powered by Motorsport.com
  • 25.05.2015 22:04

  • von Pete Fink

Venray: NASCAR-Ovalfeeling in Europa

Die europäische NASCAR-Serie fuhr am Wochenende erstmals auf einem echten Oval: Viel Lob für Venray - und einen Doppelsieger aus Österreich

(Motorsport-Total.com) - Er liegt nur einen Steinwurf entfernt von der deutschen Grenze, umgeben von viel Landschaft und jeder Menge Pferdegestüter. Und um Pferdestärken geht es auch auf dem Raceway Venray, einem kleinen, schnuckeligen Halb-Meilen-Oval in den Niederlanden, das einem tatsächlich einen kräftigen Hauch NASCAR-Atmosphäre mitten in Europa vermitteln kann. Am Pfingstwochenende war dort erstmals die NASCAR Whelen Euro-Serie zu Gast, der offizielle europäische Ableger der NASCAR. Und um es kurz zu machen: Es war ein rundum gelungenes Debüt.

Titel-Bild zur News: NASCAR Euro Serie Venray

Venray: Start zum Oval-Racing in der NASCAR-Europameisterschaft Zoom

Für die Euro-Serie war es das Event, wofür die NASCAR eigentlich stehen sollte: Oval-Racing, also keine Rundstrecken, was mangels Anlagen in Europa nicht ganz einfach ist. Und der niederländische Short-Track, etwa 30 Kilometer nördlich von Venlo, braucht sich dabei wirklich nicht zu verstecken. Eine Kurvenüberhöhung von bis zu 24 Grad (Stichwort: progressives Banking), Side-by-Side-Racing und angenehm klingende V8-Motoren. Es war durchaus wie eine Miniaturausgabe zum Beispiel vom Bristol Motor Speedway. Nur eben, und wer will da irgendeine Art von Kritik üben, ein paar Nummern kleiner als in den USA. Dafür aber mit jeder Menge Ambiente.

Leider erhielt die Vorfreude der zahlreichen deutschen NASCAR-Fans bereits am Freitagabend einen herben Dämpfer, als Stefan Oberndorfer um kurz nach 18 Uhr erfuhr, dass er am Wochenende nicht wie geplant im DF1-Auto mit der Startnummer 77 Platz nehmen durfte. Hintergrund war die Lizenz-Thematik. Das Geschmäckle an dieser Sache: Die Offiziellen der NASCAR Euro-Serie hatten Oberndorfers Papiere bereits zwei Wochen lang zum Check vorliegen und an einem Freitagabend vor dem Pfingstwochenende ist es einfach unmöglich, die nötigen Lizenzen bis Samstagmorgen zum Trainingsbeginn um 9 Uhr beizubringen.

Die Situation hatte zudem einen kräftigen Hauch Ironie: Der 56-jährige Münchner ist seit Jahren immer wieder auf diversen US-amerikanischen Speedways unterwegs und verfügt mit Sicherheit über wesentlich mehr Oval-Erfahrung als das komplette Starterfeld der europäischen NASCAR-Piloten zusammen. Auch in Venray fuhr Oberndorfer bereits ein Late-Model-Wochenende, doch all dies war scheinbar nicht genug. Und so richtig darum gekümmert, dass endlich auch einmal ein deutscher Fahrer in der NASCAR-Europameisterschaft antritt, hat sich von Seiten der Offiziellen auch niemand. Schade eigentlich.

Doppelsieger aus Österreich

Jerome Galipn Philipp Lietz

Europa-Serienchef Jerome Galpin und Doppelsieger Philipp Lietz Zoom

So kam es in den Freien Trainings, wie es eigentlich zu erwarten war: Oval-Racing auf einem Speedway mit progressivem Banking ist eben eine ganz eigene Wissenschaft, was dazu führte, dass nach den ersten Übungseinheiten ein Drittel des Feldes mit teilweise heftig onduliertem Material zurecht kommen musste. Am Schlimmsten erwischte es das kleine italienische Monforte-Team, das nach zwei heftigen Einschlägen mit einem krummen Rahmen quasi gar nicht zum Fahren kam. Übrigens trotz tatkräftiger Fan-Unterstützung, als man kurzerhand Freizeitjacke und Heineken mit Blaumann und Schraubenschlüssel tauschte.

Nicolo Rocca (Caal) und Lokalmatador Anthony Kumpen (PK Carsport) hießen die Sieger der beiden Elite-1-Rennen. Kumpen hätte vermutlich auch das Samstagsrennen gewonnen, aber dabei kam ihm genau der Crash in die Quere, der schlussendlich auch der Gnadenschuss für das Monforte-Auto war. Die Elite-2-Klasse befand sich hingegen ganz in österreichischer Hand: Philipp Lietz (GDL) gewann von der Pole-Position aus mit kluger Rennstrategie beide Rennen. Für Lietz war es tatsächlich das allererste echte Oval-Wochenende. Wächst da vielleicht ein neues NASCAR-Talent heran?

Übrigens: Auch die NASCAR schickte unter der Führung von Vize-Präsident George Silberman eine hochdekorierte Abordnung nach Venray. Silberman war nicht der einzige, der sich vom Ambiente durchaus angetan zeigte: "Das erinnert mich alles stark an Irwindale", sagte er gegenüber 'Motorsport-Total.com'. Was durchaus als Lob zu verstehen ist, denn das kalifornische Irwindale ist ein völlig amtlicher Short-Track, auf dem in den vergangenen Jahren unter anderem bereits der Toyota-Allstar-Showdown ausgetragen wurde.

Das Venray-Fazit: Wenn der StockCar-Sport in Europa wirklich Fuß fassen möchte, dann braucht es dringend noch einige weitere Anlagen wie Venray. Kleine Ovale also, die als Fundament all das bieten können, was in den USA seit Jahrzehnten Normalität ist. Speedways, die auch das Potenzial haben, um mit einem zunehmenden Interesse seitens der breiten Masse an Motorsport-Fans mitwachsen zu können. Und die europäische NASCAR-Serie ist definitiv ein entscheidend wichtiger Baustein in diesem Konstrukt.