Supercars-Berater Sam Michael: "Formel 1 steht über allem"

Nach einer Saison in der V8-Supercars-Serie zieht Triple-Eight-Berater Sam Michael Bilanz und spannende Vergleiche zur Formel 1, wo er bis Ende 2014 tätig war

(Motorsport-Total.com) - Bereits als Sam Michael die Formel 1 Ende 2014 nach 21 Jahren verließ, wurde der ehemalige Sportliche Direktor bei McLaren mit der australischen Tourenwagenserie, den V8-Supercars, in Verbindung gebracht. Zwei Jahre später bestätigte sich seine Rückkehr in den Motorsport. Seitdem ist Michael als Berater für Triple Eight tätig. Im Gespräch mit 'Supercars.com' blickt er auf seine erste Saison zurück und zieht Vergleiche zur Formel 1.

Titel-Bild zur News: Sam Michael

Früher immer an der Rennstrecke, hält sich Sam Michael heute eher im Hintergrund Zoom

"Meine Hauptaufgabe besteht darin, ihre Ingenieure zu beraten und ihnen dabei zu helfen, was sie tun müssen, um in diesem Sport erfolgreich zu sein", erklärt Michael seine Rolle bei Triple Eight. "Sie wissen, was sie tun, aber offensichtlich hat Roland (Dane, Renningenieur; Anm. d. R.) mit dem Wechsel des Personals im vergangenen Jahr darauf geachtet, jemanden zu haben, der die Grabenkämpfe hinter sich hat und sagen kann: 'Dies sind die richtigen Bereiche, auf die man sich konzentrieren kann.'"

Mit Ludo Lacroix verlor Triple Eight seinen Technikdirektor an das Team Penske. Ein Verlust, den man zu kompensieren versuchte. "Ich kenne Ludo nicht", merkt Michael an, "aber es steht außer Frage, dass er der Beste in diesem Geschäft ist. Man schau sich nur einmal an, was er bei Penske gemacht hat. Er ist dort aufgetaucht und hat sie im Alleingang zu einer gewinnenden Kraft gemacht. Er hat die Fähigkeiten eines Adrian Newey."

"Es ist eine gute Zeit, um in Supercars involviert zu sein"

Zugleich schränkt Michael bezüglich seiner eigenen Rolle bei Triple Eight ein: "Ich bin nicht hier, um Ludo zu ersetzen. Er war hauptberuflich und operativ tätigt. Das wollte ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Roland wollte auch vielmehr jemanden, der ihm dabei hilft, dieses Team von Ingenieuren als Team unter sich aufzubauen." Genau dafür sei Michael vordergründig zuständig. "Es geht viel um Entwicklung und Führung und menschliche Fähigkeiten. Das macht etwa 60 Prozent aus, 40 Prozent helfe ich dem Team technisch."

Das tut der Australier nur einige Tage im Monat, wie er selbst sagt. Denn 90 bis 95 Prozent seiner Zeit arbeitet er im eigenen Software-Unternehmen, das sich auf angewandtes maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz konzentriert. Bei Triple Eight sei er aber dennoch angekommen: "Es ist eine fantastische Gruppe von Leuten, die ohne mich hier viele Meistenschaften gewonnen hat. Das technische Niveau im Team ist extrem hoch."

Auch von der Tourenwagenserie und den V8-Supercars sei er beeindruckt. "Es ist eine interessante Zeit in diesem Sport, mit den neuen Reifen in der letzten Saison, einem neuen Auto in diesem Jahr und einem neuen Motor am Horizont. Aus technischer Sicht ist es eine gute Zeit, um in Supercars involviert zu sein", schwärmt er und zieht interessante Vergleiche zur Formel 1, die aus seiner Sicht noch immer das Maß der Dinge ist.

Formel 1 als technischer Wegbereiter für andere Serien

"Wir haben hier kein 350-Millionen-Euro-Team mit 650 Leuten. Es ist ein Zehntel der Größe, also ist es eine andere Welt, aber die Effizienz und Art und Weise, wie die Dinge hier laufen, ist wirklich beeindruckend", sagt Michael. "Rennteams fußen normalerweise auf starken Individuen und Roland ist definitiv eines davon. Er ist vergleichbar mit Frank Williams oder Ron Dennis. Diese Menschen sind Rennfahrer im Herzen und sie ziehen Talente an."

Doch nicht nur hier sieht Michael Parallelen zur Königsklasse. Er spricht auch von einer Art Technologie- und Wissenstransfer: "Es gibt Dinge, die Supercars-Teams jetzt tun, die nur möglich sind, weil die Formel 1 seit 30 Jahren in diese Bereiche investiert hat, wie Simulation, und schließlich werden sie sehr günstig und sickern durch." So seien Datensysteme, wie sie an Rennautos heute Standard sind, in den späten 80er und frühen 90er Jahren noch wenig erschwinglich gewesen. "Heute kostet ein Sensor fünf Dollar."

Weil die Formel 1 über die Ressourcen verfügen, Grenzen zu verschieben, könnten in der Folge auch andere Kategorien davon profitieren. Dies sei ein ständiger Prozess. "Es passiert jetzt eine Menge in der Formel 1, die den anderen weit voraus ist, und das sind die nächsten Dinge, die sich niederschlagen werden", erklärt Michael. "Dabei handelt es sich aus meiner Sicht weniger um Hardware und mehr um Software und Simulation."

V6-Turbo feiert Debüt - Sound "besser als erwartet"

So kann sich der Unternehmer in Zukunft vorstellen, die Wahl des perfekten Set-ups komplett zu automatisieren. Denn ein Mensch könne die Entscheidung für oder gegen eine Abstimmung mit der Menge an zur Verfügung stehenden Informationen nicht am besten und schon gar nicht schnell genug treffen. "Selbst wenn Sie Einstein sind, können Sie die Maschine nicht schlagen, wenn sie gut entwickelt ist", so Michael.

Gleiches gelte für Boxenstopps: "Wenn es nach den Teams ginge, würden bei den Boxenstopps keine Menschen arbeiten. Sie wären von Robotern gesteuert und würden vier oder fünf Zehntel dauern", ist der Verfechter künstlicher Intelligenz überzeugt. Noch ist es nicht soweit, auch weil die Regularien das verbieten. Dafür steht der australischen Tourenwagenserie in diesem Jahr ein anderer technischer Meilenstein bevor: 2018 wird neben V8-Supercars auch ein neuer V6-Turbo zum Einsatz kommen.

2019 will Hersteller Holden den neuen Antrieb einführen, in diesem Jahr sollen erste Wildcardstarts erfolgen. Michael begleitete das V6-Projekt in Meetings und Tests, äußert sich jedoch zurückhaltend: "Gerade jetzt scheint es die richtig Richtung zu sein. Was die Supercar-Regeln angeht, muss man keinen V6-Turbo einsetzen, es ist lediglich Holdens Wahl. Insofern steht es jedem frei, es anders zu machen."

In zehn oder 20 Jahren sei ein V6-Turbo "vielleicht nicht das Richtige", ergänzt Michael. "Es ist eine Herausforderung für die Kategorie, aber es ist etwas, dass im Fluss bleibt." In Sachen Sound kann er die Fans beruhigen: "Ich dachte, es wäre schrecklich, aber es war lauter als erwartet. Es ist zwar kein V8, aber es ist viel lauter als ein Formel-1-Auto. Das darf man nicht unterschätzen, denn es ist sehr wichtig für die Kategorie und die Fans."