• 20.11.2016 09:00

Australien-Sieger Mikkelsen: "Werde dieses Team vermissen"

In die Freude über den Sieg mischte sich bei Andreas Mikkelsen auch eine gehörige Portion Melancholie: Im Servicecamp von Volkswagen flossen Tränen

(Motorsport-Total.com) - Dunkle Sonnenbrillen waren Pflicht im Volkswagen-Camp beim letzten Service der Saison. Gestandene Mechaniker brauchten das Accessoire, um verheulte Augen zu verbergen. Nach fünf Jahren in der Weltmeisterschaft, davon vier mit Titelgewinn, schloss sich in diesem Moment ein Kapitel für die Erfolgsmannschaft. Der überraschende WM-Ausstieg von Volkswagen hat alle Zukunftsplanungen zunichte gemacht.

Titel-Bild zur News: Andreas Mikkelsen

Andreas Mikkelsen (rechts) gewann beim letzten WRC-Einsatz von Volkswagen Zoom

Und auch Sieger Andreas Mikkelsen wollte eine gewisse Traurigkeit erst gar nicht leugnen. "Schon auf dem letzten Kilometer der letzten Wertungsprüfung habe ich zu meinem Beifahrer Anders Jäger gesagt: Mein Gott, wie werde ich dieses Auto und dieses Team vermissen", verrät der Norweger nach der Zieldurchfahrt.

Dabei hatte Mikkelsen eigentlich allen Grund, bis über beide Ohren zu strahlen. Zum ersten Mal hatte er Weltmeister Sebastien Ogier im offenen Zweikampf geschlagen. Anders als bei seinem ersten WM-Sieg bei der Rallye Spanien 2015, als Ogier in Führung liegend in eine Leitplanke rutschte und damit selbst den Sieg wegwarf, verteidigte Mikkelsen in Australien praktisch vom Start weg die Spitze. "Mir war klar, dass ich unbedingt gewinnen muss, wenn ich noch eine Chance auf den Ehrentitel des Vizeweltmeisters haben will. Deswegen hieß meine Strategie vom ersten Meter an: Alles oder nichts", sagt er.

Mikkelsen besiegt Ogier im direkten Zweikampf

Und im Gegensatz zur Verfolger Ogier, der drei Prüfungen vor dem Ziel mit einem Dreher alle Siegchancen einbüßte, leistete sich Mikkelsen nicht einen einzigen Fehler. "Ich denke, ich habe jetzt endgültig bewiesen, dass ich nicht nur den Speed habe, um Rallyes zu gewinnen, sondern auch auf hohem Niveau eine Rallye zu Ende fahren kann", fasst er zusammen.

Mit der Vizeweltmeisterschaft wurde es trotzdem nichts. Dazu hätte Hayden Paddon (Hyundai) bis ins Ziel vor Thierry Neuville (Hyundai) bleiben müssen. Ein Fahrfehler Paddons spülte Neuville auf Rang drei nach vorne. Damit war dem Belgier Rang zwei in der Jahresendwertung nicht mehr zu nehmen.

Mikkelsens Konkurrent und Teamkollege Ogier nahm die Niederlage sportlich: "Ich habe in der gesamten Saison 2016 nur zwei Fehler gemacht. Damit kann ich gut leben. Andreas hat diesen Sieg wirklich verdient." Auch der Weltmeister zeigte sich überwältigt von den Emotionen. "Es ist unglaublich, was wir zusammen in den letzten fünf Jahren erreicht haben. Das Team ist in dieser Zeit wie eine Familie für ich geworden. Eine großartige Reise geht zu Ende und ich bin stolz, ein Teil davon gewesen zu sein."

Große Emotionen beim Abschied von Volkswagen

Sogar Jari-Matti Latvala, als Finne eher weniger zu Gefühlsausbrüchen neigend, gab zu: "Am liebsten würde ich heulen. Wir feiern als Team einen tollen Sieg. Schade, dass es wohl unsere letzte gemeinsame Party ist."

Der Sieg beim letzten Auftritt des Volkswagen-Werksteams in der Rallye-WM war für Mikkelsen die perfekte Gelegenheit, in ihn gesetztes Vertrauen zurückzuzahlen. "Volkswagen ist das Team, das mir die Chance gegeben hat, in die Top-Liga der Rallye-WM aufzusteigen", lauteten die Schlussworte des Norwegers. Schon bei der Rallye Finnland 2011 fuhr zum ersten Mal für das Team, damals noch im Skoda Fabia als Bewerbung für ein Werkscockpit. "Sie haben viel Vertrauen in mich gesteckt und mir so viel ermöglicht. Das wird immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben", sagt er.