• 07.07.2016 12:44

  • von David Evans (Haymarket)

Analyse: Weshalb Tänak und DMACK plötzlich siegfähig waren

Mit Ott Tänak und Reifenhersteller DMACK hätte es bei der Rallye Polen um ein Haar Überraschungssieger gegeben: Wie kam es dazu?

(Motorsport-Total.com) - Ott Tänak stand am vergangenen Sonntag bei der Rallye Polen kurz vor dem Sieg und hätte in zweifacher Hinsicht Geschichte schreiben können. Es wäre nicht nur sein Premierensieg in der Rallye-Weltmeisterschaft (WRC) gewesen, sondern auch der erste Sieg für Reifenhersteller DMACK. Außerdem wäre damit die dreieinhalbjährige Durststrecke von M-Sport ohne Sieg zu Ende gegangen, und erstmals seit Ende 2010 wäre der Sieger einer WRC-Rallye nicht mit Reifen von Michelin gefahren.

Titel-Bild zur News: Ott Tanak

Ott Tanak lag mit seinem DMACK-Fiesta in Polen lange auf Siegkurs Zoom

Am Ende verpassten Tänak und Beifahrer Raigo Mölder durch einen Reifenschaden bei der vorletzten Wertungsprüfung den Sieg. Platz zwei war da nur ein schwacher Trost. Doch warum waren der Este und der britisch-chinesische Reifen in Polen so gut? Fragen und Antworten zur Überraschung der bisherigen WRC-Saison.

Warum war DMACK in Polen so gut?
Die Grundlagen dafür wurden im vergangenen September gelegt. Damals wurde der Wechsel von Fiorenzo Brivio, nach allgemeiner Einschätzung der beste und erfahrenste Reifeningenieur der WRC, von Pirelli zu DMACK verkündet. Außerdem wurde die Fertigung der Rallyereifen von China in die Cooper-Reifenfabrik im britischen Wiltshire verlegt.

Dadurch standen die von Brivio entwickelten Reifenmischungen und -konstruktionen innerhalb weniger Tage für Tests zur Verfügung, während früher Wochen ins Land strichen. Durch diese Flexibilität konnte DMACK für 2016 die Schotterreifen bauen, die sie haben wollten.

Da Firmenchef Dick Cormack erkannte, dass seine Firma Michelin nicht während der gesamten Saison herausfordern kann, konzentrierte man sich auf die weniger groben Asphalt-Rallyes und stimmte den DMG+2-Reifen perfekt auf die Bedingungen ab.

Die weichen Reifen von DMACK waren deutlich weicher als die der Konkurrenz und daher im Nassen unschlagbar. Die harten Reifen von DMACK sind nur marginal härter als die weichen von Michelin. Daher fehlt ihnen die notwendiger Stabilität, wie man sie auf Sardinien braucht (wo dann auch einige Reifen zerstört wurden), dafür lieferten sich über eine komplette Vormittags- oder Nachmittagsschleife in Polen aber mehr Grip und Stabilität.


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Werden sie anderswo ähnlich gut sein?
Finnland und die Rallye Großbritannien sind zwei Veranstaltungen, bei denen man mit DMACK rechnen muss. In Finnland sind die Straßen nicht so weich wie die am Schlusstag rund um Mikolajki in Polen. Daher ist das Risiko, dass der Reifen in den Spurrillen von der Felge springen, deutlich geringer.

Die Umgebungstemperaturen in Jyväskylä sind vergleichbar mit denen Polen. In Finnland kann es bei 14 Grad Regnen oder bei 30 Grad die Sonne scheinen. Für beide Eventualitäten ist DMACK gut gerüstet.

In Wales sind die Aussichten vielleicht etwas schlechter, denn bei der Veranstaltung rund um Deeside ist das Risiko von Reifenschäden größer. Um eine bessere Performance zu erzielen, hat DMACK die Seitenwand der Reifen leichter gemacht, damit aber auch die Stabilität und Widerstandsfähigkeit reduziert.

Welchen Anteil hatte Tänak an der Performance?
Da kein anderer Werksfahrer mit DMACK-Reifen fährt, ist das schwierig zu sagen. Man darf aber Tänaks Tempo in Polen nicht unterschätzen. Schon im vergangenen Jahr hatte er dort geführt und hätte gewinnen können. Als Este ist er zudem auf schnellem Schotter aufgewachsen. Das ist ähnlich wie mit den Finnen, aber sagt ihm das bloß nicht!

Hatte die Startreihenfolge einen Einfluß?
Auf jeden Fall. Man muss sich nur ansehen, wie viel Zeit Sebastien Ogier verloren hat, vor allem auf den längeren Prüfungen am Samstag. Weiter hinten zu starten war auf jeden Fall ein Vorteil. Wie groß er war, darüber lässt sich streiten. Andreas Mikkelsen konnte im gleichen Auto wie Ogier gegen Tänak kämpfen, und der Norweger ging als Dritter fünf Autos vor dem DMACK-Fiesta auf die Strecke.

War der Plattfuß ein Reifenschaden oder ein Fehler?
Wann ist ein Plattfuß ein Reifenschaden? Der Reifen sprang in einer der tiefen Spurrillen von der Felge. Diese Spurrillen entstanden, weil die Weltmeisterschaft auf eine Straße fuhr, die eher an einen Strand erinnerte. Die Prüfungen am Sonntag in Polen waren die weichsten und sandigsten im bisherigen Saisonverlauf, und wenn es dann noch regnet, wir die Straße umgepflügt.

Solche Spurrillen sind eine echte Herausforderung. Einige Fahrer kommen besser damit zurecht als andere. Jari-Matti Latvala zwingt das Auto mit seinem aggressiven Fahrstil auf Kurs. Andere fühlen sich nicht wohl, wenn das Auto durchgeschüttelt wird und sie einer vorgegebenen Linie folgen müssen. Tänak ist in Spurrillen normalerweise sehr gut, aber mit einer weniger stabilen Seitenwand hat er seinem rechten Vorderreifen möglicherweise etwas zu viel zugemutet. Allerdings gab es auch bei den Rivalen von DMACK viele Reifenschäden und Pneus, die von der Felge rutschten.


Fotos: WRC: Rallye Polen


Was sagt das über die Konkurrenzfähigkeit des Ford Fiesta aus?
Es hat zweifelsfrei gezeigt, dass der Fiesta auf höchster Ebene noch gewinnen kann. In Polen braucht man zwei Dinge: Einen starken Motor und ein Chassis, das einem bei den hohen Geschwindigkeiten Vertrauen gibt. M-Sports konnte mit beidem dienen.