Pack-Racing in Fontana: Lob, Kritik und die nächsten Schritte

Die Meinungen der IndyCar-Piloten nach dem dramatischen Fontana-Rennen sind gespalten - IndyCar-Chef Mark Miles gesteht: Racing enger als erwartet

(Motorsport-Total.com) - Das über 250 Runden gehende IndyCar-Rennen in Fontana brachte am vergangenen Samstag und während der Folgetage gemischte Reaktionen hervor. Während einige Piloten, wie etwa der amtierende IndyCar-Champion Will Power, das Pack-Racing beim MAVTV 500 auf dem kalifornischen Zwei-Meilen-Oval scharf kritisierten und sich an das tragische Las-Vegas-Rennen 2011 erinnert fühlten, waren andere, wie etwa Ed Carpenter, hellauf begeistert.

Titel-Bild zur News: Pack-Racing in Fontana mit Juan Pablo Montoya und Tony Kanaan an der Spitze

So eng ging es in Fontana nicht nur nach den Restarts, sondern ständig zu Zoom

"Ich liebe enges IndyCar-Racing", twitterte Carpenter. Was dem Fahrer und Teammitbesitzer bei CFH Racing jedoch sauer aufstieß, war die Kritik von einigen seiner Kollegen. "Ich hasse es, wenn Fahrer eine Rennserie schlechtreden. Wer Rennen fahren will, soll Rennen fahren. Wer das nicht will, der soll zurücktreten", so Carpenters Aufruf via Twitter.

Tony Kanaan, der das aufgrund des Überschlags von Ryan Briscoe unter Gelb zu Ende gegangene MAVTV 500 hinter Sieger Graham Rahal auf Platz zwei beendete, fand den Rennverlauf "für die Fans sicher aufregend, für uns Fahrer war es aber eine Spur zu verrückt".

Kanaan umschrieb das Racing unmittelbar nach dem Fallen der Karierten Flagge wie folgt: "Ich versuchte während des gesamten Rennens an oder in der Nähe der Spitze zu bleiben, um mich aus Schwierigkeiten herauszuhalten. Das Racing war enger als wir erwartet hatten. Letzten Endes haben wir alle überlebt. Es war ein langer und stressiger Tag, der zum Glück unter Gelb zu Ende gegangen ist."


Fotos: IndyCar in Fontana


Dass ein Racer wie Kanaan ein Finish hinter dem Pace-Car als Erleichterung empfindet, sagt viel über seinen Gemütszustand während des dreistündigen Rennens aus. "Wir hatten mehr Abtrieb als in den vergangenen zwei oder drei Jahren. Das war dann eben das Ergebnis davon. Mit mehr Abtrieb kann man verschiedene Linie fahren. Wenn man verschiedene Linien fahren kann, dann entsteht Pack-Racing", so Kanaans Beschreibung.

IndyCar-Piloten machen ihrem Ärger öffentlich Luft

Der Viertplatzierte Juan Pablo Montoya verwies darauf, dass man in der Vergangenheit in Fontana "nur für etwa drei Runden lang die untere Linie halten konnte, während man diesmal selbst am Ende eines Stints auf allen möglichen Linien Vollgas fahren konnte". Die Forderung des IndyCar-Tabellenführers mit Blick auf die kommenden Wochen: "Sie müssen lernen, dass wir auf den kurzen Ovalen, wo die beiden kommenden Rennen stattfinden, nicht mehr Abtrieb brauchen als im vergangenen Jahr." Stand heute kommen sowohl auf der Milwaukee Mile (12. Juli) als auch auf dem Iowa Speedway (18. Juli) nicht die Speedway-Kits, sondern angepasste Varianten der Aero-Kits für die Rundstrecken zum Einsatz.

"Wir haben ihnen schon gesagt, dass es sonst gefährlich wird. Seitens IndyCar wird nichts dagegen unternommen, aber die Fahrer sprechen eben auch nicht mit den Verantwortlichen", bemerkt Montoya. Der viermalige IndyCar-Champion Dario Franchitti hat dafür eine einfache Erklärung. Der Schotte verweist darauf, dass die Bedenken der Fahrer von IndyCar-Chef Mark Miles und Co. ohnehin erhört werden und die Piloten somit versuchen, sich in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen.

"Seitens IndyCar wird nichts dagegen unternommen, aber die Fahrer sprechen eben auch nicht mit den Verantwortlichen." Juan Pablo Montoya

IndyCar-Chef Mark Miles will angesichts der in Fontana öffentlich geäußerten Kritik künftig härter durchgreifen. "Was mir nicht gefallen hat, war das Verhalten einiger unserer Teilnehmer. Ich finde, mit ihren öffentlichen Statements sind sie ein bisschen zu weit gegangen. Deshalb glaube ich, dass wir konsequenter sein müssen und es nicht zulassen dürfen, dass einzelne Personen den Wert unseres Sports gefährden", so Miles in einer öffentlichen Fragerunde im Nachgang zum Fontana-Rennen.

IndyCar-Chef gesteht: Racing in Fontana enger als erwartet

Während Power, Montoya und Kanaan die Riege derjenigen Piloten anführen, die das Plus an Abtrieb bei den Ovalrennen scharf kritisieren, gehört Fontana-Sieger Graham Rahal zur Gruppe der Piloten, die sich mit den jüngsten Entwicklungen durchaus anfreunden können.

"Wir waren schon mal an dem Punkt, dass wir den Abtrieb soweit reduziert hatten, dass keine vernünftigen Rennen mehr möglich waren. Es gab Single-File-Racing, bei dem die Fahrer einfach hinter dem Führenden herfuhren. Ich glaube nicht, dass die Rennen so eng sein müssen wie es nun der Fall war, aber wenn es so einfach gewesen wäre, wie einige Fahrer behaupten, dann hätten sie mich ja schlagen können. Ich kann nur sagen, es war alles andere als einfach", so Rahal.

Mark Miles

Mark Miles: "Sind hinsichtlich des Abtriebs vielleicht einen Schritt zu weit gegangen" Zoom

IndyCar-Chef Miles fand das Rennen "fesselnd, voller Adrenalin und es war schwer, sich davon abzuwenden. Zwischenzeitlich konnte man kaum hinschauen, so aufregend war es". Für das Pack-Racing hat Miles zwei Erklärungen: "Die eine ist, dass wir hinsichtlich des Abtriebs vielleicht einen Schritt zu weit gegangen sind. Die andere ist, dass die Temperaturen am Renntag deutlich niedriger waren als erwartet. Das wirkt sich natürlich auf das Fahrverhalten aus."

Welche Konsequenzen werden gezogen?

"Ich habe gehört, dass die Leute darüber debattieren, ob es nun Pack-Racing war oder nicht. Doch was heißt das überhaupt?", fragt Miles und versucht sich in einer Erklärung: "Einige Leute sind der Meinung, dass es kein Pack-Racing war, weil es verschiedene Linien gab. Andere verweisen darauf, dass die Autos auf engstem Raum unterwegs waren und es deshalb Pack-Racing war."

"Die eigentliche Frage, die wir uns stellen müssen, lautet doch: War es zu gefährlich?", kommt der IndyCar-Chef auf den Punkt und hält fest: "Gefahr ist ein Teil unseres Sports. Wie schon gesagt, ging es im Rennen etwas enger zu als wir erwartet hatten. Das lag zum Teil an der Aero-Spezifikation und zum Teil daran, dass es zehn Grad kühler war als erwartet."

"Die eigentliche Frage, die wir uns stellen müssen, lautet doch: War es zu gefährlich?" IndyCar-Chef Mark Miles

So kommt Ganassi-Pilot Kanaan zum Schluss, dass "niemand die Schuld daran trägt", denn: "Wir können nicht sagen, ob wir das richtige oder falsche Aero-Paket ausgewählt haben, denn es war für uns alle neu." Beim vorangegangenen Rennen auf dem Texas Motor Speedway war es laut Kanaan "okay, aber gleichzeitig gab es viel Kritik, weil das Rennen langweilig gewesen sei. Ich wünsche mir ein einfach, dass wir für die Zukunft einen Kompromiss finden, der beide Seiten zufriedenstellt".

Beim Rennen am 23. August auf dem Pocono Raceway rechnet Kanaan aufgrund der dortigen Streckencharakteristik (maximale Kurvenüberhöhung von 14 Grad und das in nur einer der drei Kurven) nicht mit Pack-Racing. "Ich glaube, die beiden Strecken, auf denen es wirklich eng zugehen kann, sind in Texas und hier zu finden", so der Brasilianer mit Verweis auf den Texas Motor Speedway in Fort Worth und den Auto Club Speedway in Fontana. "Diese beiden Strecken liegen nun hinter uns. Deshalb muss es uns darum gehen, für das kommende Jahr eine Lösung zu finden."

Tony Kanaan

Ganass-Pilot Tony Kanaan wünscht sich für 2016 ein anderes Aero-Paket Zoom