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  • 21.11.2012 18:36

  • von Pete Fink

Who is ... Brad Keselowski (1)

Die NASCAR hat einen neuen Champion: 'Motorsport-Total.com' zeichnet die Karriere von "Bad" Brad Keselowski nach - Teil 1: Die schwierigen Anfänge

(Motorsport-Total.com) - From Zero to Hero. Oder: Vom Nobody zum Champion. Mit diesen vier Worten könnte man im schnelllebigen 'Twitter'-Zeitalter eine Kurz-Biographie von Brad Keselowski verfassen. Vor rund sechs Jahren stand seine gesamte Familie mit mehr als nur einem Bein im Finanz-Aus, weil die NASCAR-Ambitionen Keselowskis alles andere als gut verliefen. Dann kam in der Saison 2007 ein entscheidender Wendepunkt in seiner Karriere und nur fünf Jahre später die Krone im US-amerikanischen Motorsport: Der NASCAR-Titel.

Titel-Bild zur News: Brad Keselowski

Brad Keselowski: Es war ein langer Weg zum NASCAR-Titel 2012 Zoom

Allerdings ist vieles anders in diesen Tagen, denn der neue Champion will nicht so recht hineinpassen in das Schema, an das man sich in den vergangenen Jahren gewöhnt hatte. Keselowski ist einer dieser klassischen "self-made-heroes", die US-Medien sprechen vom "new face of NASCAR", vom "people's champion" und kündigen an, dass der 28-Jährige vieles, aber keinesfalls "your daddy's champ" wäre.

Bradley Aaron Keselowski, so sein vollständiger Name, wurde am 12. Februar 1984 in Rochester Hills geboren. Seine rund 70.000 Einwohner zählende Heimatstadt liegt etwas nördlich von Downtown Detroit, also mitten im direkten Einzugsgebiet der "Big Three", der Ford Motor Company, General Motors und Chrysler. Die Faustformel für die Menschen in dieser autoverrückten Gegend ist denkbar simpel: Geht es den großen Drei gut, dann geht es den Leuten gut. Wenn nicht, dann eben nicht.

Um nun den Werdegang des neuen NASCAR-Champions wirklich zu verstehen, muss man einen Blick auf die ganze Rennfahrerfamilie Keselowski werfen, in der sich seit Jahrzehnten alles nur ums Racing dreht. Auch heute noch firmiert man: "K-Automotive ist das letzte private Familienteam in der Show. NASCAR braucht solche hart arbeitenden 24/7-Motorheads - eine Rennfahrerfamilie, die sich mit den Big-Boys messen will."

Familienteam im großen Zirkus

K-Automotive Racing heißt also das familieneigene Team, das in den 1960er-Jahren von John Keselowski, dem Großvater des neuen NASCAR-Champions, gegründet wurde. Seine beiden Söhne Ron und der fünf Jahre jüngere Bob wuchsen unter dem Patriarchen John auf, der 1969 in Michigan zum ersten Mal einen Dodge in einem Rennen der Grand-National-Serie (heute Sprint-Cup) an den Start brachte.

Ron Keselowski Dodge 1970

K-Automotive: Brads Onkel Ron Keselowski 1970 in einem Dodge Charger Zoom

Zwischen 1970 und 1974 brachte es Ron Keselowski immerhin auf 68 Cup-Starts und elf Top-10-Platzierungen - nicht immer nur in der familieneigenen Mannschaft. Auch Bruder Bob bestritt 1994 einmal in Pocono ein Cup-Rennen für Teambesitzer Jimmy Means. Brads Papa war damals bereits stolze 42 Jahre alt und wurde nach einem frühen Motorschaden 41. Bruder Ron wechselte damals in die Crewchief-Rolle.

Das Hauptbetätigungsfeld von Brads Vater Bob war jedoch die ARCA-Serie, die nicht unter dem NASCAR-Dach organisiert ist. Es ist die Top-Liga des Automobile Racing Club of America, kurz ARCA. Dort startete Bob Keselowski zwischen 1988 und 1994 als Vollzeitracer und gewann 1989 den Titel. Als NASCAR dann im Jahr 1995 die Truck-Serie frisch aus dem Boden stampfte, war die Keselowski-Mannschaft eines derjenigen Teams, die den Dodge RAM von Beginn an hin zur Rennreife entwickelten und später auch nutzten. 1997 in Richmond holte Bob Keselowski seinen einzigen Truck-Sieg.

Doch dem Zahn der Zeit kann sich niemand widersetzen. Als sich Ende der 1990er-Jahre die Karriere von Bob Keselowski zu Ende neigte, brachte man den jungen Dennis Setzer ans Steuer des Keselowski-Dodge. Der erste große Tiefschlag geschah, als Dodge im Zuge des Cup-Comebacks 2001 das Sponsoring strich. K-Automotive wechselte zu Ford, Mutter Kay war der Owner, Papa Bob der Crewchief. Terry Cook und später ARCA-Dominator Frank Kimmel waren die neuen Piloten. Insgesamt holte K-Automotive Racing zehn Einzelsiege in der Truck-Serie.

Mädchen für alles

"Die Jahre vergingen und unser größtes Ziel war es, einmal im Winston-Cup zu fahren und uns in der bestmöglichen Art und Weise in der NASCAR zu engagieren", erinnert sich Bob Keselowski. "Die Truck-Serie eröffnete uns diese Möglichkeit und mein Sieg in Richmond 1997, direkt vor den NASCAR-Fans und den versammelten US-Medien, war einfach nur ein Traum." Der Familienbetrieb schien sich tatsächlich in der modernen NASCAR etabliert zu haben.

Terry Cook

2001: Terry Cook in einem Ford F-150 von K-Automotive Racing Zoom

Der Keselowski-Shop befand sich damals in der Heimatstadt Rochester. Der kleine Brad war dort Mädchen für alles: Vom Autowaschen über Mechanikerarbeiten bis hin zum Spotting für die Piloten. Und wenn er sich nicht im Shop aufhielt, war er an irgendeiner Strecke und übte - bei Schnee, Regen oder sogar in der Dunkelheit. Vater Bob erinnert sich heute noch an das erste lokale Rennen des Sprösslings.

"Er war 15 Jahre alt und sah aus wie Zehn", lacht Keselowski Sr. Schnell wurde er von einem der Local-Heroes überrundet, doch als dies das zweite Mal geschah, hängte sich Brad 25 Runden lang an dessen Stoßstange. "Es war, als wäre ihm in diesen Minuten ein Licht aufgegangen. Seit damals war es sein einziger Wunsch, ein Rennfahrer zu werden. Ich habe ihm oft gesagt, dass dies nicht nur Spaß macht, sondern eine ganze Menge Arbeit ist. Er ging die Sache sehr ernsthaft an und daher wundert es mich keine Sekunde, dass er jetzt diesen Erfolg hat."

Parallel dazu hatte die Familie aber noch ein weiteres Nachwuchs-Programm zu stemmen: Der ältere Sohn Brian versuchte sich genauso als Rennfahrer wie der drei Jahre jüngere Brad, der sich seit 1998 über die Quarter-Midgets (eine Art Go-Kart mit Käfig) und die Late-Models nach oben arbeitete. Seine neun Jahre ältere Schwester Dawn berichtet aus dieser Zeit: "Er hat die Jungs da draußen auf der Strecke fertig gemacht, nach dem Rennen wollten sie dann ihm an den Kragen. Daher musste ich oft mitkommen und auf ihn aufpassen, denn das war mitunter schon gefährlich."

Zwei Nachwuchs-Keselowskis

Im Frühjahr 2004 fuhr Brad Keselowski schließlich sein erstes Truck-Rennen auf dem Martinsville Speedway im familieneigenen F-150 und belegte Rang 33. Ein paar Wochen später in Mansfield, Ohio, gelang ihm mit Platz 16 sein bis dato bestes Resultat. Damals kam er übrigens vor seinem Markenkollegen Carl Edwards im Roush-Ford (18.) ins Ziel. Die beiden sollten in ihrer späteren Karriere noch einige Male die Klingen kreuzen.

Brad Keselowski 2005

Jünger aussehen: Brad Keselowski 2005 am Steuer seines Ford-Trucks Zoom

Bob Keselowski hatte nun ein Problem, denn auch Brads Bruder Brian konnte in den Nachwuchsklassen glänzen. "Sie fuhren beide auf gleichem Niveau", erinnert sich der Vater. "Wir hätten eine Münze werfen können, aber weder Kay noch ich waren in der Lage, eine Entscheidung zu treffen." Also versuchte man für die Saison 2005, beide Söhne zu platzieren. Brad in der Truck-Serie, Bruder Brian ab Saisonmitte wenigstens mit einem ARCA-Teilzeitprogramm.

"Es war klar, dass entweder Brad oder ich das Truck-Cockpit bekommen würde", erinnerte sich Brian Keselowski noch Jahre später an die heikle Situation. "Dad musste sich einen aussuchen und er wählte Brad." Der Hintergrund: "Brad hatte mehr Speed, aber ich mehr Konstanz. Es war eine schwierige Entscheidung und ich bin auch heute noch nicht besonders glücklich darüber." Brians jüngerer Bruder sollte dies mit Zins und Zinseszins zurückzahlen - aber erst Jahre später.


Brad Keselowski bei David Letterman

Die Truck-Erfolge blieben aus. Zwar belegte Brad Keselowski zu Saisonbeginn 2005 Rang sieben in Daytona, doch dies sollte im gesamten Jahr seine einzige Top-10-Platzierung bleiben. In der Winterpause rüstete man bei K-Automotive mit neuen Ford F-150 auf, aber an der Sponsorenfront herrschte Ebbe. Sogar der Saisonauftakt 2006 stand mangels Budget auf der Kippe, obwohl die nagelneuen Race-Trucks rechtzeitig fertig wurden.

Bittere Familien-Pleite

Die Situation drohte zu kippen. Eine Woche vor dem Daytona-Rennen im Februar 2006 hatten sich die Keselowskis schon abgemeldet, als ein Freund der Familie in letzter Sekunde finanzielle Unterstützung bot. In dieser prekären Lage half es nicht, dass Brad und dessen Ford F-150 in Runde 72 in einen Crash verwickelt wurden. Mit Ach und Krach, und unter Aufbietung aller finanziellen Ressourcen schaffte man es eine Woche später nach Fontana (Platz 16), doch danach war Ebbe: Für Atlanta musste man die Meldung zurückziehen. Das war's. Bob Keselowskis Lebenstraum, seinen beiden Söhnen ein florierendes Truck-Team zu hinterlassen, was gescheitert.

Carl Edwards, Brad Keselowski

Martinsville 2004: Rookie Brad Keselowski (li.) gegen Carl Edwards Zoom

"Ich war ein Teil des Familiengeschäfts und dabei zusehen zu müssen, wie alles den Bach runter ging, war der größte Tiefschlag überhaupt", erinnerte sich Brad Keselowski in der Woche vor seinem NASCAR-Titelgewinn. "Ich musste dabei zusehen, wie sie alles verkaufen mussten und es trotzdem nicht auf die Rennstrecke geschafft haben. Meine Familie war bankrott und parallel musste ich versuchen, meinen Weg zu gehen. In diesen Momenten kommst du dir nur noch egoistisch und ohne jede Moral vor. Du hast keine Ahnung, ob du dich jemals davon erholen kannst."

In der Tat: Die Familie hatte einen Großteil ihrer Gelder in Brad investiert und das ging schief. Der Shop musste geschlossen werden, der damals 22-Jährige musste plötzlich auf eigenen Beinen stehen. Auf der Suche nach einem Cockpit "wurde meine Kreditkarte in den Hotels regelmäßig zurückgewiesen. Das war der absolute Tiefpunkt. Nicht nur für mich, sondern für die ganze Familie. Es waren wirklich dunkle Zeiten." Aber: "Dies sind die Momente, die dich als Person herausfordern. Bei mir hat dies ein Level mentaler Stärke hervorgebracht."

Auch in den Tagen des Titelkampfes von Homestead 2012 machte sich Keselowski immer wieder und in aller Öffentlichkeit mitverantwortlich für die damalige bittere Pleite des Familienunternehmens. Mutter Kay hat diesbezüglich eine etwas andere Ansicht: "Das ist unfair, denn für das, was damals passiert ist, trug Brad nicht die Verantwortung."

Am Boden zerstört

Kay Keselowski beschreibt ihren Sohn: "Versucht bloß nicht, ihn einzuschüchtern. Auch ich kann es nicht ausstehen, wenn man mich herumschubst. Das ist wohl das größte Hauptärgernis in meinem Leben und ich weiß, dass auch sein Vater ganz ähnlich gestrickt ist. Brad hatte also gar keine Chance, dieses Merkmal nicht in sich zu tragen."

Brad Keselowski

Atlanta 2005: Brad Keselowski in einem seiner letzten Rennen für die Familie Zoom

Was nach außen hin gerne als arrogant angesehen wird, aber dem ist nicht so. "Die Leute glauben das oft und auch, dass er sehr egozentrisch ist. Aber das ist er wirklich nicht." Mutter Kay bezeichnet ihren jüngsten Sohn vielmehr als einen "Denker. Er hört dir zu und bildet sich dann seine eigene Meinung. Er wäre wohl ein guter Rechtsanwalt geworden, denn er liebt den Kampf und er liebt es auch ab und zu, um die Ecke herum zu denken."

Auf das rein Sportliche bezogen, stimmt ihr sein heutiger Boss Roger Penske zu: "Brad ist ein kalkulierender Pilot. Er ist klug. Meiner Meinung nach ist sein Visier etwas breiter als das, vieler anderer Piloten. Er bekommt genau mit, was um ihn herum geschieht, er ist ein Fahrer, der sehr viel nachdenkt." Ganz nebenbei bemerkt: Beschreibungen und Äußerungen solcher Art gibt es jede Menge über Richard Petty.

Im Sommer 2006 erlebte der heutige NASCAR-Champion also den absoluten Tiefpunkt seiner noch jungen Karriere. Wie es mit ihm weiterging, und warum Rennsimulationen am Computer und Dale Earnhardt Jr. dafür verantwortlich waren, dass Brad Keselowski wieder einen Fuß in die NASCAR-Türe bringen konnte, schildert 'Motorsport-Total.com' im zweiten Teil unserer großen Keselowski-Saga.