Einheitselektronik: In Zukunft noch mehr Reifenschäden?

Tom Sykes warnt vor den Folgen der für 2019 geplanten Einheitselektronik - Ein komplettes Verbot der Fahrhilfen nach BSB-Vorbild hält der Brite für absurd

(Motorsport-Total.com) - Hinter den Kulissen der Superbike-WM brodelt es. Durch die Dominanz von Kawasaki und Ducati sind die WSBK-Verantwortlichen im Zugzwang und müssen für die Zukunft etwas ändern. Die Einführung der Einheitselektronik wird als erster Schritt angesehen. Ab 2019 sollen die Superbikes nach MotoGP-Vorbild mit einem einheitlichen Steuergerät ausgerüstet werden, das mit einer vorgegeben Software betrieben wird. Doch damit sind nicht alle einverstanden. Ducati-Superbike-Projektleiter Ernesto Marinelli warnte bereits vor den damit verbundenen Folgen und nannte die Nachteile dieses Systems.

Titel-Bild zur News: Tom Sykes

Kawasaki nutzt die WSBK, um das Serien-Superbike zu verbessern Zoom

Und auch unter den Fahrern gibt es nicht nur Befürworter. "Ich bin kein Freund davon, denn die Hersteller investieren sehr viel Geld in die Meisterschaft", kommentiert Kawasaki-Werkspilot Tom Sykes im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' und begründet: "Alles, was hier entwickelt wird, fließt in die Serienprodukte ein. Ich denke, es ist nicht der richtige Weg. Dadurch verlieren die Hersteller die Chance, neue Technologien zu entwickeln für ihre Kunden."

Große Sorgen macht sich der Brite mit Blick auf die Reifenschäden. In der laufenden Saison kam es zu einigen gefährlichen Zwischenfällen, weil die Pirelli-Hinterreifen den Belastungen nicht standhielten. "Diese Reifenprobleme sind offensichtlich keine einmalige Sache. Die Verantwortlichen der Serie sollten sich das anschauen und sich Gedanken machen, wie die Sicherheit der Fahrer gewährleistet wird", fordert Sykes.

"Sollte es eine Einheits-ECU geben, dann wird das die Reifen noch stärker belasten. Das heißt, wir sehen mehr solche Unfälle. Wir sollten uns vielleicht auf andere Bereiche konzentrieren und nicht ständig die Regeln ändern", kritisiert der Kawasaki-Pilot, der nicht davon ausgeht, dass Pirellis Streben nach mehr Performance die Schäden verursacht hat. Einige Kritiker behaupteten, dass Pirelli die Sicherheit bewusst gefährdet hat, um an die Performance der MotoGP-Reifen heranzukommen. "Nein, das sagen nur Leute, die sich wichtig machen möchten. Pirelli leistet gute Arbeit, genau wie Michelin oder Bridgestone", bemerkt Sykes.


Fotos: Superbike-WM auf dem Lausitzring


BSB-Format für Sykes keine Alternative

Kurios ist, dass in der Britischen Superbike-Meisterschaft seit vielen Jahren komplett ohne elektronische Hilfsmittel wie Traktionskontrolle gefahren wird. Würde man nicht viele Diskussionen umgehen, wenn man dieses System auch in der WSBK anwendet? "Die Leute, die diese Regeln aufstellen, verstehen nicht allzu viel vom Motorradrennsport. Man wird durch eine Traktionskontrolle nicht zu einem schlechteren oder besseren Fahrer", betont Sykes.

"Es hilft dem Fahrer, um dem Fahrer das Maximum aus dem Motorrad zu holen, wenn er viele Runden fährt. Unterm Strich muss man auch festhalten, dass die BSB-Rennen im Schnitt 25 Minuten lang sind und bei maximal 30 Grad Streckentemperatur veranstaltet werden. Die Reifen verhalten sich also ein bisschen besser als sie es hier in der Superbike-WM tun. Wir fahren über 30 Minuten und haben bis zu 60 Grad Streckentemperatur. Im Schnitt sind die Temperaturen deutlich höher als in der BSB", vergleicht der erfahrene Ex-Champion.

Tom Sykes

Tom Sykes: "Die besten Fahrer werden immer die besten Fahrer sein" Zoom

"Die besten Fahrer werden immer die besten Fahrer sein, egal welches Motorrad sie bewegen, ob es eine Traktionskontrolle hat oder nicht", ist Sykes überzeugt. Die Entwicklung der Superbike-WM gefällt ihm momentan nicht: "Ich verstehe es nicht richtig. Es geht immer darum, Kosten zu sparen. Doch die Regeln ändern sich für meinen Geschmack extrem oft. Das kreiert doch neue Kosten."

Melandri sieht Einheitselektronik ebenfalls kritisch

Auch Ducati-Werkspilot Marco Melandri sieht die Einführung der Einheitselektronik kritisch, auch wenn dieser Schritt in der MotoGP als Erfolg gewertet werden kann. Der Italiener fürchtet, dass die Hersteller das Interesse verlieren, da keine Entwicklungsarbeit geleistet werden kann. Die Budgets für die Entwicklung der Straßenmaschinen fließen dann vermutlich nicht mehr in den Rennsport.

"Es sieht danach aus, als ob es zu spät ist für kommende Saison. Die Einheitselektronik soll wohl erst 2019 kommen", grübelt Melandri und analysiert: "Ich denke nicht, dass die Elektronik ein großer Kostenfaktor ist. Ich bezweifle auch, dass die Ergebnisse stark davon abhängen. Ich sehe es so, dass die Elektronik-Hardware eine Sache ist, doch viel wichtiger ist, wer sich damit beschäftigt. Die Ingenieure machen den Unterschied aus."

Marco Melandri

Melandri über Elektronik: "Bezweifle, dass die Ergebnisse stark davon abhängen" Zoom

"Ich erwarte nicht, dass sich allzu viel ändert, wenn eine Einheitselektronik eingeführt wird", bemerkt Melandri, der nicht davon ausgeht, dass sich die Kräfteverhältnisse ändern werden. Nach wie vor werden diejenigen gewinnen, die sich am intensivsten bemühen. In der MotoGP haderte Honda zu Beginn mit der Elektronik, schaffte den Anschluss aber mit der Zeit: "HRC verwendete ein anderes System. Sie benötigten Zeit, um sich an die neue Elektronik zu gewöhnen. Doch nach einer gewissen Zeit erreichten sie die gleiche Performance wie zuvor", so Melandri.