal tun müssen", sagt er. "Aber ich bin halt nie der intelligenteste Fahrer gewesen." Es war A.J. Foyt, der in jenem Jahr seinen Namen auf die Borg Warner Trophäe eingravieren ließ.

Als Jones für das Rennen im Jahre 1968 eine Invasion von Turbinenfahrzeugen ankündigte, kam es zu Protesten von Fahrzeugbesitzern wegen zu hoher Kosten. Das veranlasste die USAC dazu, den Lufteinlass für Turbinen von 610 auf 406 Millimeter zu beschränken. Mit dieser Veränderung wären die Autos nur mehr 260 km/h gefahren. Turbinen, denen der zweifache Sieger Roger Ward nur wenige Wochen zuvor bescheinigt hat, dass sie Indianapolis übernehmen würden, waren auf der Stelle aus dem Geschäft gedrängt.

Novi in Indy

Während seiner frühen Zeit erlangte der Novi eine Reputation als Motor für Indianapolis, der mit einem Wettessen von scharfen Chicken Wings vergleichbar ist - laut, furchteinflößend, höchstwahrscheinlich Schaden anrichtend und unglaublich beliebt. Unterm Strich hatte er alles, was ein Paket fürs Indy 500 braucht, außer Erfolg. Sein unverkennbarer Jagdflugzeug-Sound machte ihn zu einem Publikumsliebling.

Eines Tages überredete Frank Curtis Novi-Besitzer Lew Welch, auf eine Heckmotor-Anordnung zu wechseln, was dem Roadster ausgesprochen gut stand - der mit einer Finne versehene Kurtis-Kraft Novi gilt noch immer als eines der schönsten Autos, die jemals auf den Brickyard gefahren sind.

Greg Weld, Novi

Die brutalen Novis eroberten die Herzen der Zuschauer Zoom

Eine der besten Chancen, das Rennen zu gewinnen, kam 1958 mit Juan Manuel Fangio am Steuer. Der Argentinier trainierte zusammen mit Raul Russo und mochte die ungeheuerliche Power des aufgeladenen V8 im Vergleich zum BRM V16. Team- und Sponsorenkonflikte verhinderten, dass er das Fahrzeug fahren konnte und weil er mit der angebotenen Alternative nicht glücklich war, nahm er stattdessen am Großen Preis von Frankreich teil. Die Novis kamen auf den Plätzen zehn und 18 in den Händen von Bill Cheesebourg und Russo ins Ziel und konnten sich die nächsten beiden Jahre nicht qualifizieren.

Nach einem letzten Aufbäumen mit Teambesitzer Andy Granatelli, der die Rechte vor dem 1961er-Rennen erworben hatte, verschwand er letztlich 1966 mit einem Crash im Qualifying die Bühne. Ein trauriges, wenn auch verrückt passendes Ende für einen der beliebtesten Motoren, der niemals ein Rennen gewonnen hat.