powered by Motorsport.com
  • 30.12.2016 10:20

Beifahrerlegende Perin überzeugt: Dakar 2017 wird extrem hart

Mit vier Dakar-Siegen als Beifahrer zählt Michel Perin zu den Besten seiner Zunft - Im Interview blickt der Franzose auf die Route und die Schwierigkeiten der Rallye 2017

(Motorsport-Total.com) - Michel Perin ist in der Langstreckenrallye-Szene eine lebende Legende. Mit seinen 59 Jahren hat der sympathische Franzose nichts von seiner Begeisterung dafür verloren, Rennen zu fahren, weiter zu lernen und die Welt zu erleben. Einmal mehr teilt er sich bei der Dakar das Cockpit eines Mini Rennfahrzeugs mit Mikko Hirvonen. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass Perin großen Anteil an ihrem starken vierten Platz bei der Dakar 2016 hatte und Hirvonen dabei geholfen hat, sich den Titel des "Best Rookie" bei der Dakar zu sichern. Périns Beruf ist der des Beifahrers, doch mit seiner umfassenden Erfahrung könnte er sich auch als Autor betätigen und ein Buch über die Dakar schreiben. Es würde sicherlich auf den ersten Platz der Bestsellerlisten stürmen...

Titel-Bild zur News: Michel Perin

Michel Perin zählt zu den erfahrensten und besten Dakar-Beifahrern Zoom

Frage: "Mit welchen Erwartungen gehst du in die Dakar 2017 und was denkst du über die diesjährige Route?"
Michel Perin: "Jedes Jahr sagen wir aufs Neue: 'Ah, das ist die Dakar, sie wird viel schwieriger als im vergangenen Jahr.' Aber das sind nur Worte, denn im Prinzip ist es dann doch immer dasselbe. Doch in diesem Jahr gibt es einige große Veränderungen und ich verspreche dir, dass wir es mit der schwierigsten Dakar seit mindestens zehn Jahren zu tun bekommen werden."

"Das hat zwei Gründe. Zum Einen: das Terrain. Es gibt mehr Offpisten-Sektionen im freien Gelände, die einem das Leben definitiv schwer machen. Zweitens: sehr schwierige Navigationsvorgaben und Änderungen in der Art zu Navigieren. Ich mache keine Scherze wenn ich sage, dass es in diesem Jahr für uns sehr schwierig werden wird."

Die Dakar wird diesmal bestimmt schwierig

Frage: "Hast du schon eine Vorstellung, was bei der Dakar 2017 die schwierigsten Etappen werden könnten?"
Perin: "Generell gesprochen werden alle Etappen in Bolivien schwierig, wegen der großen Höhe und wegen der längeren Distanz, die abseits von vorgegebenen Pisten gefahren wird. Die Etappe von Chiletico nach San Juan wird meines Erachtens nach schwierig, weil sich die Startreihenfolge der ersten zehn Autos, der ersten zehn Bikes und so weiter nach den am Vortag gefahrenen Zeiten richtet. Der Start erfolgt auf sehr weichem Terrain, das ist nicht ideal. Falls möglich, bevorzuge ich es, in den Top-5- loszufahren, denn dann ist das Terrain okay. Aber bei einem solchen Start wird der Boden aufgewühlt und sehr weich. Das ist nicht so gut."

Frage: "Kann es vorkommen, dass eine Crew auf bestimmten Etappen einen Vorteil haben kann?"
Perin: "Du musst diese Antwort mit Humor nehmen: Ich persönlich weiß, dass einen die Dakar eine Menge Demut lehrt, und wenn Leute denken, dass sie bei der Dakar einen Vorteil haben, dann haben sie wahrscheinlich noch nie an der Dakar teilgenommen!"

Frage: "Bei der Rallye Dakar 2016 gab es viel Regen und der wirkte sich massiv auf das Renngeschehen aus. Ist dies ein solch großes Problem?"
Perin: "Wenn es so viel regnet wie im vergangenen Jahr, dann ja. Zum Glück mussten sie uns bezüglich mancher Abschnitte nach unserer Einschätzung fragen. Wenn es ein bisschen regnet, ist das gar nicht so schlecht, weil man dann nicht mit dem Staub zu kämpfen hat. Für den Fahrer ist es dann natürlich schwieriger, weil es rutschig ist. Klar: Die Autos vor einem hinterlassen tiefe Spuren und das kann im Nassen zum Problem werden. Von daher sind uns trockene Bedingungen generell lieber, aber man weiß nie, wie es bei der Dakar sein wird."

Vertrauen zwischen Fahrer und Beifahrer entscheidend

Frage: "Was führt zu dieser ganz besonderen Verbindung zwischen Beifahrer und Fahrer? Vertrauen?"Die gleiche Art zu Denken? Telepathie?"
Perin: "Puuh... das Gute ist, dass ich in Mikko einen fantastischen und talentierten Fahrer neben mir habe. Er ist ein herausragender Pilot und von daher mache ich mir keine Gedanken darüber, wie er fährt. Ich kann mich überwiegend auf meine Aufgaben konzentrieren und weiß, dass er mir vertraut. Man muss sich gegenseitig vertrauen und die Gewohnheiten des anderen kennen. Auch die Fähigkeit zu Kommunizieren ist unverzichtbar. Ich bin Franzose, und Mikko ist Finne, aber wir beide kommunizieren auf Englisch, das ist die gemeinsame Sprache. Nun sind wir an dem Punkt angelangt, an dem alles automisch läuft - es dauert, bis es soweit ist, aber es ist notwendig."

Frage: "Was ist für dich persönlich der beste Teil der Rallye Dakar? Der Zieleinlauf? Der Start? Die Heimreise?"
Perin: "Nein, nein, nein... ich würde sagen, das Beste ist das Rennfahren selbst. Ich werde im Januar 60 - ja, ich bin gewissermaßen ein Dinosaurier - und die Leute fragen mich, warum ich immer noch Rennen fahre. Ich kann den Grund erklären: Wenn du bei der Dakar startest, dann folgst du 15 Tage lang deiner eigenen Route. Generell gesprochen ist das wahrscheinlich das, was alle so daran lieben. Denn wenn ich von der Dakar nach Hause komme, vermisse ich es bereits. Wenn man Rennen fährt, hat man einfach ein solches Hochgefühl. Auch wenn man durch verschiedene Länder kommt und Neues entdeckt. Bolivien wird interessant. Selbst unter Rennbedingungen sehen und erleben wir Dinge, die wir nie wieder vergessen."


Die Route der Rallye Dakar 2017

Paraguay, Bolivien und Argentinien: Ein Blick auf die zwölf Etappen der Rallye Dakar 2017 in Südamerika. Weitere Rallye-Videos

Extrem lange Arbeitstage

Frage: "Kannst du in wenigen Worten die Höhen und Tiefen eines Beifahrers beschreiben?"
Perin: "Wenn man ein gutes Ergebnis holt und gut durch die Etappen navigiert, dann kann man stolz auf sich sein. Was wird 2017 passieren? Ich denke, dass es hoffentlich solche Tage geben wird. Aber ich bin sicher, dass es auch Tage geben wird, an denen ich nicht mit mir zufrieden bin - und da werde ich nicht der einzige sein. Beifahrer zu sein ist ein schwieriger Job. Anders als in der WRC können wir die Route nicht vorher besichtigen. In der WRC stehen sie nicht vor den unbeantworteten Fragen: wo werde ich steckenbleiben, wo verfahre ich mich, wo werde ich einen großen Fehler machen, wo werde ich versuchen, besonders präzise zu navigieren? In der WRC ist das größte Risiko, einen Fehler zumachen und einen Unfall zu bauen, weil man so schnell fährt. Wir müssen noch eine Menge mehr möglicher Fehler vermeiden, während wir schnell fahren!"

Frage: "Wie lange ist ein Renntag für dich?"
Perin: "Als ich 35 Jahre alt war, bin ich das Rennen von Paris nach Peking gefahren. Ich war Beifahrer und wir sind nach 27 Tagen in Peking angekommen: Wir haben gewonnen. An diesen 27 Tagen habe ich durchschnittlich drei Stunden pro Nacht geschlafen. Danach war ich ziemlich erledigt, wie man sich vorstellen kann. Heute ist für mich vollkommen klar: Ich muss mindestens viereinhalb Stunden pro Nacht schlafen. Tue ich dies nicht, kann ich zwei Tage später keinen guten Job mehr machen."

"Egal, um welche Uhrzeit ich nach einer Etappe im Biwak ankomme: Ich muss um 30 Minuten nach Mitternacht im Bett sein. Davor muss ich sechs, sieben oder acht Stunden am Roadbook arbeiten. Die Tage sind sehr lang. Man duscht schnell, isst schnell etwas, geht sehr schnell auf die Toilette. Alles muss schnell erledigt werden. Ich vermute, dass wir 2017 abends ins Biwak kommen werden. Normalerweise sind wir gegen 15 oder 16 Uhr fertig, aber ich denke, dass es dieses Jahr 18 Uhr werden wird. Einige Teilnehmer werden sicherlich in der Dunkelheit ankommen."