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  • 18.07.2009 16:20

  • von David Pergler

Who is ... Marco Andretti?

Die Legende Andretti lebt und siegt mit Marco Andretti weiter - 'Motorsport-Total.com' stellt den jüngsten Spross der berühmtesten Motorsportdynastie vor

(Motorsport-Total.com) - Marco Andretti ist zwar erst zarte 22 Jahre jung und steht noch ganz am Anfang seiner Motorsportkarriere, der IndyCar-Pilot hat aber schon jetzt sowohl Formel-1-Rekordchampion Michael Schumacher, als auch NASCAR-Megastar Dale Earnhardt Jr. eine Sache voraus: Den Namen Andretti kennt man wirklich auf der ganzen Welt. Es gibt im ganzen Motorsportuniversum wohl kaum eine berühmtere Rennfahrerdynastie.

Titel-Bild zur News:

Marco Andretti will seinen klangvollen Namen "in die Tat umsetzen"

"Gegründet" wurden die Andrettis quasi durch Großvater Mario, dessen Formel-1-Weltmeistertitel 1978 im wunderschönen schwarzen Lotus 79 heute zu den ganz großen Legenden des Sports gehört. Doch nicht nur in Europa ist der auf der Insel Istrien geborene Rennfahrer italienischer Abstammung ein Idol, auch in den Vereinigten Staaten hat er sich schon in den 1960er Jahren des vergangenen Jahrhunderts einen Namen gemacht.#w1#

Das tonnenschwere Andretti-Erbe

Satte vier IndyCar-Titel vereint der Familienpatriarch auf sich, daneben konnte er noch Perlen wie das legendäre Indy 500 und das nicht minder legendäre Daytona 500 der NASCAR gewinnen. Auch im berühmten Pikes Peak International Hill Climb war der Amerikaner siegreich, damals war das wilde Bergrennen noch eine reine Schotterrallye.

Mario Andretti

Schon lange vor seinem Formel-1-Titel war Mario Andretti ein Indy-500-Winner (1969) Zoom

Eine solche Anhäufung von unterschiedlichen Erfolgen und Klassikern erscheint heute undenkbar, Andretti triumphierte auf allem, was vier Räder hatte. Zudem war der Multi-Meister ein wahrer Renn-Methusalem, der noch 1993 als 53-Jähriger in der CART-Serie den jüngeren Stars Erfolge und Pokale wegschnappte. Die Bewunderung, welche ihm dadurch seitens der Amerikaner entgegengebracht wurde, war so groß, dass seine letzte CART-Saison 1994 als "The Arrivederci Tour" in die Geschichte einging.

Diese Fußstapfen waren freilich zu groß, als dass sie Sohn Michael hätte vollends ausfüllen können, dennoch kann der heutige Teamchef von Andretti-Green ebenfalls einen riesigen Schrank voller Trophäen vorweisen: 1991 holte der Filius die IndyCar-Meisterschaft und teilt sich mit Al Unser Jr. den Rekord der meisten Siege in einer Saison: Acht Erfolge, eingefahren in seinem Meisterschaftsjahr.

Darüber hinaus wird Michael Andretti in der IndyCar-Statistik als Fahrer mit den drittmeisten Siegen (46; Anm. d. Red.) gelistet, auf Platz zwei steht mit 52 Erfolgen, fast schon selbstverständlich Vater Mario. Plus: Der Vater von Marco Andretti war in der Formel 1 bei McLaren als Stallkollege von Formel-1-Idol Ayrton Senna unterwegs. Heute ist der Amerikaner der Teamchef einer der führenden IndyCar-Rennschmieden und hat so nicht nur am Lenkrad, sondern auch am Kommandostand viel Geschick und Können bewiesen.

Blitzstart: Andrettis Karriere beschleunigte schneller als seine Autos

Diese kurze Abhandlung der Erfolge von Großvater Mario und Vater Michael war notwendig um aufzuzeigen, welches gewaltige Erbe Marco Andretti, das dritte "M" der Familie antritt und wie groß die Fußstapfen seiner Vorfahren sind. Geboren wurde der Amerikaner am 13. März 1987 im Bundesstaat Pennsylvania, genauer gesagt in Nazareth. PS-Freaks dürfte dieser Ort durch den Nazareth Speedway ein Begriff sein, wo lange Jahre sowohl NASCAR, als auch IndyCar Station gemacht haben.

Marco Andretti

Früh übt sich: Egal, wo Klein-Marco gerade saß - er war auf Anhieb verteufelt schnell Zoom

Mit so viel Motorsporttradition in der Familie und an einem großen Speedoval geboren stand es außer Frage, dass Klein-Marco ebenfalls das Rennfahrer-Handwerk erlernen sollte. Mit zarten neun Jahren fiel nach eigener Aussage seine Entscheidung, der Zunft seiner Vorfahren treu bleiben zu wollen. Den sportlichen "Kindergarten" bildete dabei - klassischerweise - der Kartsport, wo sich Marco Michael Andretti, so sein offizieller Name, als Zehnjähriger seine ersten Sporen verdiente. Es folgten regionale und nationale Triumphe in diversen Kartpokalen, bevor er 2002 die "Grundschule" der kleineren Formelserien betrat.

Nach und nach arbeitete er sich bis zur "Abiturprüfung", der Infiniti Pro Series (damalige Nachwuchsklasse der IndyCar, heute Indy-Lights; Anm. d. Red.) durch und erreichte 2005 in seiner ersten Saison in dieser Kategorie auf Anhieb Platz zehn im Gesamtklassement. Das klingt zunächst nicht unbedingt berauschend, bedenkt man jedoch, dass er lediglich bei sechs von 14 Rennen am Start war, stellt sich dieses Gesamtresultat in einem ganz anderen Licht dar. Denn stolze 50 Prozent dieser sechs Rennen wurden durch Jubelschreie und Champagnerweihe auf der höchsten Podeststufe beendet: St. Petersburg, Indianapolis und Sonoma.

Nach diesem beeindruckenden Blitzstart und den naturgemäß hervorragenden Verbindungen zum IndyCar-Team Andretti-Green-Racing (AGR), wo sein Vater Michael seit 2001 als Co-Owner fungiert, stand seinem Debüt in der IndyCar-Serie nichts mehr im Wege. Marco Andretti nahm im Cockpit der zuvor von Dan Wheldon pilotierten Nummer 26 Platz und feierte seine IndyCar-Premiere im Jahr 2006 in Homestead, Miami. Er war damit der jüngste Debütant in der höchsten US-Formel-Klasse.

Marco Andretti

"Kann losgehen" - Marco Andretti betrat die IndyCar-Bühne im Jahr 2006 Zoom

Schon im ersten Rennen der Saison demonstrierte der heute 22-Jährige sein Potenzial. Andretti Jr. sprühte in seinem ersten Rennen vor Kampfeslust und überholte nicht weniger als acht Wagen. Leider jeweils unterhalb der weißen Linie der Innenbahn, was im amerikanischen Ovalrennsport mit einer Strafe geahndet wird. Später schied er mit defekter Radachse aus. Die IndyCar-Szene hatte aber eine klare Botschaft empfangen: Marco Andretti klopft an die Tür, um sein Erbe anzutreten.

Das nächste Rennen in St. Petersburg brachte ihm auch kein Glück, erst in seinem dritten Anlauf in Motegi sah der Jungstar erstmals überhaupt die Zielflagge. Dem frechen Start war eine erste Abkühlung erfolgt. Nun standen als viertes Saisonrennen im IndyCar-Saisonkalender von 2006 die berühmten 500 Meilen von Indianapolis an - und die sollten es in dem Jahr sich haben.

Der Beinahe-Sieg von Indianapolis 2006

Die 90. Ausgabe des Indy 500 war ein spannungsgeladener Rennsportkracher, dessen Hauptprotagonisten Vater Michael Andretti, Sohn Marco Andretti und Sam Hornish Jr. hießen. Das Szenario: Wenige Runden vor Schluss pferchte eine Gelb-Phase das Feld ein letztes Mal zusammen, der Restart des Rennens erfolgte nur fünf Umläufe vor dem Finish. An der Spitze fuhr zu dem Zeitpunkt noch Andretti Sr., gefolgt von seinem erfolgshungrigen Spross. Von hinten stürmte Hornish Jr. im Penske heran.

Marco Andretti

(v. l.) Großvater Mario, sein Enkel Marco und dessen Vater Michael Andretti Zoom

Vater Michael ließ seinen Sohnemann in der 198. Runde passieren, nachdem seine eigenen Reifen zu stark abgebaut hatten und versuchte, ihn bestmöglich nach hinten abzuschirmen, um seinem Spross den Premierensieg zu ermöglichen. Es lag eine waschechte Sensation in der Luft: Wenige Kilometer vor dem Ziel führte ein blutjunger Rookie das Feld an, der gerade eben erst sein viertes IRL-Rennen bestritt und der zufällig auch noch "Andretti" hieß. Und Vater Michael lag auf Platz zwei - nicht nur die Rennsportpuristen auf den Tribünen bekamen Gänsehaut.

Denn wenn es ein Rennen gab, welches dem italo-amerikanischen Clan nicht sonderlich lag, dann die 500 Meilen am Brickyard - abgesehen vom Triumph 1969 gab es für die Andrettis in all den Jahrzehnten in Indianapolis nichts zu holen. Nun schien die Durststrecke beendet zu sein und das auch noch in Form eines Familiendoppelsieges - der Sohn vor dem Vater. Doch die Feierlichkeiten sollte jäh gestört werden, sehr zum Missfallen von Großvater Mario, der das Treiben seiner Nachkommenschaft gebannt von den Boxen aus verfolgte. Michael Andretti hatte auf seinen abgenutzten Reifen dem Drängen des mittlerweile zur NASCAR abgewanderten Hornish Jr. nichts entgegenzusetzen und fiel in Folge auf Platz drei zurück.

Hornish Jr. vs. Andretti Jr. - den Altmeister beinahe ausgespielt

Durch eine geschickte Spritsparstrategie konnte der vorwärtsstürmende Penske-Pilot im Finale ein leistungsstärkeres Treibstoffmischungsverhältnis abrufen und aus seinem Boliden im Vergleich zu seiner bisherigen Renngeschwindigkeit fast 30 km/h mehr Speed herauskitzeln, als die Konkurrenz. Aber auch Marco Andretti war fest entschlossen, sich seinen ersten ganz großen Triumph nicht mehr nehmen zu lassen. Das dramatische Finale nahm seinen Lauf.

Marco Andretti

Das zweitknappste Indy-Finish aller Zeiten: Sam Hornish Jr. vor Marco Andretti Zoom

Zunächst sah der AGR-Bolide mit der Nummer 26 aufgrund eines beachtlichen Vorsprungs wie der sichere Sieger aus, Hornish Jr. holte jedoch auf Platz zwei liegend mit Siebenmeilenstiefeln auf. Zwei Runden vor der Zielflagge wehrte Andretti Jr. einen ersten Angriff mit Händen und Füßen ab. Der Penske musste zurückstecken und verlor wieder dramatisch an Boden. Die Schlacht schien zunächst geschlagen.

Aber Hornish Jr. lauerte auf eine weitere Chance und bekam sie auch. In der letzten Runde saugte er sich an den Rookie heran und scherte auf der Zielgeraden aus dem Windschatten heraus. Beide Wagen schossen auf den "Yard of Bricks" (Ziellinie; Anm. d. Red.) zu, wo der Rennleiter bereits wild mit den schwarz-weiß-karrierten Flaggen wedelte. Ein Finale wie aus einem abenteuerlichen Hollywood-Drehbuch spielte sich ab, den Zuschauern stockte der Atem.

Im Ziel trennten beide Rivalen gerade mal 63 Tausendstel Sekunden, es war das zweiknappste Finish der Geschichte des Indy 500 - Hornish Jr. hatte Andretti Jr. auf dem Zielstrich geschlagen. Die Enttäuschung des Zweitplatzierten über den verpassten Sieg überwog verständlicherweise die Freude über das erste Top-Resulat im bedeutsamsten Rennen des IndyCar-Kalenders. Ein wahrer Racer kann sich eben nie mit der Silbermedaille zufrieden geben.

"Es ist sehr frustrierend, ohne die letzte Caution hätten wir gewonnen", seufzte der Jungstar hinterher traurig in die Mikros. "Eine Runde vor Schluss dachte ich, dass wir es in der Tasche haben." Seine Einstellung offenbarte er mit den Worten, dass ihm der zweite Platz nichts bedeute. Fortan war der Name Andretti in aller Munde - man möchte fast sagen "schon wieder".

Sears Point: Der erste Andretti-Sieg in der dritten Generation

Nach Indy wurde es sportlich wieder etwas ruhiger um Marco Andretti, erst beim siebten Saisonrennen in Richmond kam er als Vierter wieder in die Nähe des Podiums und der vorderen Ränge. Am Infineon Raceway in Sonoma schlug dann Marco Andrettis große Stunde - der Vertreter der dritten Andretti-Generation sicherte sich seinen ersten IndyCar-Sieg.

Marco Andretti

Endlich der erste IndyCar-Sieg: Beim Sears-Point-Rennen 2006 war es soweit Zoom

30 Runden vor Schluss enterte der AGR-Pilot die Führung und gab sie bis ins Ziel nicht mehr ab. So überquerte Marco Andretti im Alter von 19 Jahren, fünf Monaten und 14 Tagen die Ziellinie. Zum Vergleich: Formel-1-Star Sebastian Vettel war bei seinem ersten Sieg bereits 21 Jahre, zwei Monate und elf Tage alt.

Der Rekord des jüngsten IndyCar-Siegers sollte erst mit dem Triumph von Graham Rahal in St. Petersburg 2008 fallen. Dass Andretti die Strecke am Sears Point liegt, beweist sein Sieg von 2005 in der IndyCar-Nachwuchsklasse. Diesmal waren "lediglich" die Autos etwas größer und die Konkurrenz etwas schneller. Seine erste Saison schloss Marco Andretti standesgemäß als "Rookie of the Year" ab und beendete das Championat auf Rang sieben.

Die Jahre danach - auf dem Boden der Tatsachen

Die Folgesaison sollte sich erheblich ernüchternder gestalten. Zwar konnte der Jungstar immerhin zwei zweite Plätze holen, abgesehen davon war das Rennjahr 2007 für Andretti eine Anhäufung von Ausfällen und Enttäuschungen, nur sieben Mal sah er überhaupt die Zielflagge. Den Tiefpunkt bildete dabei das Indy 500, jenes Rennen, wo der Kronprinz 2006 so glänzen könnte.

Marco Andretti Indianapolis

Das zerstörte Andretti-Wrack von Indy 2007 - so schnell geht's im Motorsport Zoom

Diesmal blieben die Feierlichkeiten gänzlich aus: Zwar verbrachte der 22-Jährige wieder einige Rennrunden an der Spitze, kurz vor dem Rennende überschlug sich der Mann aus Pennsylvania nach einer Berührung mit Dan Wheldon jedoch spektakulär. Großvater Mario musste anschließend mit sorgenvoller Miene beobachten, wie sein Enkel noch einige Zeit in dem havarierten Wrack sitzen blieb und vom Streckensicherheitsteam aus dem Cockpit herausgehoben werden musste.

Die Folgen waren glücklicherweise nur blaue Flecken. Auch in der Meisterschaft verschlechterte sich der Shootingstar und rutschte vom hervorragenden siebten Rang seiner Rookiesaison auf Platz elf ab. Sieben Zielankünften standen zehn Ausfälle gegenüber - ein Jahr zum Vergessen. Erst 2008 sollte die Talsohle langsam wieder durchschritten werden.

Gleich beim Saisonauftakt in Miami meldete sich Andretti Jr. zurück und verpasste mit Rang zwei nur knapp sein großes Ziel: Endlich einen Triumph in einem Ovalrennen. Diesem guten Resultat folgten noch drei dritte Plätze, mit solchen Ergebnissen kletterte der AGR-Pilot im Endklassement wieder auf Rang sieben zurück. Bezeichnenderweise konnte er aber dabei auf Rundstrecken, seiner Leib- und Magendisziplin, nicht glänzen: St. Pete, Watkins Glen, Mid-Ohio, Edmonton und Sonoma erwiesen sich durch die Bank weg als Fehlschläge.

Marco Andretti Tony Kanaan

Ein häufiges Bild im Jahr 2007: Marco Andretti abseits der Strecke Zoom

Es gab in seiner dritten IndyCar-Saison aber auch ein wohltuendes Seelenbonbon: In Milwaukee stellte Andretti seinen Boliden auf die Pole und avancierte damit zum jüngsten IndyCar-Polesetter aller Zeiten. Die Sonntagsernte fuhr dann aber Ryan Briscoe im Penske ein. Der AGR-Pilot wurde hingegen gnadenlos nach hinten durchgereicht und drei Runden vor Schluss in einen schweren Crash verwickelt. Dabei hatte der Mario-Enkel noch Glück im Unglück, als der damalige Panther-Pilot Vitor Meira im Zuge des Unfall-Tohuwabohus nur knapp am Cockpit des AGR-Dallara durch die Luft vorbeisegelte.

Wie könnte die Zukunft von Andretti aussehen?

Für die Saison 2009 hatte sich der berühmteste Motorsport-Enkel der Welt daher etwas mehr erhofft - bislang blieben seine Wünsche jedoch unerfüllt: Platz vier in Texas war in diesem Jahr bislang das höchste der Gefühle. Den vorläufigen Tiefpunkt bildete das Rennen im kanadischen Toronto. Nachdem Andretti mit seinem Boliden trotz aller Mühen im Qualifying nicht über Rang 17 hinauskam, standen die Zeichen auf Sturm.

Marco Andretti

Skepsis: Kann sein Team Marco Andretti das Material zum Siegen geben? Zoom

Der AGR-Pilot fluchte, schnappte sich seinen Manager und grollte ihm "Wir müssen reden" ins Ohr. Auf das anschließende Teambriefing verzichtete Andretti ganz, stattdessen schwang er sich auf sein Motorrad, und brauste davon. Damit steht die Karriere des Shootingstars am Scheideweg: Bei AGR saß der 22-Jährige bislang in einem gemachten Nest, doch die Formkurve des Teams seines Vaters zeigt aktuell deutlich nach unten.

Im Vergleich zu den Vorjahren ist die einstige Erfolgsrennschmiede nur noch ein Schatten ihrer selbst, die Meistermacher von Dario Franchitti, Dan Wheldon und Tony Kanaan haben 2009 bislang noch keinen Fuß auf den Boden bekommen. Marco Andretti hat sich nun innerhalb der nationalen und auch internationalen Rennszene einen hinreichend großen Namen gemacht, um sich auf eigene Faust zum Erfolg durchschlagen zu können - ohne seinen Vater als Teamboss im Hintergrund. Und der 22-Jährige ist dank des Namens, der ihm auf dem Weg nach oben sicherlich nicht gerade die Türen versperrte, zum Erfolg verdammt.

Andretti und die Formel 1

Keine Frage - der Name Andretti gehört in die Formel 1 wie PS-Gebrüll und Reifenqualm. Und es versteht sich von selbst, dass der AGR-Pilot schon längst die Fühler in Richtung Europa ausgestreckt hat. Eingedenk des großväterlichen Ruhmes und gleichzeitig der väterlichen Niederlagen hat Andretti Jr. ein etwas ambivalentes Verhältnis zum Grand-Prix-Sport. Insgesamt überwiegt aber natürlich die Neugier, der Lockruf des Ruhmes in der großen, weiten Welt und nicht zuletzt die sportliche Herausforderung.

Marco Andretti

Marco Andretti im Jahr 2007 auf den F1-Spuren von Großvater Mario im Honda Zoom

Am 15. Dezember 2006 war es schließlich erstmals soweit: Im winterlichen Jerez nahm Andretti Platz im Honda RA106, dem Einsatzfahrzeug des damaligen Honda-Formel-1-Teams und drehte insgesamt 67 Runden. Zu verdanken hatte er diesen Test der damals starken US-Connection bei dem heute unter dem Namen BrawnGP firmierenden Rennstall: Hondas damaliger Sportdirektor Gil de Ferran besaß als ehemaliges IndyCar-Ass und mehrfacher ChampCar-Meister natürlich beste Kontakte zur amerikanischen Renn-Szene inklusive ihrer Stars.

Und schließlich sorgte Honda damals wie heute als alleiniger Alleinausstatter der IndyCar für die nötige Motoren-Power. Der Test war die Belohnung der Japaner für seine starken sportlichen Leistungen in seiner Rookiesaison 2006. Ein ganzes Jahr später wurde aus dem ersten, lockeren Test eine etwas ernstere Sache: Andretti durfte gleich zwei Testtage im Interims-Honda RA106B bestreiten.

Doch der US-Star, der schon ein Weilchen in den Notizbüchern der Honda-Allmächtigen stand, wusste bei dieser neuen Gelegenheit nur wenig zu überzeugen und so rückte das Projekt "Andretti in die Formel 1" bei Honda wieder etwas in den Hintergrund. Der Shootingstar selbst gab an, erst IndyCar-Titel sowie Indy-500-Sieg erringen zu wollen, bevor er die Segel in Richtung neuer Abenteuer in Europa setzen wolle.

USF1 irgendwann ein Thema?

Indes hat Sportdirektor de Ferran das Team verlassen und auch Honda hat sich aus der Formel 1 zurückgezogen. Doch Andretti hätte noch ein Hintertürchen zum Grand-Prix-Sport, nicht zuletzt dank seines amerikanischen Passes. Immer wieder fiel sein Name im Zusammenhang mit dem neu gegründeten Rennstall USF1, der ab 2010 in der Königsklasse antreten will.

Marco Andretti

Marco Andretti als A1GP-Pilot im Stars-and-Stripes-National-Team Zoom

Teamchef Ken Anderson sprach sich bislang zwar gegen eine Verpflichtung des heute 22-Jährigen aus: Er wolle seinem Freund Michael Andretti keinen seiner Fahrer ausspannen - jedenfalls nicht, solange dieser vertraglich an AGR gebunden ist. "Aber irgendwann würden wir vielleicht gerne mit ihnen darüber reden", ließ Anderson durchblicken. So erfolgreich Großvater Mario war, so erniedrigend war die Formel-1-Zeit für Vater Michael Andretti. Wie würde sich der Kronprinz schlagen?

An Formel-1-Vorbildern fehlt es Marco Andretti jedenfalls nicht, der Amerikaner outete sich als Bewunderer von Lewis Hamilton, Felipe Massa, und Rubens Barrichello. Aber auch bei den Kollegen von der MotoGP lässt sich der 22-Jährige gerne blicken und plauscht dabei am liebsten mit "Kentucky Kid" Nicky Hayden, dem amerikanischen Weltmeister von 2006. Motorrad-Megastar Valentino Rossi genießt natürlich ebenfalls größte Bewunderung seitens Andretti, der nicht nur sein Talent, sondern auch die Gesichtszüge von seinen pfeilschnellen Vorfahren geerbt hat.

Abgesehen von der Formel 1 hat der Mario-Enkel natürlich noch anderweitige sportliche Ausflüge unternommen, etwa in die A1GP. Dies wurde möglich, nachdem sein Vater kurzerhand zum Seatholder des US-A1GP-Teams avancierte. In der zurückliegenden Saison bestritt er fünf Rennwochenenden und hat dabei insgesamt 16 von insgesamt 24 Teampunkten geholt. Auch im Langstreckensport war Marco Andretti schon unterwegs, in Diensten von AGR, versteht sich. In der American Le Mans Series nahm er im Acura an einigen Saisonläufen teil. Darunter befanden sich die Klassiker Petit Le Mans oder die 12 Stunden von Sebring.

Der Druck und das Privileg des Namens "Andretti"

Neben den drei Hauptdarstellern des Andretti-Familienunternehmens gibt es noch weitere Protagonisten des Clans, welche sich größtenteils ebenfalls der Geschwindigkeit verschrieben haben. Mario Andrettis Bruder Aldo beispielsweise oder sein zweiter Sohn Jeff, der beinahe bei einem Rennunfall tödlich verunglückt wäre, verdienten ihr täglich Brot mit dem Motorsport. Zu den heute noch Aktiven zählt NASCAR-Veteran John Andretti, der Sohn von Aldo.

Marco Andretti

Die Andrettis - keine ganz normale Rennfahrerfamilie... Zoom

Man sieht also: Die Andrettis haben so viel Benzin in den Adern, dass man ihren Blutdruck in Oktan messen könnte. "Marco kennt das Familienerbe", erklärt Vater Michael, wie sich sein Sohn selbst unter Druck setzt. "Er glaubt daher, dass er es packen muss." Und dieses Erbe ist schwer - von einem Andretti erwartet man nach all den Jahrzehnten voller Erfolgsstories eben nichts Anderes, als Siege, Siege und nochmal Siege. Zum Glück federt Andrettis prominente Teamkollegin Danica Patrick einiges an Aufmerksamkeit seitens der Öffentlichkeit ab. Was ihm sein Familienerbe aber bedeutet, zeigt Andrettis Helmdesign, welches der Kronprinz leicht abgewandelt von seinem Vater und Großvater übernommen hat.

Marco Andretti selbst hat noch zwei Geschwister, Marissa und Lucca. Lucca arbeitet als Ingenieur, Marissa ist im öffentlichen Dienst angestellt. Übrigens wäre das furchtlose Vollgastier Marco Andretti nicht glücklich, würde seine Geschwister ebenfalls seinem Vorbild nacheifern und im Motorsport als Rennfahrer Fuß fassen wollen: Er hätte viel zu sehr Angst um sie. Noch mehr Angst hat allerdings Mutter Sandy, die jedes Rennen um ihren rasenden Filius zittert und bibbert.

Egal, was die Zukunft von Marco Andretti bringt - sie könnte sich auf jeden Fall recht bald entscheiden. Denn der Jungstar, zu dessen Hobbys u.a. Eishockey gehört, will auf gar keinen Fall auf einem einzelnen Sears-Point-Sieg von 2006 sitzen bleiben und um nicht als ewiges Talent gebranntmarkt zu werden, muss jetzt der nächste Karriereschritt vollzogen werden, egal in welchem Team. In die NASCAR zieht es ihn nicht im Vergleich zu seiner Teamkollegin Danica Patrick bislang offenbar nicht. Sollte sie zu den Stockcars wechseln, wird das Rampenlicht auf Andretti um einiges gleißender werden.