Erste Tür für Bowyer zu: Ganassi bleibt Zwei-Wagen-Team

(Motorsport-Total.com) - Lange hat es gedauert, doch nun kommt die "Silly Season" in der NASCAR so richtig in Fahrt. Nachdem Michael Waltrip Racing (MWR) am Mittwoch bekanntgegeben hat, in der kommenden Saison nicht mehr auf Vollzeitbasis im Sprint-Cup anzutreten, spricht der (bald ehemalige) Mitbesitzer des Teams, Rob Kauffman, am Freitag in Bristol das aus, was erwartet worden war, nämlich das MWR "2016 den Betrieb mehr oder weniger einstellen wird".

Kauffman bestätigt bei dieser Gelegenheit auch, dass er sich künftig in der Tat dem Team von Chip Ganassi und Felix Sabates anschließen wird. Und er nennt die Gründe, weshalb er diesen Rennstall jenem von Michael Waltrip vorzieht. "Aus Business-Sicht ergibt es einfach keinen Sinn mehr. Es geht nicht, dass man ein Top-10-Budget aufbringt und Top-10-Ressourcen auffährt, dann aber für einen längeren Zeitraum nicht in den Top 10 mitfährt", formuliert der Geschäftsmann zunächst die Begründung für sein Ausklinken bei MWR, wo Brian Vickers im Juli 2013 in Loudon für den bislang letzten Sieg sorgte.

Die NASCAR sieht Kauffman - 51-jähriger Investment-Banker und Hobby-Racer - als "ein Business, das von der Performance getrieben ist". So habe es aus finanzieller Sicht einfach keinen Sinn mehr ergeben, länger in MWR zu investieren. Vom "Spingate"-Skandal im September 2013 in Richmond habe sich das Team nie erholt. "Keine Frage, das war ein heftiger Schlag, der eine umfangreiche Umstrukturierung nach sich zog. 2014 war gewissermaßen ein Jahr des Neuanfangs, auch finanziell. Als die Performance auch Ende Frühjahr 2015 nicht so war, wie sie hätte sein sollen, musste eine Entscheidung her", so Kauffman.

Finanzier Rob Kauffman sattelt um: Ganassi statt Waltrip

Diese Entscheidung sieht so aus, dass der Geschäftsmann mit Faible für den Motorsport seine Dollar-Millionen nicht mehr länger in das Team von Michael Waltrip pumpt. Stattdessen vollzieht er den Wechsel zu Chip Ganassi Racing (CGR), wie er bestätigt. "Ich habe mir verschiedene Optionen angesehen. Chip ist im Rennsport breit aufgestellt", sagt Kauffman und meint damit keineswegs die Leibesfülle von Ganassi, sondern dessen Engagement in der NASCAR, der IndyCar-Serie und der United SportsCar Championship (USCC).

"An der NASCAR finde ich die Öffentlichkeitswirkung interessant. Ich mag aber auch die anderen Motorsportprogramme, die er am Laufen hat, wie das IndyCar-Programm und das Langstrecken-Zeug. Von letzterem dürften die Leute wissen, dass es mir ans Herz gewachsen ist", sagt Kauffman, der seit 2011 je zweimal bei den 24 Stunden von Le Mans und den 24 Stunden von Daytona selbst ins Lenkrad eines in der GT-Klasse gemeldeten Ferrari griff. Als Teamkollegen wusste der Hobby-Racer dabei stets den erfahrenen Portugiesen Rui Aguas neben sich, aber auch seine Waltrip-Kollegen Brian Vickers und Clint Bowyer sowie Michael Waltrip selbst. Fährt er künftig mit Ganassi-Piloten beim Langstreckenklassiker in Daytona?

Ungeachtet des Investments von Kauffman bestätigt Chip Ganassi Racing nun, dass man das NASCAR-Team für die Sprint-Cup-Saison 2016 nicht aufstocken wird. Stattdessen werden auch im kommenden Jahr Jamie McMurray und Kyle Larson als die beiden einzigen Piloten ins Lenkrad greifen. Dies wirft zwangsläufig die Frage auf, wie es mit Clint Bowyer weitergeht. Der ursprünglich bis Ende 2017 gültige Vertrag mit Michael Waltrip Racing wurde einvernehmlich um zwei Jahre gekappt, wie MWR am Mittwoch verlauten ließ. Gleichzeitig ließ Kauffman anklingen, dass auch er künftig nicht mehr mit Bowyer zusammenarbeiten wird.

Zwei Zukunftszenarien für Clint Bowyer

"Meine Zukunft ist momentan unklar", sagt Clint Bowyer am Rande des Bristol-Wochenendes und bestätigt: "Rob hat eine Business-Entscheidung getroffen und im Zuge derer eine andere Richtung einschlagen. Diese heißt Ganassi. Für meine eigene Karriere und Zukunft ist das schade, aber unsere künftigen Wege lassen sich einfach nicht mehr vereinbaren. Darauf haben wir uns gemeinsam verständigt - und zwar auf professionelle Art und Weise. Es gab keine schmutzige Wäsche."

Als mögliche Perspektive für Bowyer zeichnen sich derzeit zwei Szenarien ab. Entweder er dockt zusammen mit seinem langjährigen Hauptsponsor 5-Hour Energy bei Furniture Row Racing an, wo man ernsthaft mit einem Wechsel von Chevrolet zu Toyota kokettiert, ein zweites Auto neben Martin Truex Jr. aber ursprünglich erst für 2017 ins Visier genommen hatte. Dass man nicht schon 2016 aufstocken wollte, wurde stets mit dem Budget begründet. 5-Hour Energy könnte dieses nun unerwartet liefern, wodurch die beiden ehemaligen Waltrip-Teamkollegen Bowyer und Truex Jr. bei Furniture Row wiedervereint werden könnten.

Gegen dieses Szenario spricht, dass sich Toyota - Furniture Rows kolportierter neuer Motorenpartner - in einer am Donnerstag herausgegebenen Pressemitteilung schon mal mehr oder weniger deutlich von Bowyer verabschiedet: "Clint Bowyer war während der vier zurückliegenden Jahre ein wertvolles Mitglied der Toyota Racing Family. Wir werden ihn und das Team von Michael Waltrip Racing bis zum Ende der Saison 2015 weiterhin voll unterstützen. Für die Zukunft wünschen wir allen Beteiligten alles Gute und freuen uns darauf, die Saison um einen Titel kämpfend zu Ende zu bringen."

Das zweite in der Gerüchteküche kursierende Szenario sieht vor, dass Bowyer für ein Jahr bei HScott Motorsports geparkt wird. Das Team von Harry Scott tritt mit Chevy-Power an und steht auf der erweiterten Kundenliste von Hendrick Motorsports. Dass Bowyer dort für ein Jahr (wohl an der Seite des bisherigen Nummer-eins-Fahrers Justin Allgaier) fahren könnte, hätte laut bisher vollkommen unbestätigten Gerüchten die mögliche Konsequenz, dass er zur Saison 2017 ins Hendrick-Kundenteam Nummer eins aufsteigen könnte: Stewart/Haas Racing.

Beim dortigen Vier-Wagen-Team läuft der Vertrag von Kevin Harvick bis Ende 2016, jener von Danica Patrick wurde in dieser Woche um mehrere Jahre verlängert. Mit Kurt Busch, dessen Kontrakt Ende 2015 ausläuft, steht man kurz vor der Bekanntgabe einer Verlängerung. Vorausgesetzt, dass Harvick nicht Ende 2016 das Weite sucht, bliebe für Bowyer nur das Cockpit von Teammitbesitzer Tony Stewart. Sollte "Smoke" nur ein Jahr nach Jeff Gordon seinerseits seine NASCAR-Abschiedstour fahren? Ein Fünf-Wagen-Team auf Vollzeitbasis wird es jedenfalls nicht geben, weil dies seit 2010 laut dem Sportlichen NASCAR-Reglement verboten ist.

Fest steht derzeit nur so viel: Die "Silly Season" der NASCAR hat angefangen...