• 29.10.2012 01:58

  • von Pete Fink

Paukenschlag: IndyCar-Chef entlassen!

Paukenschlag in Indianapolis: Der Aufsichtsrat des Indianapolis Motor Speedway entlässt IndyCar-Chef Randy Bernard - Jeff Belskus Interimsboss

(Motorsport-Total.com) - Das war's. Randy Bernard ist seit der Nacht von Sonntag auf Montag nicht mehr der Chef der IndyCar-Serie. In einer kurzfristig einberufenen Sitzung beschloss der Aufsichtsrat des Hulman/George-Konzerns den 46-jährigen Kalifornier zu entlassen. Offiziell wird zwar davon gesprochen, dass Bernard zurückgetreten sei, in der Realität, so die übereinstimmende Meinung der US-Medien, stimmte die Mehrheit des elfköpfigen Aufsichtsrates für seine Entlassung.

Titel-Bild zur News: Randy Bernard

Randy Bernard ist seit heute nicht mehr der Chef der IndyCar-Serie

Neuer Interimsboss in Indianapolis ist Jeff Belskus, der Hulman/George-Aufsichtsratsvorsitzende und Chef des Indianapolis Motor Speedway, der diese Position bereits vor dem Bernard-Engagement innehatte. Ein Verkauf der Serie, so der Tenor, sei nach wie vor nicht geplant, auch nicht an Interessent Tony George. Die Bernard-Trennung sei "im beiderseitigen Einvernehmen" geschehen und habe "freundschaftlichen Charakter." Ex-Chef Bernard soll sogar eine Beraterfunktion übernehmen.

Hier der Wortlaut: "Wir danken Randy für seinen unermüdlichen Einsatz der letzten drei Jahre für die IndyCar-Serie, für das Lernen, das Verstehen und das Suchen nach Wachstumsmöglichkeiten. Randy und unsere Organisation haben die abgelaufene Saison reflektiert und während wir auf die bevorstehenden Chancen und unseren größtmöglichen Vorteil daraus blicken, stimmten wir darin überein, dass das Timing nun perfekt ist, um getrennte Wege zu gehen."

Im selben Statement bedankte sich Bernard: "Ich habe es sehr genossen, mit der gesamten IndyCar-Gemeinde, den Teams, den Piloten, den Partnern und den Fans zu arbeiten. Die vergangenen drei Jahre waren aufregend und mitunter schwierig. Aber wir haben für die IndyCars ein Fundament geschaffen, das in den kommenden Jahren ein Wachstum verspricht. Ich bin stolz auf das, was jeder bei den IndyCars erreichen konnte seit ich an Bord kam."

Keine Details über die Zukunft

Bernard übernahm das Ruder in Indianapolis zu Saisonbeginn 2010. Als Chef der Professional Bull Riders war er ein waschechter Quereinsteiger im Motorsport und sollte als Marketingfachmann das in Schieflage befindliche IndyCar-Schiff in die schwarzen Zahlen bringen. Seine abschließende Botschaft lautet: "Im Vergleich zu den vergangenen Jahren sind die IndyCars jetzt besser aufgestellt um erfolgreich zu sein."

Jeff Belskus ist der neue Interimsboss von Indianapolis Zoom

Nur: Wie genau wird es weitergehen? Belskus: "Die Organisation ist voll von talentierten Profis und wir werden uns unbeirrt für eine sehr aufregende Saison 2013 vorbereiten." Soll heißen: Ein Bernard-Nachfolger soll in den eigenen Reihen gesucht werden. Ein Verkauf der Serie sei ausgeschlossen, "die Organisation ist weiterhin fest dazu entschlossen, Besitzer der IndyCars zu bleiben und die Serie selbst zu betreiben."

Doch Details wollte sich Interimsboss Belskus nicht entlocken lassen. "Ich bin für den Übergang der Geschäftsführer", sagte er gegenüber der 'AP'. "Wir werden eine Suche durchführen. Es gibt aber keine Zeitvorgabe für einen permanenten Ersatz. Das ist Teil des Planungsprozesses, um den wir uns gerade kümmern." Ist es da ein Zufall, dass man in Indianapolis erst vor wenigen Tagen die angesehene Beraterfirma der Boston Consulting Group ins Haus geholt hat?

Eines ist klar: Was auch immer bei der Suche nach einem neuen IndyCar-Boss herauskommen wird, der neue starke Mann wird es als Nachfolger des so beliebten Bernard schwer haben. Zu sehr haben die jüngsten Entwicklungen irritiert, zu frisch ist die Erinnerung an die dunklen Zeiten der Trennung, die die US-amerikanische Formelszene an den Rand des Ruins gebracht haben. Und Quereinsteiger Bernard war das Gesicht des Umschwungs.

Drei Jahre Bernard

Der Kalifornier übernahm im Frühjahr 2010 ein Himmelfahrtskommando. Durch sein energisches und offenes Auftreten gewann er schnell die Sympathien der Fans. Nach Jahrzehnten des Chaos herrschten in Indianapolis plötzlich ein frischer Wind, neue Ideen und vor allem ein professionelles Management. Er sorgte dafür, dass die IndyCars ein neues, wenn auch nicht unumstrittenes Auto bekamen. Mit Chevrolet und Lotus lockte er zwei neue Hersteller in die Serie.

Randy Bernard IndyCar-Chef

Randy Bernard bei seinem Amtsantritt im Frühjahr 2010 Zoom

Das Saisonfinale von Las Vegas im Oktober 2011 mit den tragischen Umständen rund um den Tod von Dan Wheldon war Bernards erstes Debakel und - rückblickend betrachtet - der Wendepunkt. Spätestens im Mai 2012, als Honda beim Indy 500 eine Erlaubnis zum Nachbessern der Motoren ("Turbogate") erhielt, blies ihm massiver Gegenwind von Seiten der Teambesitzer ins Gesicht. Schon damals gab er via 'Twitter' und 'Facebook' preis, dass sich eine Opposition formiere, die ihn absetzen wolle.

Sein nächster Tiefschlag war die Absage des China-Rennens, was die Bilanzen der Saison 2012 tief ins Minus trieb. Schlechte TV-Quoten (der Vertrag stammte noch aus der Ära George) trotz guten Motorsports, dauernde Streitereien um die Kosten für die Ersatzteile des neuen Dallara-Chassis und Fragen in Bezug auf den Vertrag von Reifenhersteller Firestone taten ihr übriges. Plötzlich erschien Tony George als Kaufinteressent der IndyCars auf der Bildfläche und seither herrschte komplettes Tohuwabohu in Indianapolis.

Erst vor drei Tagen gab man bekannt, dass der Bernard-Vertrag "jetzt und in Zukunft unverändert" sei. Diese "Zukunft" dauerte gerade einmal 72 Stunden. Die Krönung erfolgte nun mit der Entlassung Bernards, die einen wahren Aufschrei aus den Reihen der US-amerikanischen IndyCar-Fans zur Folge hatte. Und auf die 'AP'-Frage, ob es denn wirklich im besten Interesse der IndyCars sei, einen so positiven und beliebten Geschäftsführer zu entlassen, antwortete Belskus lapidar: "Das werde ich nicht kommentieren."

Und jetzt?

Nein, Randy Bernard hat in seiner Amtszeit sicherlich nicht alles richtig gemacht. Doch angesichts der chaotischen IndyCar-Historie muss die Frage gestellt werden, wie man in Indianapolis jetzt die Zukunft planen möchte. Wird nun die Vergangenheit wieder aufgewärmt? Soll es wieder einen Rückfall in die Zeiten geben, als sich die CEOs quasi die Klinke in die Hand gaben, weil die Riege der mächtigen Teambesitzer ihre eigenen Interessen in den Vordergrund stellten?

Ryan Hunter-Reay, Michael Andretti, Randy Bernard

Finale in Fontana: Bernards letzter großer Auftritt als IndyCar-Boss Zoom

Droht den defizitären IndyCars gar der Bankrott? Oder ein Sturz in die Bedeutungslosigkeit, wenn sich die verbliebenen Sponsoren auch angesichts des jüngsten Komödienstadels abwenden und womöglich der frisch verheirateten GrandAm/ALMS-Serie (unter dem NASCAR-Dach) zuwenden? Mittlerweile werden von den zahlreichen US-Kommentatoren erste Meinungen laut, die einzige Rettung für die IndyCars bestehe darin, dass man von der NASCAR aufgekauft werde. Die scharfzüngige Begründung: Dort gibt es ein professionelles Management.

Unter dem Strich sind in den USA die ersten, spontanen Reaktionen auf die Entlassung Bernards gekennzeichnet von Sarkasmus, jeder Menge Unverständnis und Wut. Und wie auch immer man es sehen möchte: Zur Stunde hat es den Anschein, als werfe die Entlassung Bernards mehr Fragen auf, als sie Antworten zu geben vermag.