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  • 16.11.2015 01:46

  • von Craig Scarborough (Haymarket)

Formel-1-Technik 2015: Mercedes' S-Schacht erklärt

Wie die Silberpfeile erfahren wollten, ob ihr (nicht komplett neues) Aerodynamik-System die Sicht des Piloten einschränkt - Novellen bei McLaren und Toro Rosso

(Motorsport-Total.com) - Im Vorfeld des Brasilien-Grand-Prix war für die meisten Teams die Entwicklungsarbeit für das Jahr 2015 beendet und der Fokus auf die kommende Saison verschoben. Ganz besonders Mercedes zog die Blicke mit einer Innovation auf sich. Die Rede ist von einer vorgewölbten Platte mit einem Bullauge, die im Freien Training am Freitag an beiden W06 zu erkennen war. Offenbar testen die Silberpfeil einen S-Schacht - ein Rohrsystem in der Nase, das den Luftstrom über und unter der Verkleidung glättet.

Titel-Bild zur News: Mercedes-Nase

Die Mercedes-Nase könnte im Winter zu einer Formel-1-Großbaustelle werden Zoom

Neu ist die Idee nicht: Die Systeme tauchten zuerst bei Sauber auf, als die Stufennasen eingeführt wurden. Seitdem haben Red Bull, Toro Rosso, McLaren und Force India verschiedene Versionen genutzt. Sie bündeln den Luftstrom unter der Nase und leiten ihn über die Verkleidung. Das sorgt dafür, dass der Luftstrom über die Oberseite des Autos führt und die Anströmung unter der Nase verbessert wird. Es wird erreicht, dass der zylinderförmige Hauptteil der Nase schmaler gestaltet werden kann.

Es ist möglich, die Technik nachträglich einzusetzen, aber noch deutlich besser, wenn die vordere Spritzwand und die Nase entsprechend optimiert sind. Mercedes ersetzte seine vorgewölbte Platte und verdeckte die innere Vorderradaufhängung mit einem neuen Teil, das zwei deutliche Wülste aufweist. Besonders relevant ist der Ausgangsschacht, der nach hinten zeigt. Bei Lewis Hamilton wurde er abgeklebt, bei Nico Rosberg war er offen - Mercedes wollte also offenbar noch nicht die gesamte Ausbaustufe nutzen und zunächst einen Test unternehmen.

Auf der neuen Platte zeigte sich eine seitliche Ausbuchtung. Ihre Umrisse zeichnen die Öffnung in der Verkleidung nach, in der die Sprungfedern sitzen. Dieser Teil der Aufhängung präsentiert sich nicht länger als gewöhnlich, sodass der zusätzliche Spielraum entweder dazu diente, die für 2016 geplante Verkleidungshöhe darzustellen oder die Luftführung so anzupassen, dass sie den Ausgangsschacht anströmt.

Allerdings war noch kein Schacht zu erkennen, der dorthin geführt hätte, noch zeigte sich ein Eingang unter der Nase. Ein Beweis dafür, dass es sich nicht um einen voll funktionsfähigen S-Schacht handelte. Wahrscheinlich ging es um einen Test für 2016, bei dem ermittelt werden sollte, ob der Schacht und eine höhere Verkleidungshöhe nicht den Blick des Piloten aus dem Cockpit stören. Weiterhin ist anzunehmen, dass ein neuer Hauptteil der Nase nötig ist, um einen Eingang unter der Verkleidung verbauen zu können.

Das größere Problem dürfte das Fehlen einer entsprechender Öffnung im Unterboden sein, durch die sich die Luft führen ließe - wenn nicht ein Schacht in einer größeren Nase dazu diesen kann, den Ausgangsschacht anzuströmen. Abwarten, ob die Platte in Abu Dhabi eine zweite Chance erhält und dann von einer Öffnung und Schächten angeströmt wird. Sonst wird es bis 2016 und bis zur Vorstellung des W07 dauern, ehe Klarheit über die Verwendung des S-Schacht-Konzepts bei Mercedes herrscht.

Red Bull fährt mit neuer Renault-Ausbaustufe

Renault ließ sich 15 Rennen damit Zeit, elf seiner zwölf Token zur Antriebsentwicklung zu nutzen und seinen Verbrennungsmotor zu überarbeiten. Es dauerte noch zwei Grands Prix, ehe Red Bull davon Gebrauch machte. Es war das ganze Jahr über klar, dass Renault über ein hervorragendes ERS verfügt, es dem V6-Turbo aber an Pferdestärken mangelt. Es wurden fast alle Token aus dem Winter investiert, um den Motor endlich in die Spitzenklasse zu hieven.

Daniel Ricciardo

Großes Update, kleine Wirkung: Red Bulls Leiden mit dem Renault-V6 Zoom

Ziel war es, mehr Power zu generieren und die Empfindlichkeit bei Hitze einzudämmen - obwohl Red Bull nur mit einer bis zwei Zehntelsekunden Zeitgewinn pro Runde rechnete. Um aus den temperaturmäßigen Verbesserungen Kapital zu schlagen, braucht es allerdings eine Überarbeitung der Seitenkästen und kleinere Kühler, um die Aerodynamik ohne Leistungsverlust zu verbessern. Daniel Ricciardo fuhr in Brasilien mit dem neuen Antrieb, Daniil Kwjat soll beim Finale in Abu Dhabi nachziehen.

McLaren macht Anpassungen an die neue Fahrwerkshöhe

McLaren-Honda arbeitet an allen Fronten der Entwicklung und hatte in Brasilien neue Teile im Gepäck. Besonders wichtig an der Verkleidung: ein abermals überarbeiteter Diffusor. Mit weiteren Tests eines hinten höher gelegten Fahrwerks - wie es Red Bull und andere vorgemacht haben - muss der Diffusor den Luftstrom mit viel mehr Abstand zur Fahrbahn leiten. Nützlich ist das für die vielen Einzelabschnitte im Diffusor. Deshalb wurden Größe und Positionierung angepasst, um besser mit der höheren Fahrwerkslage zu harmonieren.

Fernando Alonso

Bei McLaren standen der Diffusor und die Fahrwerkshöhe im Blickpunkt Zoom

Ein kleines, aber wichtiges Update für Interlagos war ein überarbeiteter Heckflügel am Toro Rosso. Der zurückhängende Teil des Flügels war dabei in Richtung der äußeren Enden zugespitzt, was die Angriffsfläche an den Endplatten verkleinert und für weniger Verwirbelungen sorgt. Diese entstehen zwischen dem Flügel und den Abweisern. Sie sind mit zusätzlichem Widerstand verbunden. Da Toro Rosso noch mit dem herkömmlichen Renault-V6 unterwegs mit Leistungsdefizit unterwegs war, dürfte die Sache für schnelle Passagen hilfreich gewesen sein.