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  • 27.08.2009 17:09

  • von Pete Fink

Leute mit Biz: Uwe Brettel und der Porsche-Kundensport

Von der Straße auf die Rennstrecke: Uwe Brettel ist als Vertriebsleiter bei Porsche verantwortlich für das weltweit erfolgreiche Kundensportprogramm

(Motorsport-Total.com) - "Die Formel 1 ist alle zwei Wochen für zwei Stunden Sport, aber dazwischen knallhartes Business", hat der große Frank Williams einmal gesagt. Für 'Motorsport-Total.com' Grund genug, eine Artikelserie ins Leben zu rufen, die sich mit dem Businessaspekt des Motorsports beschäftigt. In unregelmäßigen Abständen stellen wir eine Persönlichkeit vor, die sich im Motorsportbusiness durchgesetzt hat und mit Biss an ihre Sache herangeht - "Leute mit Biz" eben. Heute in der 16. Edition: Uwe Brettel, der Vertriebsleiter des Porsche-Kundensportprogramms.

Titel-Bild zur News: Uwe Brettel Porsche Kundensport Vertriebsleiter

Uwe Brettel ist der Vertriebsleiter des Porsche-Kundensportprogrammes

Mit dem Porsche 356, dem legendären zweisitzigen Roadster, begann 1948 bei Porsche eine Historie, die bis heute noch großen Einfluss auf die Motorsportaktivitäten der Zuffenhausener hat. Brettel erzählt die Geschichte des Ursprungs gerne: "Gleich nachdem der erste Porsche 356 an den Kunden ausgeliefert wurde, ist er ein Rennen gefahren und hat dieses Rennen sogar gewonnen."#w1#

Es war die große Zeit einer ganz neuen Motorsportkultur, die sich vor allem in Amerika sehr stark entwickelte. Quer durch die ganze Gesellschaft übrigens, denn selbst Hollywood-Größen wie Steve McQueen oder Paul Newman packte das Rennfieber - und nur all zu oft war dabei ein Porsche das dabei bevorzugte Renngerät.

"Früher war es völlig normal, dass man mit seriennahen Autos auch Motorsport betrieben hat", erklärt Brettel. "Damals waren die Autos noch nicht so spezialisiert, wie es heute der Fall ist. Dieses betraf ja nicht nur Porsche, sondern auch andere Marken wie Triumph, Jaguar oder Ferrari. Die Leute kauften diese Autos und fuhren zur nächsten Rennstrecke."

Die Ausnahme Porsche

Für den Hersteller Porsche nicht ohne Konsequenzen: "Damit war der Ansatz klar, dass die bestehenden Kunden auch betreut werden wollten. Und mit der Spezialisierung von einem leicht modifizierten Straßenauto hin zu einem Rennwagen hat sich diese Entwicklung bei Porsche entsprechend stark ausgebildet. Das ist bei uns die große Ausnahme gegenüber anderen Marken."

Porsche-Museum

Gelebte Realität: Vom Straßenauto bis zu diversen Le-Mans-Siegern Zoom

Brettel bezeichnet diese Ära der 1950er-Jahre zwar weniger als ein professionelles Kundensportprogramm, sondern eher als "gelebte Realität", aber im Prinzip wurde genau zu diesem Zeitpunkt eine Rennsportbasis geschaffen, die im Hause Porsche heute noch existiert und natürlich wesentlich umfangreicher definiert ist.

"Es gab in der Rennsportabteilung schon sehr früh Mitarbeiter, die auf die Betreuung der Kunden spezialisiert waren", weiß der 45-Jährige, der selbst seit 1995 direkt im Motorsport involviert ist. "Denn für Porsche war immer klar, dass die Entwicklung eines Modells immer nur dann sinnvoll ist, wenn man es hinterher auch verkaufen kann."

Deswegen gab es auch schon immer besondere Zubehörteile, "um aus diesem, auf Straßen zugelassenen Auto ein Rennauto zu machen." Natürlich waren diese Strukturen in den 1950er-Jahren bei weitem nicht so ausgebildet wie heute. "Aber es gab auch damals schon im Werk 1 in Zuffenhausen die Möglichkeit, sich diese besonderen Ersatzteile zu besorgen."

Der Geist im GT-Reglement

Brettel bezeichnet dies als "ein Grundbedürfnis. Ein Kunde kauft sich ein komplexes Rennauto und möchte dies optimal nutzen. Porsche wollte, dass seine Kunden konkurrenzfähig sind und hat dann damit begonnen, Mechaniker mit auf Renneinsätze zu schicken. Irgendwann stellte man fest, dass es sinnvoll ist, auch Teileverkauf direkt an der Rennstrecke bereitzustellen. Man hat sich also den Bedürfnissen der Kunden angepasst und so sind daraus im Laufe der Zeit richtige Kundensport-Unterstützungsprogramme mit Ingenieuren, Logistik und Performanceberatung entstanden."

Porsche Carrera Cup

Kundensport war bei Porsche schon immer ein zentraler Konzernbaustein Zoom

Im Sportwagenbereich wohlgemerkt, wie Brettel betont: "Viele der Autos, die damals im Motorsport eingesetzt worden sind, hatten noch eine ganz normale Straßenzulassung. Diese Verknüpfung zwischen einem normalen Serienauto und einem Rennwagen steckt heute noch geistig im GT-Reglement. Und genau das reizt uns nach wie vor."

Es ist ein immer noch aktueller Weg: "Die Kunden, die über die Straßenautos eine Verbindung zu Porsche haben, können eben sagen: Mein Auto nur zu modifizieren, reicht mir nicht. Diese Kunden können sich dann zum Beispiel einen GT3 Cup kaufen, weil sie mit ihrem normalen 911er nur zum Rennen kommen, aber im Rennen selbst dann ein Fahrzeug fahren wollen, dass auch nur für diesen Zweck gedacht ist."

Das Paradebeispiel dabei ist der Nürburgring: "Man muss sich nur einmal vor Augen führen, wie viele Porsche 911 GT3 dort auftauchen und im Rahmen verschiedener Veranstaltungen ihre Runden drehen. Der Anteil der GT-Autos, also der Autos, die für einen Betrieb auf der Rundstrecke optimiert sind, ist enorm hoch."

Die Porsche-Pyramide

Diese Faszination ist nach wie vor vorhanden: "Ob und wann so etwas dann mit dem Kauf eines richtigen Rennautos endet, ist dann immer nur die Frage, wie weit man sich aus dem Fenster lehnen will." Die Möglichkeiten dazu sind vielseitig, Porsche spricht in diesem Zusammenhang gerne von einer Pyramide.

RS Spyder, Penske Racing: Sascha Maassen, Ryan Briscoe

Der Porsche RS Spyder ist nach wie vor die obere Spitze der Porsche-Pyramide Zoom

"Die Basis unserer Kundensportaktivitäten sind die Porsche-eigenen Sportfahrschulen mit Fahrertrainings", erklärt Brettel. "Darüber hinaus gibt es die weltweiten Clubsport-Aktivitäten, die Porsche-Sports-Cups und unsere 13 weltweiten Markenpokale. Mit Priorität auf absoluter Gleichheit und Fairness, und im professionellen Umfeld wie etwa der Formel 1 und der DTM Rennen bietet dies Porsche-Kunden eine einzigartige Motorsport- und Erlebnisplattform.

Der entscheidende Aspekt dabei ist, dass "kein großer Aufwand betrieben werden muss um ein Auto zu verändern, sondern dass alle die gleiche Technik benutzen müssen. Der nationale und internationale GT-Sport bis hin zum RS Spyder rundet diese Pyramide nach oben ab."

So etwas bietet viele Aufstiegschancen. Brettel: "Es gibt einige ganz konkrete Beispiele. Ein Kunde kann sich heute bei einem Händler einen 911er kaufen und anschließend damit auf eine Rennstrecke gehen. Er stellt fest, dass er Talent hat und fährt das eine oder andere Clubrennen. Irgendwann kommt er an einen Punkt, an dem er sagt: Und jetzt will ich es wissen. Dann schreibt er sich in einen Carrera-Cup ein."

Mayländer, Alzen und die USA

Auf diese Weise entstanden ganze Motorsportkarrieren, wie etwa im Fall von Bernd Mayländer oder Uwe Alzen. "Das sind zwei deutsche Beispiele für solch ein direkt gelebtes Kundensportprogramm". Und natürlich gilt dies nicht nur für Deutschland und Westeuropa, vor allem die USA ist dabei einer der großen Schlüsselmärkte.

Uwe Alzen

Uwe Alzen gewann in der Saison 1994 den Porsche Supercup Zoom

Gerade dort stößt das Porsche-Kundenprogramm auf eine breite Basis: "Die Begeisterung für den Motorsport ist in Amerika unglaublich hoch", schildert Brettel. "Die Leute nehmen zu den ALMS-Rennen eine Anreise mit ihrem Porsche von teilweise weit über 1.000 Kilometern auf sich. Sie sind sehr gut informiert und wir bei Porsche binden diese Porsche-Fans dann auch an Ort und Stelle so weit wie möglich in das Renngeschehen ein, zum Beispiel mittels Talkrunden oder Boxentouren."

Nun tobt just auf diesem Schlüsselmarkt USA gerade eine handfeste Finanzkrise, wobei der Vertriebsleiter diesen Begriff überhaupt nicht mag: "Krise würde ich das nicht nennen. Natürlich ist es schwieriger geworden und das Geld sitzt auch nicht mehr so locker. Und es hängt davon ab, auf welchem Professionalitätslevel wir unterwegs sind. Ein Team, das heute professionellen Motorsport betreibt, hört deswegen ja nicht auf, denn daran hängen immerhin viele Existenzen."

NASCAR-Exot Buckler und TRG

Das berühmte Arbeiten mit kleineren Budgets also. Oder, zumindest in Einzelfällen, sogar das genaue Gegenteil, wie es etwa der langjährige Porsche-Kunde The Racers Group (TRG) zuletzt vormachte. Das kalifornische Team von Kevin Buckler wagte ausgerechnet in diesen Krisenzeiten den Sprung in die stürmischen Gefilde des US-Motorsportgiganten NASCAR.

Mike Wallace Daytona, Daytona International Speedway

TRG und Kevin Buckler wagten Anfang 2009 den Sprung in die NASCAR Zoom

Brettel muss sich bei diesem Beispiel ein Lachen verkneifen: "Schon vor vielen Jahren, damals noch aktiver Clubfahrer ohne jedes Team, war es Kevins Traum, irgendwann einmal eine eigene NASCAR-Mannschaft zu haben. Als er uns das dann gebeichtet hat, war Kevin überrascht, dass wir das als Motorsportler absolut verstehen."

Denn natürlich wurde Buckler gefragt, wo er denn in Zukunft die Priorität sehen würde. "Aber wir haben dann gesehen, dass sich die beiden Projekte nicht im Weg stehen. Er will seine Sportwagen-Wurzeln behalten, denn natürlich bewegt er sich in der NASCAR auf dünnem Eis und möchte sich den Weg zurück nicht verbauen. Aber es ist für ihn ein Kindheitstraum und den hat er sich jetzt erfüllt."

2009: Wieder 214 verkaufte 911 GT3 Cup

Bucklers Weg ist zwar ein exotischer ("Einen vergleichbaren Werdegang hat es meines Wissens noch nie gegeben"), aber Porsche sieht sein Kundensportprogramm sowohl aus Fahrer-, als auch aus Teamsicht als einen stetigen Entwicklungsprozess, dessen Verlauf automatisch permanenten Änderungen unterworfen ist. "Flying Lizard ist auch so ein Kunde. Dieses Team hat sich mit Porsche in der ALMS toll entwickelt. Flying Lizard hat sicher das Potenzial in Zukunft ihr Programm noch weiter auszubauen."

Porsche-Motorsportchef Harmut Kirsten und Uwe Brettel sind mit 2009 zufrieden Zoom

Eine auf der ganzen Welt "vernetzte Motorsportplattform" also, die für Kunden und Partner vielseitig nutzbar ist: "Das ist für uns auch ganz wichtig, denn es muss für den Kunden einen echten Spannungsbogen beinhalten. Denn wenn es irgendwann langweilig wird, dann verliert man den Kunden. Genau deswegen sind für uns diese Entwicklungsmöglichkeiten so entscheidend."

214 verkaufte Rennfahrzeuge vom Typ 911 GT3 Cup sprechen auch 2009 für den stetigen Erfolg des Porsche-Kundensportprogramms. Die Industrie interessiert sich ebenfalls in zunehmendem Maße für die Motorsportaktivitäten, wie zum Beispiel die neu gewonnenen Partner, die Brauerei Veltins, die Rolex-Marke Tudor, der Henkel-Klebstoffableger Loctite oder Felgenhersteller BBS beweisen.

Uwe Brettel im Kreuzverhör:

Geburtsdatum: 24. Mai 1964

Geburtsort: Stuttgart-Degerloch

Wohnhaft in: Leonberg bei Stuttgart

Familienstand: verheiratet

Erstes Fahrzeug: VW Käfer (Ex-Polizeikäfer)

Aktuelles Fahrzeug: 911 Carrera 4S

Erlernter Beruf: Modellbauer und Diplomingenieur

Im Motorsport involviert seit: 1995

Größter beruflicher Erfolg: Siege mit Porsche-Teams bei den Langstreckenklassikern in Le Mans, Sebring und Daytona sowie der Aufbau eines Markenpokals in Nordamerika

Größtes Ziel: Comeback mit Porsche in den Spitzensport

Lieblingsteam: Penske

Online oder Print? Print

Business- oder Economy-Class? Weder noch

Boulevard oder Feuilleton? Feuilleton

Festgeld oder Optionsschein? Festgeld

T-Shirt oder Sakko? T-Shirt

Opernball oder Oktoberfest? Weder noch

Arbeit oder Hobby? Arbeit

Lebensmotto: Gib immer dein Bestes, aber unterschätze nie deine Gegner und respektiere sie so, wie du respektiert werden willst.

Lieblingslektüre: Buch von Stephen W. Hawking zur Raumzeit und Schwarzen Löchern im All

Person, die ich am meisten bewundere: Dalai Lama

Person, mit der ich mal auf ein Bier gehen möchte: Angela Merkel und Tina Turner

Geld bedeutet für mich... lediglich "nice to have" - regelt bei uns meine Frau

Motorsport fasziniert mich, weil... es ein Teamsport ist und am Ende, nach allen Vorbereitungen, Diskussionen und Spekulationen, nur das Ergebnis und damit die Gesamtleistung des Teams zählt.