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Last-Lap-Action: Ambrose siegt im Watkins-Glen-Thriller

Marcos Ambrose gewinnt ein hochdramatisches Finale in Watkins Glen vor Brad Keselowski - Kyle Busch verliert den Sieg in der letzten Runde

(Motorsport-Total.com) - Was war das für ein Mega-Finish! Die letzte Runde von Watkins Glen hatte es wahrlich in sich: Kyle Busch ging als Leader in den 90. und letzten Umlauf des Finger Lakes 355 - und landete am Ende doch nur auf Rang sieben. Der Grund: Sein Gibbs-Toyota wurde in den schnellen Esses vor der Gegengeraden von Brad Keselowski umgedreht, dessen Penske-Dodge sich dabei einen rauchenden Vorderreifen einfing.

Titel-Bild zur News: Kyle Busch, Brad Keselowski, Marcos Ambrose

NASCAR-Beinhart: Kyle Busch gegen Brad Keselowski und Marcos Ambrose

Plötzlich witterte der bis dato drittplatzierte Marcos Ambrose im Petty-Ford seine ganz große Chance und griff an: Beide ackerten querstehend durch das Gras der Bus-Stop-Schikane, Keselowski versuchte den Australier auf dem Rückweg an die Ziellinie noch zu blocken und kurz danach zu schubsen, aber vergebens: Ambrose hatte in der Zielkurve die Innenbahn erobert und setzte sich knapp vor Keselowski durch.

"Es ist so schön, wieder in der Victory Lane zu stehen", jubelte Ambrose, der auf dem "Glen" bereits 2011 gewonnen hatte. Vor Jahresfrist war es sein Premierensieg in der höchsten NASCAR-Klasse. Seine knappe Schilderung der so spektakulären letzten Runde: "Es war Öl auf der Strecke und es wurde immer schlimmer. Der Kampf gegen Kyle und Brad war sagenhaft. So sollte das Racing immer sein."


Fotos: NASCAR in Watkins Glen


Beide Aussagen wurden von Keselowski bestätigt: "Es gab zum Schluss überhaupt keinen Grip mehr. Für Kyle tut es mir leid, das war keine Absicht, aber da gab es nichts, was ich tun hätte können. Aber das Finish war richtig gutes, hartes Racing." Pechvogel Kyle Busch wollte nach den Vorfällen der letzten Runde unmittelbar nach dem Rennen keine Stellungnahme abgeben.

Johnson neuer Leader

Es war also eine Wiederholung des Vorjahresergebnisses, denn auch in der Sprint-Cup-Saison 2011 lautete der Zieleinlauf von Watkins Glen Ambrose vor Keselowski. Der damalige Dritte hieß Kyle Busch, dem es 2012 nach 43 Führungsrunden nicht vergönnt war, seinen zweiten Saisonsieg einzufahren. Dies hätte den 27-Jährigen auf die zweite Wild-Card-Position und damit in die unmittelbare Nähe einer Chase-Qualifikation gebracht.

Rang drei ging an einen sehr unauffällig agierenden Jimmie Johnson, der damit auch die Führung im Gesamtklassement übernahm. Dies wurde durch einen späten Dreher seines Hendrick-Teamkollegen Dale Earnhardt Jr. begünstigt, der statt Rang zehn nur auf Position 28 gewertet wurde. Einen winzigen Punkt hinter Johnson rangiert nun Greg Biffle (Roush-Ford), der sich am Sonntagabend auf Rang sechs ins Ziel arbeitete.

Wie dicht es in der Tabelle zugeht, verdeutlicht Matt Kenseth im zweiten-Roush-Ford, der nach Platz acht auf dem Glen nun einen weiteren Zähler hinter Biffle Gesamtdritter ist. Für Earnhardt war sein später Dreher ("Es war mein eigener Fehler, aber überall gab es Öl und das sollte nicht sein") sehr kostspielig, denn anstatt seine Gesamtführung mit Rang zehn zu verteidigen, ist "Junior" nun mit 17 Punkten Rückstand auf Johnson nur noch Vierter.


Das Finale von Watkins Glen

Wie Johnson, Biffle und Kenseth retteten sich auch Clint Bowyer (Waltrip-Toyota; 4.) und Sam Hornish Jr. als Fünfter im zweiten Penske-Dodge durch das Tohuwabohu der letzten Runde. Auch Bowyer brachte die Öl-Situation auf den Punkt: "Du musstest dir in diesen wilden letzten Runden eine Spur innen oder außen von der Ideallinie suchen, denn die Ideallinie hatte alles, aber keinen Grip mehr." Für Allmendinger-Ersatz Hornish bedeutete Platz fünf seine mit Abstand beste Platzierung seit seinem Daytona-Comeback Anfang Juli. Keine schlechte Bewerbungsvorstellung für das vakante Penske-Cockpit der Startnummer 22.

Prominente Verliererliste

Doch das zweite und letzte Rundkursrennen der Saison 2012 hatte auch seine prominenten Verlierer. Zum Beispiel Jeff Gordon, der sich im Kampf um eine Top-10-Platzierung in der letzten Kurve auf dem Öl drehte und nur 21. wurde. Vor einer Woche in Pocono hatte sich der Hendrick-Pilot mit seinem ersten Saisonsieg in die Wild-Card-Position gebracht, nun verlor er diese wieder an Ryan Newman (Stewart/Haas-Chevy; 11.).

Denny Hamlin

Denny Hamlin war einer der prominenten Verlierer in Watkins Glen Zoom

Gordon kämpfte über weite Strecken mit der Balance seines Hendrick-Chevys und musste dabei sogar einen ungeplanten Korrekturstopp einlegen. Zwischenzeitlich lag der 41-Jährige auf Rang vier, seine Aufholjagd von Rang 30 in die Top 10 war nicht von Erfolg gekrönt: "Ich bin auf Öl ausgerutscht, das hat mich ganz einfach überrascht, denn damit habe ich nicht gerechnet", lautete seine Schilderung.

Auch Tony Stewart hätte sich nach einem verunglückten frühen Stopp, als er nach seinem ersten Service eine Tankkanne mitnahm, ganz weit vorne platzieren können. Trotz Durchfahrtsstrafe lag "Smoke" in Runde 71 wieder auf Platz zwei, als er sich mit einem wilden Dreher ohne Fremdeinwirkung von der Zielkurve direkt in die Boxengasse verabschiedete. Stewart schlug rücklings in die Leitplanken und wurde 19.

Denny Hamlin (Gibbs-Toyota; 34.) erwischte es mit einem Motorschaden, Kasey Kahne (Hendrick-Chevrolet) kam nach einer Speeding-Penalty und einem Dreher noch auf Rang 12 ins Ziel. Bei diesem Dreher in Runde 62 hatte auch Martin Truex Jr. im Waltrip-Toyota seine Finger im Spiel, der seinerseits kurz zuvor Platz drei aufgeben musste, als er ohne Sprit an die Box rollte. Truex landete am Ende auf Platz 10.

Montoya früh aus dem Rennen

Noch weniger Glück hatte Polesetter Juan Pablo Montoya (33.), der nach einem Defekt vorne links in Runde 32 die Segel streichen musste. "Sehr schade, denn ich war davon überzeugt, dass wir heute ein Auto hatten, das um den Sieg mitfahren hätte können", sagte der Earnhardt/Ganassi-Pilot. "Bis zum Ausfall lief eigentlich alles nach Plan."

Juan Pablo Montoya

Juan Pablo Montoya musste mit gebrochener Radaufhängung früh passen Zoom

In der Tat: Montoya verlor beim Start seine Führung an Kyle Busch, der daraufhin das erste Renndrittel bestimmte. Der Kolumbianer hatte sich souverän auf Platz zwei eingenistet, dahinter folgten Keselowski und Ambrose. Zu Rennbeginn war die Frage, wer die 90 Runden mit zwei oder drei Stopps in Angriff nehmen würde, als ein Reifenschaden von Jamie McMurray (Earnhardt/Ganassi-Chevy; 39.) in Runde 26 die erste Gelbphase auslöste.

Keselowski, Ambrose, Johnson, Gordon und Truex waren zu diesem Zeitpunkt bereits beim Service gewesen, was die Reihung an der Spitze durcheinander würfelte. Ambrose überholte Keselowski in Runde 39, während sich Kyle Busch zu Rennhalbzeit hinter Johnson bereits wieder auf Position vier geschoben hatte. Als Ambrose in Runde 47 zum zweiten Mal an die Box kam, erbte Keselowski zunächst die Führung. Der blaue Penske-Dodge tankte in Runde 58, was Kyle Busch in Front brachte.

Fast parallel dazu löste Hamlins Motorschaden Gelbphase Nummer zwei aus, was - wie im Fall McMurray - erneut im Benzinfenster des Feldes lag. Die neue Reihung lautete: Keselowski, Stewart, Bowyer, Kyle Busch und Ambrose. Doch als in Runde 63 leichter Regen begann und das Feld hinter dem Pace-Car kreiselte, war klar, dass der Sprit keine große Rolle mehr spielen würde.

Harter Kampf um den Chase

Ambrose zeigte beim Restart in Runde 68 seine Klasse, als er sich in Turn 1 mit einem Schlag an Kyle Busch und Bowyer vorbeischieben konnte. Der Stewart-Dreher löste dann in Runde 71 das so spektakuläre Watkins-Glen-Finale aus: Kyle Busch machte beim Restart ganz innen eine dritte Spur auf und schob sich seinerseits an Keselowski und Ambrose vorbei.

Marcos Ambrose

Einer von fünf: Marcos Ambrose als Außenseiter in den Chase? Zoom

Schnell hatte die Startnummer 18 einen Vorsprung von zunächst einer, dann zwei Sekunden auf die Duellanten Keselowski/Ambrose herausgefahren, die sich einen herzerfrischenden Zweikampf lieferten. Eigentlich sah alles danach aus, als würde Kyle Busch seinem zweiten Saisonsieg nach Richmond entgegen fahren, doch diese Rechnung hatte er ohne Keselowski und Ambrose gemacht.

Eingangs der letzten Runde lag "Bad Brad" urplötzlich wieder in direkter Schlagdistanz zum Leader und rempelte sich in den Esses an Kyle Busch vorbei. Ambrose folgte und setzte sich seinerseits beinhart gegen Keselowski durch. Damit hat sich auch der Australier wieder Außenseiterchancen für eine Chase-Qualifikation 2012 eingehandelt.

Denn mit Newman, Kyle Busch, Jeff Gordon, Ambrose und Logano gibt es jetzt gleich fünf Sprint-Cup-Piloten, die allesamt einen Saisonsieg aufweisen. Hinter Kasey Kahne (zwei Saisonsiege) streiten sich diese fünf derzeit um die zweite Wild-Card, über die in den folgenden vier Rennen von Michigan, Bristol, Atlanta und Richmond entschieden wird. In Sachen Playoffs ist also noch gar nichts klar ...