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Daniel Abt nach erstem IndyCar-Test: "Es war megageil"

Daniel Abt blickt ausgesprochen gut gelaunt auf seinen ersten IndyCar-Test für Andretti Autosport im Barber Motorsports Park zurück - Was bringt die Zukunft?

(Motorsport-Total.com) - Am Montag dieser Woche war es für Daniel Abt soweit. Im Barber Motorsports Park stand für ihn der erste IndyCar-Test an - und bei diesem ist der 21-jährige Deutsche auf den Geschmack gekommen. "Es war megageil, eine echt coole Erfahrung", strahlt Abt kurz vor seinem Rückflug nach Deutschland im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'.

Titel-Bild zur News: Daniel Abt

Daniel Abt stieg im Barber Motorsports Park erstmals ins IndyCar-Cockpit Zoom

Es war eines der absoluten Topteams, für die Abt bei seinen ersten IndyCar-Gehversuchen ins Lenkrad griff. Der GP3-Vizemeister von 2012, dessen Hauptaufgabengebiet seit 2013 die GP2-Serie ist, saß im weiß/blauen Andretti-Boliden mit der Startnummer 27, der in der abgelaufenen Saison vom inzwischen in Richtung Sam Schmidt abgewanderten Kanadier James Hinchcliffe pilotiert wurde. "Coole Leute und ein cooles Team, es hat wirklich Spaß gemacht", so Abt nach seinem ersten Testtag für Andretti Autosport.

Neben dem gebürtigen Kemptener, der einen Tag lang Einzelkämpfer bei Andretti war, testeten am Montag im Barber Motorsports Park auch die erfahrenden IndyCar-Piloten Josef Newgarden und J.R. Hildebrand. Sie griffen für CFH Racing, den kürzlich aus Ed Carpenter Racing und Sarah Fisher Hartman Racing fusionierten "neuen" Rennstall ins Lenkrad. Doch während Newgarden und Hildebrand der Kurs wohlvertraut ist, waren die 3,83 Kilometer mit ihren 15 Kurven für Abt absolutes Neuland.

Ungeachtet des Erfahrungsnachteils, der sich natürlich nicht nur auf die Strecke, sondern auch auf das Auto bezog, schlug sich der IndyCar-Grünschnabel aus Kempten prächtig. "Es ist alles gutgegangen. Das Auto ist noch ganz.", berichtet Abt nach einem strammen Testprogramm von 95 Runden auf der anspruchsvollen Berg-und-Talbahn im US-Bundesstaat Alabama und grinst: "Ich spüre jetzt noch Arme, Nacken, einfach alles. Nach 95 Runden auf fünf Satz Reifen weiß man dann schon, was man getan hat."


Daniel Abts erster IndyCar-Test

Im Hinblick auf die Streckenführung schoss sich der Deutsche vorab im Dallara-Simulator in Indianapolis ein. "Das war auf jeden Fall extrem hilfreich", blickt der 21-Jährige zurück. "Der Simulator von Dallara gehört zu den wirklich guten, sowohl was das Streckenmodell betrifft als auch die Art und Weise, wie er sich bewegt." Das bei den "Trockenübungen" in Indianapolis erlangte Feedback sei rückblickend betrachtet "sehr akkurat" gewesen.

"Das Wichtigste im Simulator ist, dass man die Strecke kennenlernen kann", weiß Abt. Dabei geht es nicht nur ums reine Einprägen des Layouts, sondern auch darum, "ein Gefühl für die Geschwindigkeit zu kriegen, sodass man damit am Anfang nicht ewig Zeit verschwendet", wie der 21-Jährige betont. Mit den Gegebenheiten der Berg-und-Talbahn in Birmingham soweit vertraut, dass er loslegen konnte, war der IndyCar-Debütant auf den Unterschied zum gewohnten GP2-Boliden gespannt.

Viel Lob für die Firestone-Reifen

Nach seinen knapp 100 Runden kommt Abt zum Schluss: "Vom Speed her ist das Auto nur einen Ticken schneller als ein GP2-Auto und auch die Beschleunigung ist vergleichbar. Auch vom Downforce her ist es ähnlich wie ein GP2." Dennoch erkennt der Deutsche beim Schildern der Fahreindrücke des Dallara DW12 mit dem 2,2-Liter-V6-Twin-Turbo von Honda einen wesentlichen Unterschied zu seinem gewohnten Arbeitsgerät, dem Dallara GP2/11 mit 4-Liter-V8-Saugmotor von Mecachrome. "Das Auto lässt sich unglaublich gut fahren", stellt der Neuling dem DW12 ein positives Zeugnis aus. Auch die Bremsen haben es dem jungen Deutschen angetan: "Sie funktionieren sehr, sehr gut. Es hat wirklich Spaß gemacht, das Auto zu fahren."

Daniel Abt

95 Runden drehte Abt im Andretti-Auto, das 2014 von James Hinchcliffe pilotiert wurde Zoom

Nicht nur mit der Charakteristik des Autos, auch mit den Reifen hat sich der ohne jede IndyCar-Erfahrung angetretene Kemptener sofort angefreundet. "Man fährt raus und die Reifen haben sofort Grip. Sie haben auch nicht so einen extremen Verschleiß. Man muss nicht immer wieder Cool-Down-Laps einlegen, um den Reifen zu schonen. Es macht richtig Spaß, mal wieder einen Reifen zu haben, den man wirklich komplett ausreizen kann und bei dem man sich keine Gedanken über das Temperaturfenster machen muss. Man fährt halt einfach solange, bis man umfällt", lobt der Deutsche die standhaften IndyCar-Gummis von Firestone.

Seine 95 im Barber Motorsports Park zurückgelegten Runden drehte Abt allesamt auf den härteren Blacks. Die Reds von Firestone standen beim ersten Test nicht zur Verfügung, doch daran stört sich der GP2-Pilot, der zudem in der Formel E ins Lenkrad greift, überhaupt nicht: "Es ging einfach darum, grundsätzlich ein Gefühl zu bekommen. Ich hatte fünf Satz Reifen zur Verfügung. So konnte ich also ein paar Mal mit frischen Reifen losheizen."

Erste Setup-Arbeit und die Frage, wie es weitergeht

"Wir haben dann auch relativ schnell angefangen, das Setup zu verändern", berichtet der auf den Geschmack gekommene IndyCar-Debütant. Dabei ging es weniger um ein Drücken der Rundenzeit als vielmehr darum, den Andretti-Ingenieuren die Gewissheit zu geben, dass jemand im Auto sitzt, der sein Handwerk versteht: "Das Team wollte natürlich sehen, ob ich eine Ahnung habe von dem, was ich da mache. Zum anderen fängt man als Fahrer nach dem Einschießen ohnehin an, zu sagen 'Komm, lass uns hier mal das und dort mal das probieren.'"

Daniel Abt

Die Freude steht Abt nach seinem ersten IndyCar-Test ins Gesicht geschrieben Zoom

Einen weiteren Test schließt Abt nach der erfolgreichen Feuertaufe im Barber Motorsports Park nicht aus. Festgezurrt ist diesbezüglich aber noch nichts. "Klar, das Thema IndyCar reizt mich schon sehr. Das war auch der Hintergrund dieses Tests. Ich wollte einfach mal das Auto und das Team kennenlernen", sagt er und zieht nach dem "ersten Schritt, um sich mal zu zeigen", Bilanz: "Man wird sehen, was daraus entsteht. Die Frage ist jetzt natürlich, wie die Planung beim Team selbst aussieht." Ryan Hunter-Reay, Marco Andretti und Carlos Munoz sind gesetzt. Als möglicher Nachfolger für den abgewanderten Hinchcliffe gilt der Brite Justin Wilson. Doch auch die Option eines fünften Andretti-Boliden ist noch nicht vom Tisch. Eine Chance für Abt?

Bezüglich seiner eigenen Planung könnte sich der 21-jährige Deutsche die USA jedenfalls sehr gut als neuen Lebensmittelpunkt vorstellen. "Ich war jetzt schon ein paar Mal hier und habe es immer sehr genossen. Mir gefällt der ganze Lifestyle", so der gebürtige Kemptener, dem vollkommen klar ist: "Wenn man sich für die IndyCar-Serie entscheidet, dann kann man nicht immer zwischen Deutschland und den USA hin und herpendeln."

Ehrfurcht vor den Ovalen

Eines gibt Abt klar zu verstehen: "Für mich ist die IndyCar-Serie eine attraktive Serie, und zwar in allen Aspekten. Wenn es da eine Chance gibt, warum soll ich die nicht nutzen?" Auf Stadtkursen, wie sie auch im noch nicht endgültig verabschiedeten IndyCar-Kalender der Saison 2015 zu einem nicht unwesentlichen Teil vorhanden sein werden, fühlt sich der GP2- und Formel-E-Pilot schon jetzt pudelwohl: "Das hat mir schon immer gelegen. Ich habe es immer schon genossen, auf Stadtkursen zu fahren. Umso besser, wenn es dann viele davon im Kalender gibt."

Doch Stadtkurse, wie sie Abt aus der Formel E, und permanente Rennstrecken, wie er sie aus der GP2-Serie kennt, sind bekanntlich zwar ein großer Teil des IndyCar-Kalenders, aber eben nicht alles. Die übrigen Rennen werden auf Ovalen ausgetragen und vor denen hat Abt schon jetzt großen Respekt.

Daniel Abt

Abt ist klar: Ovalfahren ist weit mehr als "nur ein bisschen im Kreis fahren" Zoom

Der 21-Jährige spricht sogar von "Ehrfurcht" und geht ins Detail: "Das klassische Bild vom 'ein bisschen im Kreis fahren' teile ich nicht. Ich glaube schon, dass das echt tough ist und man sich da nicht einfach mal eben reinhockt und allen davonfährt. Da muss man sich auf jeden Fall erst einschießen und viel lernen. Andere haben es aber auch schon gemeistert. Deswegen denke ich, mit ein bisschen Übung sollte es schon gehen." Die erfolgreichsten Oval-Bändiger aus dem Stand: Nigel Mansell und Juan Pablo Montoya, die in ihrer jeweils ersten IndyCar-Saison (1993 beziehungsweise 1999) auf Anhieb Champion wurden.

Bezüglich eines Ovaltests ist für Abt derzeit noch nichts geplant. Von Zeitdruck kann aber keine Rede sein, schließlich sind gerade einmal zwei von sechs Monaten IndyCar-Winterpause vorüber. Über die Formel E, die er im Team von Vater Hans-Jürgen Abt bestreitet, bleibt Daniel Abt auch während der kommenden Wochen mit Michael Andretti in Kontakt. Schließlich hat der Teambesitzer von Andretti Autosport nicht nur in der IndyCar-Serie, sondern auch in der neuen Elektrorennserie der FIA ein Team am Start. "Es ist nicht so, dass ich jetzt nach Hause fliege und wir keinen Kontakt mehr haben. Wir werden auf jeden Fall weiterhin in Kontakt bleiben", versichert Abt nach seinem ersten Testtag.

Eine Postkarte aus Bayern?

Am Montag im Barber Motorsports Park tat das Andretti-Team jedenfalls schon mal alles, um Abt direkt beim ersten Test ein Heimatgefühl zu vermitteln. So waren sowohl auf den Seitenkästen als auch am Heckflügel des Boliden schwarz/rot/goldene Design-Elemente zu sehen. Dass die Grundfarben des Autos Weiß/Blau und damit die Farben seiner Heimat Bayern waren, sei aber nur Zufall gewesen, wie Abt betont: "Das kommt natürlich von meinem Vorgänger James Hinchcliffe, der in diesem Jahr ein weiß/blaues Auto gefahren hat."

Daniel Abt

Der Andretti-Bolide mit der 27 mit neuen Design-Elementen in Schwarz/Rot/Gold Zoom

"Natürlich haben sie das Auto nicht extra neu lackiert. Sie haben einfach die Basic-Lackierung genommen und, um ein bisschen was hinzufügen, das mit der deutschen Flagge gemacht. Das hat eigentlich ganz gut gepasst", findet der Deutsche und erteilt einem bewusst konzipierten Bayern-Design lächelnd eine Absage: "Ich glaube, sie wissen gar nicht, wie die bayrische Flagge aussieht."

Vielleicht hat Daniel Abt bei einem möglichen zweiten Andretti-Test eine Postkarte mit Flagge und Sehenswürdigkeiten seiner Heimat im Handgepäck...