• 14.04.2014 02:07

  • von Pete Fink

Von 17 auf 1: Conway siegt im Long-Beach-Krimi - Montoya P4

In der 40. Auflage des Long-Beach-Klassikers war alles drin: Mike Conway siegt von Startplatz 17, Montoya mit starkem P4 - und jede Menge Rennfahrerphilosophie

(Motorsport-Total.com) - Long Beach hat in seiner Vergangenheit schon oft für Schlagzeilen gesorgt und warum sollte es in der 40. Auflage anders kommen? Im zweiten IndyCar-Saisonrennen (hier die Chronologie) war alles drin: Ein dominantes Andretti-Duo, das sich (und andere) zu ungeduldig aus dem Rennen nimmt, ein zockender Titelverteidiger Scott Dixon (Ganassi-Chevrolet; 12.), der unbelohnt bleibt und am Ende ein Sieger, der von Startplatz 17 (!) aus gewinnt. Die Rede ist von Mike Conway im Carpenter-Chevrolet.

Titel-Bild zur News: Mike Conway

Mike Conway gewinnt nach 2011 sein zweites Long-Beach-Rennen Zoom

Natürlich gab es noch viele weitere Höhepunkte, wie zum Beispiel eine blitzsaubere Fahrt von IndyCar-Rückkehrer Juan Pablo Montoya, der mit einer Zwei-Stopp-Stragtegie von Startplatz 16 auf P4 nach vorne fuhr. Oder das private Scharmützel der beiden alten ChampCar-Teamkollegen Will Power (Penske-Chevrolet; 2.) und Simon Pagenaud (Schmidt-Honda; 5.), deren Freundschaft sich nun auf dem Prüfstand befindet, wobei sich sogar Übeltäter Power darüber wunderte, dass er ohne Strafe davonkam.

Oder die Rempelei zwischen Dixon und Justin Wilson (Coyne-Honda; 16.), die im Kampf um Platz eins geschah. Oder der dritte Rang von IndyCar-Rookie Carlos Munoz, der damit der beste Andretti-Pilot war, und sich in seinem erst fünften IndyCar-Rennen schon zum zweiten Mal über eine Podestplatzierung freuen durfte. In Erinnerung bleiben, wird Long Beach anno 2014 aber in erster Linie durch die haarsträubende Aktion von Ryan Hunter-Reay in Runde 56.

Was war passiert? Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das Andretti-Duo Hunter-Reay (20.) und James Hinchcliffe (21.) klar dominiert. Einzig Fisher-Youngster Josef Newgarden (19.) konnte dem schnellen Andretti-Doppel folgen und packte eine clevere Tankstrategie aus: Newgarden blieb eine Runde länger draußen und kam direkt vor Leader Hunter-Reay zurück auf die Strecke. Dann nahm das Unheil seinen Lauf.

Geduld ist eine Tugend ...

Der IndyCar-Champion von 2012 griff Newgarden sofort an und es krachte. Direkt dahinter konnte Hinchcliffe nicht mehr ausweichen und knallte in die beiden Kontrahenten. Während sich an der Box die ungläbigen Team-Bosse Michael Andretti und Sarah Fisher die Haare rauften, krachten zu allem Überfluss noch Tony Kanaan (Ganassi-Chevrolet; 18.), Takuma Sato (Foyt-Honda; 20.) und Rookie Jack Hawskworth (Herta-Honda; 15.) in die Unfallstelle.

Ryan Hunter-Reay, James Hinchcliffe

Ryan Hunter-Reay und James Hinchcliffe: Binnen Sekunden alles weg ... Zoom

Durch dieses Chaos war die Strecke quasi blockiert und der Schuldige schnell gefunden: "Das ist einfach nur schade", monierte Opfer Newgarden zurecht, denn "das war garantiert nicht mein Fehler." Hunter-Reay versuchte sich in einer zarten Verteidigung: "Newgarden hatte kalte Reifen und die drehten durch. Ich habe meine Chance gesehen und bin aufs Ganze gegangen. Dann hat er die Türe zugemacht und nun werden wahrscheinlich viele Leute sagen, dass es mein Fehler war."

Dann wurde es fast philosophisch: "Vielleicht war es auch mein Fehler, denn ich hätte geduldiger sein können. Und ich muss mich bei allen anderen entschuldigen, die durch diesen Stau aus dem Rennen genommen wurden." Unter anderem auch sein Teamkollege Hinchcliffe, der die fragliche Situation in seiner ureigenen Art und Weise kommentierte: "Manchmal ist die Geduld eine Tugend und heute gab es jemand, der ungeduldig war."


IndyCars in Long Beach

Dieser Massencrash änderte natürlich das Renngeschehen komplett: Dixon und Wilson hatten ihre Stopps schon ein paar Runden zuvor erledigt, und hatten folglich nichts damit zu tun. Power, Conway, Munoz und auch Montoya gelang es, ohne Schaden durch das Kuddelmuddel zu kommen. Beim Restart räumte Dixon Wilson ab ("Sorry, ich habe Justin nicht gesehen"), während sich Conway an Power vorbeizwängte. Das war der letztlich entscheidende Move, aber das konnte zu diesem Zeitpunkt noch keiner wissen.

Wenn die Freundschaft auf dem Spiel steht

Denn Dixon war vorne auf alten Reifen unterwegs und hatte nach seinem frühen Stopp trotz aller Gelbphasen nicht genug Sprit sparen können. Als der Neuseeländer kurz vor Schluss zum Tanken ging, war die Entscheidung gefallen: Conway darf sich nun Long-Beach-Doppelsieger nennen, der zweitplatzierte Power hat nach seinem St-Pete-Sieg jetzt einen riesigen Vorsprung in der Gesamtwertung und Munoz fuhr als Rookie auf das Podium.

Will Power

Will Power: Kompromisslos von Startplatz 14 auf das Podium Zoom

"Ich kann das alles noch gar nicht glauben", freute sich der Sieger. "Ich habe von Runde eins an Vollgas gegeben und mich einfach durchgekämpft." Doch er gab auch offen zu, dass er Leader Dixon wohl nicht mehr überholen hätte können: "Auch ich musste etwas Sprit sparen und kam nicht mehr in Schlagdistanz. In gewisser Weise ist das ein Geschenk, das ich gerne annehme." Er und sein Teamchef Ed Carpenter, für den sich das Conway-Engagement für alle Nicht-Ovale bereits ausgezahlt hat.

Power ärgerte sich indes darüber, dass er beim letztlich entscheidenden Restart gegen Conway "ohne Push-to-Pass-Knopf" angefahren war und entschuldigte sich bei Kumpel Pagenaud für den Umdreher in Runde 31: "Ich habe gedacht, dass er irgendein Problem wie einen Plattfuß hatte, weil er so langsam war. Es tut mir sehr leid, aber ich bin aufs Ganze gegangen und wundere mich, dass ich nicht bestraft wurde. Wenn er jetzt sauer auf mich ist, dann hat er vollkommen recht."


Die Höhepunkte von Long Beach

Pagenaud seinerseits rettete mit einem starken Schlussspurt wenigstens Rang fünf und gab sich lediglich süß-sauer: "Es ist ja klar, was passiert ist, aber ich möchte mich nicht beschweren. Es war ganz einfach nicht okay und hat unser Rennen ruiniert." Und angesprochen auf Powers Erklärung: "Ja klar, wir fahren ein Rennen, es gibt Grün und ich bin langsam. Das ist alles gut für ihn." Und fügte mit einem geqälten Grinsen hinzu: "Wir waren einmal Freunde."

Montoya: Die Lektion gelernt

Dem Massencrash konnte der zu diesem Zeitpunkt auf P4 fahrende Power übrigens deswegen ausweichen, "weil ich das Ganze schon kommen sah. Ich war auf ein bisschen Chaos vorbereitet und konnte daher noch reagieren." Seine Gratulation an Conway: "Er ist ein verdienter Sieger und für uns war Platz zwei ein guter Tag." Zur Erinnerung: Auch Power startete von P14 aus ungewöhnlich weit hinten.

Juan Pablo Montoya

Juan Pablo Montoya holt im zweiten Rennen ein Top-Resultat Zoom

Dixon gab unterdessen Aufklärung über seinen späten Stopp, der ihn von P1 auf P12 spülte: "Es war klar, dass mir Benzin für eine halbe Runde fehlte und ich hatte keine Lust, direkt vor der jagenden Meute auszurollen. Es war ein großartiges und aufregendes Rennen, aber mit einem Minus von einer halben Runde durchfahren zu wollen, war mir etwas zu ehrgeizig."

Das Schlusswort gebührt Juan Pablo Montoya, der gleich im zweiten Comeback-Rennen ein Top-Resultat holen konnte: "Das haben wir auch gebraucht", freute sich der Kolumbianer. Entscheidend war sein Ausweichmanöver bei der Massenkarambolage, wo es um wenige Zentimeter ging: "Es kam Gelb, ich bin ein wenig vom Gas gegangen und danach habe ich nur noch alles versucht, um dem Unfall vor mir auszuweichen." Was ihm um Haaresbreite gelang.


Visor-Cam: Eine Long-Beach-Runde mit Simon Pagenaud

Grundsätzlich gab er sich natürlich zufrieden mit seiner Vorstellung: "Das Auto war richtig gut, wir haben nur jeweils ein paar Runden gebraucht, bis wir auf Full-Speed waren. In St. Pete habe ich meine Lektion gelernt und wir sind noch lange nicht da, wo wir stehen wollen. Aber es geht in die richtige Richtung." Der nächste Versuch steigt in zwei Wochen auf dem Rundkurs im Barber Motorsports Park.